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Text und Fotos Friedrich Klawiter
FLICFLAC
Koblenz, 30. November 2019


www.flicflac.de
Seit 30 Jahren ist die Familie Kastein mit ihrem "FlicFlac" auf Tour. Die gesamte Zeitspanne ist man sich und seinem Konzept treu geblieben, man gibt sich rebellisch, unangepasst und gegen den Strich gebürstet -so auch in der aktuellen Show "Punxxx". Seit jeher bringt man Streetstyle ins - in den ersten Jahren noch nicht schwarz-gelbe - Zelt und spannt mit dem Mottozusatz "nicht irgendein Circus..." den Bogen zurück zum ersten Programm.
Die markanten gelb-schwarzen Zeltanlagen ragen auf dem Messegelände am Wallersheimer Kreisel hoch in den Winterhimmel. Zwei hohe schwarze Gitterrohrbögen, an denen die gesamte Konstruktion ohne innere Masten aufgehangen ist, spannen sich über das Chapiteau und werden nur von der hohen Spitze der Kuppel überragt.
Ein hoher Metallzaun, dessen Felder großformatige Abbildungen ehemaliger FlicFlac-Darbietungen zeigen, umgibt das Gelände. Nur der schwarze Kassenauflieger und der Barwagen sind außerhalb platziert.
Das im Innern völlig schwarze Vorzelt beherbergt die verschiedenen Verkaufsstände der Restauration, Sofas und tiefe Fauteuils lassen den weiten Raum zu einer einladenden Launch werden.
Ein für FlicFlac typisches, extrem steil ansteigendes Gradin mit vierzehn Reihen Einzelstühlen bestücktes Gradin steht für die Besucher im Chapiteau bereit.
Eine im Circus einzigartige technische Anlage füllt die Zeltkuppel. Eine ringförmige, in der Höhe verfahrbare Konstruktion trägt in mehreren Kreisen und Traversen unzählige hochmoderne Beleuchtungskörper. Darüber hinaus hat hier auch die Technik für die Regeneffekte ihren Platz. Ein weiterer Gitterrohrring fasst die Bühne ein und auch hier sind zahlreiche Beleuchtungkörper, neben der Feuer-Technik verbaut.
Die musikalische Begleitung des Geschehens erfolgt von CD und Drumer Romain Vincente setzt die Akzente.
Mit der neuen Show „Punxxx“ ist die Farbe ins FlicFlac-Zelt zurückgekehrt. Den silbergrauen Bühnenboden ziert das farbenfrohe Muster der Linien des Logos der Show und auch die Kostüme der Artisten weisen bunte Akzente auf.

Die üblichen Durchsagen vor Beginn einer Circusvorstellung finden Ergänzung in der Ablehnung von u.a. Sexismus, Homophobie, Rassismus und Diskriminierung und geben damit die Vorlage zu einem der flachest möglichen Gags. Ein als „Donald Trump“ Maskierter erhebt sich in der ersten Reihe und verlässt, einen „Stinkefinger“ in Richtung Bühne zeigend, das Auditorium.
Das Artisten-Ensemble veranstaltet eine Demo auf der Bühne und reckt dabei Plakate, die mit den Titeln der Programme beschrieben sind in die Höhe. Sie nehmen ihre Positionen ein, dann fliegen die Motorräder der „Mad Flying Bikes“ von der Absprungrampe im mittleren Treppenaufgang durch die Kuppel. Die beiden verwegenen Fahrer absolvieren ihr spektakuläres Repertoire über den Köpfen der Kollegen und landen sicher im Artisteneingang.
Jongleur Zdenek Polach zeigt variantenreiche Routinen mit weißen Bällen. Temperamentvoll fegt der Artist umher, die Muster mit drei, vier und fünf Requisiten werden tempogeladen und perfekt ausführend. Zum Höhepunkt seines Auftritts sind es sechs Bällen die in der Luft gehalten werden.
Comedian David Eriksson ist schräg und schrill, provozierend und bisweilen freakig. Im knappen rosa Slip mit Glitzerbesatz und einer offenen schwarzen Weste über dem reichhaltig tätowierten Oberkörper nimmt er in zahlreichen Szenen das Publikum mit in seine Welt. Er jongliert Tischtennisbälle mit dem Mund, schafft es sich fünf Stück in den Mund zu stecken und fängt Äpfel auf den zahlreichen langen Stacheln der Stahlhelme auf seinem Kopf und vor der Körpermitte. Seine Requisiten transportiert er in zwei rosafarbenen Eimern.
Die Girlgang „Three G“ kombiniert Hand-auf-Hand Akrobatik und Handvoltigen. Die drei ukrainischen Artistinnen wechseln beständig zwischen den beiden Genres und nehmen mit ihren spielerisch wirkenden Tricks das Publikum gefangen.

