Text und Fotos Friedrich Klawiter                                                 
6. BRÜSSELER CIRCUS FESTIVAL
Brüssel, 13. Oktober 2012

www.bouglione.be
Zum sechsten Mal veranstaltet die Familie Bouglione in ihrem Circus das „Brüsseler Circus Festival“ in der belgischen Landeshauptstadt. Zum rund drei Monate dauernden Gastspiel ist der Circus wie immer im Park von Laken in unmittelbarer Nähe zum Brüsseler Wahrzeichen, dem zur Weltausstellung 1956 errichteten Atominum, aufgebaut.
In der weitläufigen Parkanlage ist ein großer weiß-roter Viermaster, dessen Kuppel von acht Sturmstangen getragen wird, aufgebaut. Das während der Saison genutzte Chapiteau dient nun als Vorzelt. Ein langes rechteckiges Zeltdach überspannt den Eingangsbereich und bietet den auf Einlass wartenden Besuchern Schutz vor der Witterung.
Davor wurde der nostalgische Kassenwagen des Circus platziert. Weitere antike, liebevoll restaurierte Circuswagen sind direkt dahinter aufgefahren. Die übrigen Fahrzeuge und die Stallungen drängen sich dicht zwischen Chapiteau und einem Wäldchen, dass den Platz begrenzt. Einige Sattelauflieger, die am unteren Ende der Wagenreihe weithin sichtbar stehen, sind mit großen violetten Spannbändern, die in gelber Schrift den Namen Bouglione tragen, als Werbeflächen dekoriert.
Das Vorzelt wird vom großen, orientalisch dekorierten Bogen eines ehemaligen Artisteneingangs, der in riesigen goldenen Lettern ebenfalls den Namen „Bouglione“ trägt, dominiert. Passend dazu sorgen goldfarbene Kandelaber in Form von Elefantenköpfen für stimmungsvolles Licht. Zahlreiche Verkaufsstände und Sitzgelegenheiten sind in dem mit Teppichboden ausgelegten Zelt platziert. Besonderer Blickfang ist ein aufwändig restaurierter und üppig dekorierter Holz-Schindelwagen, der das Circus-Café beheimatet. In seinem Innern sind zahlreiche Fotos und Plakate aus der Vergangenheit der Circus-Dynastie Bouglione zu bewundern.
Die prächtigen, mit goldfarbenen Panthern und Elefanten reichlich verzierten Logen ziehen sich im Chapiteau-Innern um die Piste und ein zehnreihiges Bankgradin ergänzt die Sitzeinrichtung. Der Artisteneingang im Hintergrund des ovalen Zeltes ist aus dunkelblauem Tuch, dass mit zahllosen glitzernden Steinchen besetzt ist. Oberhalb der der Gardine befindet sich eine Projektionsfläche, auf der die Artistennamen und das Heimatland eingeblendet werden. Während des Einlasses wird sie für Werbebotschaften genutzt.
„Viva Latina“ lautet, wie schon während der Saison, das Motto des Brüsseler Circus Festivals und nachdem die Begrüßung aus dem Off erfolgt ist, beginnt die Show mit der Hohen Schule der Familie Saabel.

Bernhard und Tiziana Saabel mit ihren Töchtern Alexandra und Kelly, bieten gleich zu Beginn der Show ein exzellentes Highlight. Im spanischen Stil, Alexandra lockert die hochkarätigen Pferdepräsentationen mit ihren Einlagen als feurige Flamencotänzerin elegant auf, werden mit sieben verschiedenen Pferden viele equestriche Höchstleistungen  geboten. Pirouetten, Traversalen, Levaden, Schule am langen Zügel und vieles mehr erfolgt in erstklassiger Ausführung und Harmonie zwischen Reiter und Pferd.
Wenig später sehen wir die zweite erstklassige Dressurdarbietung der Familie Saabel. Jeweils vier Huskies und Samujeden-Spitze stürmen, einem Hundeschlitten mit den Vorführern darauf vorgespannt, in die Manege. Sämtliche Requisiten sind Eisblöcken nachgebildet und in diesem „arktischen Umfeld“ zeigen die Vierbeiner voller Eifer und überschäumender Spielfreude ihr Repertoire.
Die Geschwister Nistorov sind mit ihren beiden schwungvollen Darbietungen zu erleben. Zunächst präsentieren sie ihre Gruppenjonglage mit Keulen. Schnell und sicher erfolgen die zahlreichen Routinen in immer wieder anderen Formationen. Mit dem jonglieren hell lodernder Fackeln findet die Nummer ihren effektvollen Abschluß.
Die rasante Rollschuhartistik begeistert auch das Brüsseler Publikum. Mit sehr gutem Verkauf werden die attraktiven Abläufe geboten und in schnellem Wechsel reihen sich die Tricks aneinander.
Yoswin Rodriguez Pena ist ebenfalls mit zwei Auftritten im Programm vertreten. Auf dem Elastic-Seil bietet der cool auftretende Artist, der bei uns u. a. von seinem Engagement im Circus Voyage bekannt ist, eine Reihe verschiedener hoher Sprünge und Salti. Den zweiten Programmteil eröffnet er mit einer starken Leistung an den Strapaten. Kraftstrotzend werden die weiten Flüge durch die hohe Kuppel des Chapiteau ausgeführt.
In einer kurzen Dressurfolge präsentiert Sandro Montez drei Kamele.

