Text GL, Fotos Friedrich Klawiter |
CIRCUS „La Piste aux Etoiles“ Amiens. 20. September 2009 www.lapisteauxetoiles.com |
In der nordfranzösischen ehemaligen Textilindustrie-Metropole Amiens besuchten wir den Cirque „La Piste aux Etoiles“, Direktion Auguste Falck. Erst seit dem Frühjahr 2009 reist der Circus unter diesem etwas sperrigen Namen, von dessen früherem Glanz man profitieren möchte. „La Piste aux Etoiles“ war eine populäre französische Circus-Fernsehsendung, die zwischen 1950 und 1976 im Cirque d' Hiver aufgezeichnet und wöchentlich gesendet wurde. Lange Jahre firmierte der Circus unter „Achilles Zavatta Fils“ und eine Saison prangte „Christiane Gruss“ auf den zahlreichen Fahrzeugen. Nur die dunkelblaue Lackierung mit gelber Schrift wurde immer beibehalten. Trotz der erst vor wenigen Monaten erfolgten Umbenennung ist der umfangreiche, sechsundzwanzig Zugmaschinen und dreiundsechzig Auflieger und Anhänger umfassende Fuhrpark komplett beschriftet. Vier mächtige chromblitzende, per Airbrush mit Motiven verzierte, Kenworth Trucks für die beeindruckenden Wohnauflieger der Familie Falck, sowie moderne Scania und Renault Magnum Zugmaschinen sorgen dafür, dass der Circus in einer Fahrt, auch über weite Strecken, schnell verlegt werden kann. Eine absolute Besonderheit ist das zusammenstellen von sogenannten „Roadtrains“. Hierbei wird nicht, wie sonst in Frankreich üblich ein Sattelzug mit einem Zwei- und einem Einachsanhänger gekoppelt, sondern mit Hilfe zweier Drehgestelle spannt man insgesamt drei Auflieger an die Zugmaschine. Ein imposantes Bild. Erstaunlich sind auch immer wieder Zustand und Sauberkeit des rollenden Materials der in der Regel schnell reisenden französischen Unternehmen. Ornamente in Rot- und verschiedenen Blautönen geben dem weißen, von drei Kuppeln gekrönten zweiundvierzig Meter Chapiteau ein spezielles Aussehen. Auch das Restaurationszelt, die einladende Fassade und der Staketenzaun sind in blau und rot gehalten. Freigehege für die drei indischen Elefanten, Einzelboxen für Pferde und Exoten, und ein großer Auflieger für die acht Tiger zeugen von einer modernen Tierhaltung, in die nur der Pavianwagen nicht mehr so ganz hinein passen will. Star des Unternehmens - und der Hauptgrund für unsere weite Reise - ist der auf allen Werbeträgern groß herausgestellte zwanzigjährige Roger Falck. Mit seiner Tigerdarbietung - vier normalfarbene, drei weiße, ein golden Tabby - gewann er 2009 in Monte Carlo einen 'bronzenen Clown' und 2008 beim Festival in Massy ein 'Chapiteau Cristall'. Kaum hatten wir den Circus betreten, wurde uns vom Monsieur Loyal, David Zinnecker erzählt, Roger Falck sei „noch unterwegs“, solle aber rechtzeitig zurückkehren, die Tigernummer werde entsprechend im Programm nach hinten verschoben. Im Chapiteauinnern erwartete uns das in Frankreich oft übliche Gradin (zehn Reihen) mit Holzbänken ohne Rückenlehnen, sowie vier Reihen Logenstühle. Die Lichtanlage war spartanisch und kannte nur zwei Farben - weiß und blau. Die Tonanlage hingegen ließ keine Wünsche offen, die Musik kommt vom Band. David Zinnecker begrüßte das nicht sehr zahlreich erschienene Publikum und Alexia Falck eröffnete mit einer kurzen Vertikalseildarbietung, die in einem Aldonwirbel ihren Höhepunkt fand, das Programm. Zwei Opfer werden aus dem Publikum in die Manege gebeten und schon konnte Reprisenclown Carnelli die