Einen ersten Höhepunkt in der Kuppel bietet Alex Michael mit seinem Deckenlauf. In extremer Höhe hangelt er sich, gekonnt Fuß vor Fuß setzend, von einer Schlaufe zur nächsten und versäumt nicht, die Besucher mit einem angeblichen Defekt des Luftapparates zu erschrecken. Die Sprünge zurück von einem zum anderen Trapez führen hier und da zu Schnappatmung.
Die Antipoden-Spiele von Romy Meggiolaro werden mit großem Aufwand in Szene gesetzt. In der Hinterhofkulisse verbergen sich Trinkas in einem Paletten- und einem Reifenstapel. Die dritte ist auf einem schweren Bike montiert. Etwa zehn Jungs einer Streetgang lungern in der Szene herum und beobachten die „Schwester“ bei ihren Tricks mit Rollen, Hula Hoops und kleinen Teppichen.
Der sinnlich dargebotene Pole Dance von Olha Peresada erfährt mit dem heftig aus der Kuppel strömenden Regen und zu den Klängen von „Purple Rain“ eine gelungene optische Aufwertung. Das reichlich strömende Wasser wird durch die Lochbleche des Bühnenbodens direkt abgeleitet.
Das Highlight der Show bietet vor der Pause das Duo Turkeiev an den Strapaten. Im immer noch strömenden Regen erzählen Julia Galenchyk und Dmytru Turkeev ihre Lovestory hoch über den Köpfen der Besucher. Anspruchsvolle und risikoreiche Tricks komponieren sie zu einem faszinierenden Luftspektakel. Unglaublich, wie sie, ungesichert, mit nassen Händen am völlig durchnässten Partner sicheren Griff finden. Mit verschiedenen Effekten wird die Wirksamkeit des Auftritts zusätzlich gesteigert. Hohe Fontänen steigen aus dem Bühnenboden und Feuersäulen schießen in die Höhe. Auf einer autonom fahrenden runden Plattform umrundet der Drumer, spannungssteigernd mit monotonen Schlägen den Takt vorgebend, vor dem letzten Trick die Bühne. Besonders faszinierend, wenn zum Abschluss des Acts Feuerbälle auf den emporschießenden Wassersäulen tanzen.

Zum Auftakt des zweiten Teils erleben wir ein ausführliches Schlagzeug-Solo von Romain Vincente. Auf der autonom fahrenden runden Plattform rollt er dabei über die Bühne.
Der Klassiker schlechthin bei FlicFlac ist der „Globe of Death“. Nachdem die riesige Kugel installiert ist, drehen die ersten drei Fahrer ihre Runden. Die nächsten Touren werden zu fünft absolviert und schließlich sind es acht Fahrer, die auf ihren Motorrädern in verwegener Weise auf kreuzenden Bahnen durch den Globe rasen.
In und auf dem Rand einer Waterbowl präsentieren Alina und Alisa ihre Equilibristik. Die beiden attraktiven Nixen regen zum träumen an.
„The Master of Hellfire“, alias Hubertus Wawra ist seit langem eine feste Größe in den FlicFlac Shows. Aktuell bringt er zwei seiner bestens bekannten Szenen. Zunächst entert er, mit einem superhohen Plateauschuh, der sich bald als bequeme Fußstütze beim Gitarrenspiel herausstellt, die Bühne. Wenig später sind eine mutige Mitspielerin, eine Zielscheibe und ein gewaltiger Flammenwerfer im Einsatz.

Aus Indien kommt Sandeep Kale, er betreibt Mallakhamb – einen traditionellen Volkssport in seiner Heimat. An einem mehrere Meter hohen, leicht konisch geformten Holzstamm, der unter der kugeligen Spitze eine deutlich abgesetzte Verjüngung aufweist, werden Abläufe ähnlich denen am Chinesischen Mast gezeigt. Einzig erfordert der sehr viel dickere Stamm eine andere Grifftechnik. Den größten Teil seiner Tricks arbeitet der junge Mann an einer kürzeren, an der Spitze aufgehängten „Flying“ Version seines Sportgerätes.
Den „Holy Warriors“, Reifenspringer der China National Akrobatik Truppe ist der finale Act vorbehalten. Die strenge, mitunter beinahe militärisch anmutende Choreographie in Verbindung mit den von Uniformen inspirierten Kostümen lassen den Auftritt in einem deutlichen Kontrast zur restlichen Show stehen. Auf selbstfahrenden Gestellen montiert, verändern die Reifen ihre Formationen und können zudem rotieren. Für die Artisten ergeben sich somit vielfache Möglichkeiten bei den stets perfekt funktionierenden Saltos und Pirouetten durch die Ringe. Schließlich wird der zu durchquerende Reifen in immer größerer Höhe platziert und im letzten Durchgang führt der Sprung auf mehr als drei Meter über den Bühnenboden.
Das Finale verläuft kurz und knackig. Jede Darbietung wird auf der Bühne in einer Art Einzelvorstellung per Scheinwerfer-Spot aus der Dunkelheit geschält. Anschließend stellt sich das Ensemble entlang des Bühnenrandes auf und die Besucher reagieren mit sehr spontanen und lange anhaltenden Standing Ovations. Eine Stimme aus dem Off verabschiedet das Publikum und lässt uns wissen, das „ohne die Ausländer diese Show bereits....“ und die Erinnerungen an den Circus Universal Renz verstärken sich, als der Abgang der Artisten in Richtung Vorzelt von unzähligen „Tschüß“, „Ciao“, „Tschöh“, „Arrividerci“ Rufen – um nur einige wenige Beispiele zu nennen – begleitet wird.