Text: Friedrich Klawiter, Fotos: 1 GL, 13 Friedrich Klawiter
CIRCUS d' EUROPE
Direktion Aucante
Paris Orly, 11. Dezember 2011


In den Trabantenstädten der französischen Hauptstadt sind während des ganzen Jahres Familiencircusse unterschiedlicher Größe anzutreffen. Auch in der Vorweihnachtszeit, während die großen Galas des „Arbre de Noel“ Saison haben, sind einige Circusse in dem mit mehr als zehn Millionen Menschen besiedelten Großraum der Megacity unterwegs.
In Orly, einer der drei Flughäfen der Metropole ist hier gelegen, gab der Cirque d' Europe ein Gastspiel. Direktor Max Aucante reist seit fast dreißig Jahren mit einem eigenen Circus. Lange Jahre nannte man sich Cirque Continental bevor der heutige Name gewählt wurde. Seine Ehefrau Madelaine geb. Gontelle, betreut die Kasse, Sohn Sasha - mit seiner Frau Sarah und Sasha jun. - sowie die Töchter Catherine und Audrey stehen mit ihrem Vater in der Manege.
In einer kleinen Parkanlage im Zentrum von Orly war der Circus zu finden. Ein aufwändig und dekorativ in Airbrush-Malerei gestalteter Fassadenwagen dominiert die Front. Löwen, Tiger, Elefant, Steiger-Pferde, Clown und Show-Girls strahlen überlebensgroß den Besuchern entgegen. Eine elegant geschwungene Treppe führt zum Durchgang des Wagens und der darin integrierten Kasse. Direkt hinter der Front ist ein Käfigwagen mit fünf Tigern platziert, so dass jedem Besucher die mitgeführten Raubtiere direkt ins Auge fallen.


Die Kuppel des modernen Zweimasten-Chapiteau wird von vier sehr hohen und weit auskragenden Quaderpools geformt. Das Zelt hat einen fast rechteckigen Grundriss. Zelte und Wagen sind komplett in den französischen Nationalfarben - blau, weiß, rot - gehalten.
Das gesamte Material zeigt sich bemerkenswert gepflegt und sauber. Die Wagen und Lkw sind erstklassig lackiert und allesamt dekorativ mit dem Circusnamen beschriftet, die Führerhäuser mit Dekor versehen. Zwei aufwändig mit Circusmotiven dekorierte Reklamefahrzeuge sind mit Lautsprecheranlage ausgerüstet und touren zu Promotionszwecken durch die Stadt. Die Werbung des Cirque d' Europe ist intensiv. Auffällige Plakate sind an beinahe jedem Laternenmast zu finden und zudem werden zahlreiche Stellwände mit großformatigen Plakaten eingesetzt.
Der Tierbestand ist für einen Circus dieser Größe sehr beachtlich. Auf zwei Käfigwagen sind insgesamt zehn Tiger untergebracht. Sechs Friesen sowie einige Ponys stehen im Stall neben einem Kamel und mehreren Lamas. Zwei Paviane gehören gleichfalls zur Menagerie, die von der afrikanischen Elefantenkuh Tanya komplettiert wird.

Im Chapiteau sind dekorative rot-weiße Logen um die Piste angeordnet. Lange fünfreihige gerade Tribünen stehen entlang zweier Seiten des Zeltes. Am Restaurationsstand, der gleichfalls im Chapiteau seinen Platz hat, werden u. a. frisches Popkorn und Zuckerwatte angeboten. Eine große weiße Plane mit roten Vorhang bildet den Artisteneingang.

