Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE Alexandre BOUGLIONE
Bastogne, 15. Mai 2010

www.bouglione.be
Der Circus Alexandre Bouglione bereist fast ausschließlich den französisch sprechenden Landesteil Belgiens. Doch auch in der tiefen wallonischen Provinz, in der Kleinstadt Bastogne inmitten der waldreichen Ardennen, werden die Bedingungen für Circusgastspiele schwieriger. Der zentral gelegene geräumige Platz, der bisher die Circusse aufnahm wird aufwändig neu als Parkplatz gestaltet und steht keinem Gastspiel mehr zur Verfügung. Stattdessen wurde nun auf eine schmale nasse Wiese am Ortsrand hinter dem ehemaligen Bahnhof ausgewichen.

In dieser Reisespielzeit ist der Circus Bouglione mit einem neuen Zweimastenchapiteau auf Tour. Das rot-weiß gestreifte Zelt zeigt ein modernes Design mit hoher spitzer Kuppel und hoch hinausragenden „Sturmstangen“ - so wie es bei französischen Circussen in den beiden letzten Jahren mehr und mehr in Mode gekommen ist. Es füllt den Platz in der Breite passgenau aus, sodass im hinteren Bereich alles platziert sein muss - Fahrzeuge, Ställe, Tiere und sonstiges Material - ehe das Chapiteau montiert werden konnte.
In seinem Innern findet sich ein gleichfalls neues fünfreihiges Gradin - wie zumeist in Frankreich, schlichte Holzbänke ohne Rückenbretter. Die mit rotem Stoff dekorierten Logen und die Piste sind schon länger im Einsatz. Der elegante neue Artisteneingang, der anlässlich der „Bollywood-Inszenierung“ letzten Herbst in Brüssel Premiere hatte, ist nun auf der Tournee wieder der gewohnten roten Gardine gewichen.
Die exzellent bestückte Lichtanlage wird geschickt virtuos eingesetzt und unterstützt die Präsentation des Gebotenen hervorragend. Auch die Soundtechnik zeigt sich qualitativ auf der Höhe der Zeit, ihr Volumen ist auch wesentlich größeren Zelten gewachsen.

Aus dem Off kündigt sich der wortgewaltige Monsieur Loyal Pierre Paillé zunächst selbst als den Präsentator der Show an. Dann erst tritt er ins Rampenlicht, das Publikum zu begrüßen. Nachdem ein „après-midi excellent“ im „cirque des cirques“ gewünscht wurde und die 'Salto Mortale Melodie' verklungen ist, startet die Spielfolge traditionell mit der Raubtierdressur.
Nicolas Bouglione präsentiert in gewohnt souveräner Manier seine 'kleinen Katzen'. Die drei Pumas sind zunächst einige Augenblicke alleine in Manege, zeigen sich verspielt. Dann folgt der Vorführer und zwei gefleckte Leoparden. Den schwarzen Panther nimmt er am Tunnel in Empfang, trägt ihn auf den Armen zu seinem Sitzplatz. Hochsitzer und diverse weite Sprünge kennzeichnen den Auftritt, der auch reichlich Szenen mit Körperkontakt aufweist. Abschließend zeigt sich ein Leopard als eleganter Hinterbeinläufer.
In einem weiteren Auftritt stellt Nicolas Bouglione die afrikanische Elefantenkuh 'Jenny' vor. Die große Elefantin beherrscht ihr Repertoire, dass den üblichen Rahmen umfasst, sicher.

Die weiteren hauseigenen Tierdressuren werden en bloc zu Beginn des zweiten Programmteils vorgeführt. Da sind zunächst zwei Esel im Zusammenspiel mit zwei Lamas,die ihre Figuren unter Anleitung von Clown Ronnie vortragen. Pierre Paillé dirigiert mit großer Nonchalence ein Einzelpony durch den Manegensand.
Die nachfolgenden vier mächtigen Hinterwälder Ochsen, alle diese Tiere haben ihre Ausbildung im schweizer Circus Medrano erhalten, hören wieder auf die Kommandos von Clown Ronnie. In aller Ruhe und der gesamten zeit dieser Welt führen sie ihre Figuren exakt aus.
Clown Ronnie gehört seit einigen Saisons zum Ensemble des Cirque Alexandre Bouglione. Aktuell ist er mit mehreren Reprisen zu sehen. So wird u. a. mit den Zuschauern Ball gespielt, als Dirigent das mitklatschen arrangiert. Einige Male gibt Monsieur Loyal den autoritären Gegenpart der beispielsweise den Vortrag eines Chansons unterbindet.

Auch im artistischen Teil versteht das Programm zu überzeugen. Da ist zunächst einmal Nancy Brand. Die junge Artistin lässt versiert die Hula Hoop Ringe kreisen. In coolem schwar-weißem Outfit werden die genreüblichen Abläufe geboten.
Ihre zweite Kür absolviert sie an einem rotierenden Mond, der auf einem hohen Piedestal montiert wurde. Eine Trickfolge, wie sie üblicherweise an Luftapparaten gearbeitet wird, wurde hier um Handstandelemente ergänzt.

In insgesamt drei Auftritten zeigt das Ehepaar Maud und Tony Florès sein Können. Annonciert als Tochter des 'Grand Maitre Ecuyer' Alexis Gruss und erstmals in Belgien zu sehen, reitet Maud Florès eine 'Hohe Schule' im spanischen Stil. Zu Flamenco und Tango inspirierter Musik zeigt sie eine feine reiterliche Leistung. Auch in der kleinen engen Manege geht der Friese flüssig und sauber die anspruchsvollen Lektionen. Eine 'Hohe Schule' wie man sie heute leider nicht mehr oft im Circus geboten bekommt.
In ihrer zweiten Darbietung ist Maud Florès auf dem Seil zu erleben. Elegant und faszinierend - diese Attribute beschreiben ihren Seiltanz treffend. Sie beginnt diese gleichsam spanisch gestylte Nummer mit einem Spitzentanz auf dem Seil. Viele unterschiedliche Tanzpassagen und Balanceposen werden souverän vorgetragen. Mit einem eleganten Spagat findet dieser Auftritt auf dem Seil, dessen Betonung eindeutig auf 'Tanz' liegt, seinen gelungenen Abschluß.
Tony Florès zeigt sich als cooler souverän agierender Jongleur. Zu schwerer und im Kontext zur weiteren Gestaltung seiner Nummer, schwieriger Musik arbeitet er sehr sicher und völlig relaxed wirkend. Zunächst werden fünf dann sieben kleine Bälle vituos in der Luft gehalten. Es folgen Routinen mit drei, vier und fünf Keulen. Abschließend werden bis zu sieben Ringe effektvoll jongliert.

Für weitere Highlights im Programm sorgt das Duo Nikita. Lili und Florin Tudor arbeiten in dieser Saison sowohl ihre Perchnummer als auch, als Finalnummer, ihre Schleuderbrettdarbietung. Zwei leistungsstarke Nummern, die sympatisch, sicher und gut verkauft werden. Beim Perchakt hält das Publikum die Luft an, wenn Florin seine Partnerin Lili - die auf der Stirnperch im Handstand verharrt - über eine Leiter trägt. Ebenso beeindruckt der Sprung vom Schleuderbrett auf eine kleine Plattform an der Spitze einer Perch, die der Porteur Florin im Gürtel fixiert.

Mit einem kurzen Finale, das bei Alexandre Bouglione einem festgefügten Ablauf folgt, verabschieden sich Artisten und Direktion. Es ist ein stimmiges rundes unterhaltsames Programm, mit dem der Circus durch die Wallonie reist.
optimiert