übliche „Hochzeitsszene“ inszenieren. Tierisch ging es weiter - Direktor Auguste Falck präsentierte souverän sechs Pintoschecken in variantenreicher Laufarbeit, wobei der achtundsechzigjährige Falck die Pferde fast ohne Peitscheneinsatz, nur durch Fingerzeig dirigierte - beeindruckend! Clown Carnelli - ein Logenbesucher - eine Tüte Popcorn, der Ausgang dürfte wohlbekannt sein. Das Duo Marcello, zwei Herren aus der kubanischen Havanna-Truppe, arbeitete eine Strapatenkür die nicht über die genreüblichen Tricks hinaus kam. Eine kurze Zebra-Einzelfreiheit leitete den Exotenzug mit je zwei Kamelen und, Dromedaren sowie einem Lama ein. Die Tiere arbeiten präzise und willig. Zum Schluss verlässt das Lama mit einem Sprung über eine hohe Barriere die Manege. Auch hier zeigte sich das Können von Auguste Falck. Nach ca. fünfundvierzig Minuten verkündete David Zinnecker schon die Pause. Immer noch keine Tiger! Stattdessen eröffnet die Havanna-Truppe, fünf Herren und drei Damen in schönen Kostümen, mit einer temperamentvollen Darbietung an der Russischen Schaukel den zweiten Teil. Hohe und weite Flüge mit Salti und Schrauben, ins Sprungkissen sowie zum vier-Mann-hoch, der Flug in einen Perchstuhl, der Sprung durch einen Reifen, der die Spitze einer dreier Pyramide bildet, gehören zum Repertoire der sympathischen Truppe. Das nun folgende Duo Sonia, zwei Mädchen von den Carnelli Clowns, versuchte sich zu Technoklängen an Hula-Hoop-Reifen. Die südamerikanisch mitreißende Springseil-Darbietung der Havanna-Truppe findet ihren Höhepunkt, wenn der Untermann mit zwei Frauen und zwei Männern bepackt durch die Manege hüpft. Immer noch keine Tiger!! Die fünf Carnelli Clowns erobern laut und grell die Manege, wobei die drei weiblichen Mitglieder eher Staffage denn Akteure sind. Gespielt wird eine Mischung aus 'musizieren verboten' und Spukschloss. Der Vorhang hebt sich, ein Raunen geht durch' s Gradin und zwei der drei indischen Elefanten des Circus betreten mit Augsute Falck die Manege. Nach einigen Tricks steigen die Bereiterinnen, Alexia und Cloe Falk von den Tieren und übernehmen die Vorführung. Natürlich dirigiert Opa Falck vom Manegenrand aus die Dickhäuter, wenn die beiden Enkelinnen nicht nach seinen Vorstellungen agieren. Der Kopfstand eines Tieres mit anschließender Pyramide beschließt die Dressur. Dann wird tatsächlich der Zentralkäfig aufgebaut. Also werden wir doch noch den „Star“ des Unternehmens erleben!? Weit gefehlt! Auguste Falck geht an den Käfig, entledigt sich seines Jacketts, wirft die Hosenträger ins Sägemehl - keine Ahnung warum - und tritt mit der ganzen Autorität seiner ein Meter fünfzig Körpergröße in den Käfig. Hier reiht sich nun zwanzig Minuten lang Trick an Trick. Pyramide, Teppich, Rollover, Hochsitzer am Platz, Scheinangriff, Tigerbar, überspringen von sechs Tigern, usw. Mein persönlicher Höhepunkt: ein Tiger sitzt auf einen fast bodengleichen Postament, Auguste Falck kniet vor dem Tier und lässt sich dann von diesem überspringen! Chapeau! Ein paralleler Vorwärtssteiger von zwei Tigern beschließt diese mehr als starke Darbietung. Grosser Applaus begleitet den kleinen großen Dompteur aus dem Zentralkäfig. Hiermit endete auch abrupt die Show da auf ein Finale verzichtet wurde. Fazit: Eine Vorstellung mit Licht und Schatten, bei der schlussendlich niemand den vermeintlichen Star Roger Falck vermisst hat. |