Zur Vorstellung sind Ränge und Logen bestens besetzt und Direktor Max Aucante tritt als „Monsieur Loyal“ im, für diese Rolle typischen, roten Frack vor sein Publikum. Nach der wortreichen Begrüßung wechselt er sein Outfit in eine elegante Livree und präsentiert eine umfangreiche Dressurfolge mit vier Tigern. Hochsitzer am Platz, verschiedene Sprungvarianten - unter anderem auch durch einen Feuerreifen, Teppich und Balkenlauf gehören zum Repertoire.
Schnell wird der Zentralkäfig entfernt, dann stellt Catherine ihre Freiheitspferde vor. Vier Friesen füllen die kleine Manege mit ihren zahlreichen Lauffiguren. Gekonnt und charmant lässt die Dresseurin Volten, Pirouetten und andere Figuren ablaufen.
In einem weiteren Auftritt präsentiert die junge Frau ihre Antipodennummer. Rasant und geschickt wirbelt sie verschiedene Walzen auf ihren Füssen umher. Ein kleines Weinfass und ein größeres Kreuz sind weitere Requisiten die benutzt werden. Die Fußjonglage eines Tisches gehört zu den Klassikern des Genres, ist heutzutage nur noch selten zu sehen. Spektakulär endet die Darbietung mit dem jonglieren einer großen Feuerwalze.
Audrey Aucante produziert sich hoch unter der Circuskuppel am Vertikalseil. Kraftvoll, anmutig und geschickt wird eine große Bandbreite der Tricks des Genres geboten. Pirouetten, Fahne und andere Halteposen erfolgen in erstklassiger Ausführung. Selten zu sehen ist das ausdrehen im Nackenhang.

Vor der Pause lässt der Chef des Hauses, sein Künstlername lautet „Pedro Maxo“, Elefant Tanya sein Können zeigen. Tochter Audrey ist als Figurantin mit in diesen attraktiven Auftritt, der das Tier in keiner Weise körperlich überfordert, eingebunden. Viele Zuschauer zeigen Überraschung und Begeisterung - erwartet man offensichtlich in einem Circus dieser Größe keine Elefantendarbietung.
Zur Pause wird eine der in Frankreichs Familiencircussen beliebten Tombolas, eine Pausentierschau ist hier weitgehend unbekannt,  veranstaltet. Die Lose finden reißenden Absatz. Plüschtiere und Circusmodellautos sind die Toppreise - „gewonnen“ werden allerdings nur Luftballons und Souvenirfähnchen des Circus.
Eine Magic-Show von Juniorchef Sasha und Sandy eröffnet den zweiten Programmteil. Ein kleines Vorspiel eines Fackelträgers in Mönchskutte und Maske vor dem Gesicht geht den Großillusionen voraus. Mehrere Fluchtkisten kommen hierbei zum Einsatz.
Wenig später sehen wir Sasha als Vorführer der Exoten des Cirque d' Europe. Auf zwei longengängige Lamas folgt die Vorstellung des Kamels.
Der sechsjährige Sasha jun. hat seinen großen Auftritt auf der Rola. Es ist erstaunlich, mit welcher Präzision und Professionalität der junge Artist, der Opa wirkt nur als dezenter Assistent im Hintergrund mit, seine Darbietung beherrscht. Die Tricks - u. a. durchsteigen eines und zweier Reifen, Balance auf einem Turm von drei Etagen - werden flott und absolut sicher ausgeführt.
Pedro Maxo präsentiert in seiner dritten Dressurnummer die beiden Paviane des Circus. In allerlei Variationen beweisen diese ihr Geschick im Balancieren. Dann wird demonstriert, dass Affen ihre Mahlzeit gesittet am Tisch sitzend zu sich nehmen können.

Traditionell wird das große Entree der Clowns als Schlussnummer im französischen Circus geboten. Hier sind Sasha und Sasha jun. die Auguste, die sich mit ihrem Trompetenspiel immer wieder über das Musik-Verbot des Monsieur Loyal hinweg setzen. Mit großem „Hallo“ ziehen die drei alle Register komödiantischen Könnens und die zahlreichen Kinder im Publikum danken es Ihnen mit enthusiastischem mitgehen und lautem kreischen.
Auf ein Finale wird im Cirque d ' Europe verzichtet. Direktor Max Aucante tritt in die Manege, bedankt sich für den Applaus und verabschiedet sich vom Publikum bis zum nächsten Jahr, indem man mit neuen Attraktionen zurückkehren werde.
Im Chapiteau der Familie Aucante erlebten wir guten echten Circus der ansprechend präsentiert wurde. Das sehr zahlreiche Publikum verfolgte das Geschehen in der Manege mit Aufmerksamkeit und sparte nicht mit Beifall - schließlich war man, im Gegensatz zu manchem Galacircus-Publikum, aus Interesse am Circus zur Vorstellung gekommen.
Das Gastspiel in Orly endet am 14. Dezember und nur drei Tage später wird im siebenhundertsiebenundsiebzig Kilometer entfernten Marseille an der warmen Mittelmeerküste die nächste Premiere stattfinden. 

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