Für den humoristischen Teil des Programms sind Clown Ronnie und Komiker Cesar Diaz zuständig. Ronnie, der seit einigen Jahren zum Ensemble des Cirque Alexandre Bouglione gehört, tritt als traditioneller Reprisenclown in Erscheinung. Dem Applaus-Wettbewerb folgt eine vorzügliche Hohe Schule auf einem Kostümpferd. Erstmals sehen wir ihn als Elvis-Imitator, der im Verlauf des Auftritts eine wundersame Körperverkleinerung erlebt.
Die Figur die Cesar Diaz in der Manege verkörpert steht für eine moderner ausgerichtete Clownerie. Mit gekonntem Beat Boxing untermalt er seine Aktionen und die seines Mitspieler aus dem Publikum. Mit diesem wird zunächst „Motorrad“ gefahren, dann kommt es zum Duell. Im letzten seiner Auftritte begeistert Cesar Diaz als „Sänger“, der sich allen Widrigkeiten zum Trotz auf der Bühne behauptet. In schier aberwitzigen Verstrickungen kämpft er gegen die Widerspenstigkeiten von Mikrophon, Kabel, Kleidung und Barhocker.

Das straff präsentierte Programm des diesjährigen Brüsseler Circus Festivals wird von einer ausgezeichneten Lichtregie in hervorragender Weise in Szene gesetzt. Die auftretenden Artisten werden in ganz besonderer Weise wirkungsvoll unterstützt. Für die artistisch-akrobatischen Höhepunkte sorgen in der aktuellen Produktion drei junge Frauen mit ihren exzellenten Darbietungen.
Phantasievoll und elegant hat Anouchka Bouglione, die aktuell als einzige Vertreterin der Direktionsfamilie in der Manege präsent ist, ihre neue Darbietung am Trapez gestaltet.
Ein sehr großes, mit einem roten Tuch verhülltes Gebilde, steht in der Manege und Clown Ronnie lüftet das Geheimnis. In einem riesigen „Vogelkäfig“ sitzt ein bezaubernder „Vogel“ in prächtig glitzerndem „Federkleid“ auf seiner „Schaukel“. So beginnt Anouchka Bouglione ihre Trickfolge in deren Verlauf der „Käfig“ alsbald hoch in die Kuppel gezogen wird, auf das die sicher und kraftvoll ausgeführten Tricks ihre volle Publikumswirksamkeit entfalten.
Gleichfalls eine neu erarbeitete Darbietung in einer für sie neuen Disziplin bietet Lilly Tudor. Die äußerst vielseitige Artistin hat eine furiose Trickfolge am Mast einstudiert. Perfekt inszeniert folgen die anspruchsvollen und kräftezehrenden Posen in rascher Folge aufeinander.
Alexandra Saabel begeistert mit ihrer exzellenten Handstandkür. Auf einem hohen Piedestal zelebriert die Artistin vielfältige Handstände, Waagen und Einarmer in hervorragender Ausführung. Mancherlei in den Ablauf integrierte kontorsionistische Elemente und Posen geben der Nummer zusätzlichen Drive. Scheinbar ohne Anstrengung  folgen die anspruchsvollen Tricks aufeinander und lassen das Publikum angesichts der perfekten Körperbeherrschung staunen.
Ein wenig überraschend ist es schon, dass die Rollschuhdarbietung der Nistorovs nicht als Schlußnummer geboten wird, sondern Sandro Montez mit der Freiheitsdressur von sechs Friesen als letzter im roten Ring präsent ist. Die Pferde wurden zu Jahresbeginn vom Circus Belly-Wien, wo sie viele Jahre in den Shows mitwirkten, übernommen. In ruhigem Vorführstil lässt Montez das Repertoire der Friesen ablaufen.

Bunt und fröhlich wurde das Finale choreographiert. Lange Stoffbahnen hängen aus der Kuppel in die Manege herunter und die Mitwirkenden nehmen jeder eine Bahn auf. In zwei gegenläufigen Kreisen die Manege umrundend, flechten sie auf diese Weise einen mächtigen Zopf und Cesar Diaz untermalt die Szene mit gekonntem Live-Gesang. Die Familie Bouglione und alle Mitwirkenden nehmen den wohlverdienten Applaus der Besucher entgegen, dann lehrt sich die Manege. Als Epilog werden auf der Videowand zahlreiche historische Fotos der Familie Bouglione und ihres Circus eingespielt und langsam, immer wieder die faszinierenden Belege einer längst vergangenen Epoche circensischer Kunst bestaunend, verlässt ein zufriedenes Publikum das Chapiteau.
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