Text und Fotos Friedrich Klawiter
FESTIVAL der ARTISTEN
Kassel, 13. Januar 2013

http://flicflac.de/kassel/home/
Zum vierten Mal veranstaltete Benno Kastein in Kassel das „Festival der Artisten“. Im Zentrum der drittgrößten Stadt Hessens waren die gelb-schwarzen Zeltanlagen des Circus FlicFlac aufgebaut.
Auf einer Tiefgarage in der Fußgängerzone hat FlicFlac bei den Wintergastspielen seinen Platz gefunden. Vor dem FlicFlac typischen, sehr hohen Chapiteau, stand ein optisch passendes Vorzelt mit drei Masten. Ein Garderobenzelt im passenden Design ergänzte das Arrangement. Nur eine Handvoll Fahrzeuge sind dicht um die Zelte abgestellt. Das gesamte Areal wurde mit einem hohen Metallzaun umgeben. Die Elemente sind mit Planen, die Bilder vieler ehemaliger FlicFlac-Stars zeigen, bespannt. Über dem Vorzelt leuchtet der bekannte FlicFlac-Schriftzug und an einem Gittermast vor dem Eingang ist eine große Leuchtschrift, die den Festivalnamen zeigt, angebracht. Der Container mit den Circuskassen komplettiert die Front.
Durch Pendeltüren gelangen die Besucher in den aufwändig gestalteten Foyerbereich. Roter Teppichboden bedeckt den Boden aus Kunststoffwaben. Lichtschnüre sind, mit einem Abstand von fünfzig Zentimetern vom First bis zum Boden reichend, gleichmäßig im ganzen Zelt verteilt. Sie sorgen für eine festliche Atmosphäre und ein angenehmes warmes Licht. Mehrere Bars, Verkaufsstände und Souvenirstand halten ein umfangreiches Warenangebot für die zahlreichen Besucher bereit. Viele bequeme Sitzgruppen laden zum verweilen ein. Seit vielen Jahren ist schwarz die vorherrschende Farbe im FlicFlac-Chapiteau. Zeltplane, Stoffbezug der Stühle in den vierzehn steil aufragenden Reihen, die Bühne, der Vorhang am Artisteneingang – die gesamte Einrichtung zeigt die gleiche Farbe. Weiße Scheinwerfer die das Rondell beleuchten und rotes Licht auf dem Gitterrohrrahmen des Artisteneingangs schaffen während des Einlasses eine stimmige Atmosphäre.
Eine absenkbare Leinwand vor der Gardine eröffnet eine moderne Form der Ansage. In kurzen, eigens produzierten Filmen stellen sich die Artisten mit ihrer Darbietung und einem kurzen Statement in der jeweiligen Landessprache – mit eingeblendeten Untertiteln – vor.

Sandmalerin Lili Christina produziert ihre schnell vergänglichen Kunstwerke auf einem Leuchttisch und mittels moderner Technik werden ihre Werke für alle sichtbar auf die Videowand übertragen. In Windeseile entstehen, dank ihrer Fingerfertigkeit, aus einem Häufchen Sandkörner u. a. Abbilder des Chapiteau, eines Jongleurs und des FlicFlac-Logos.
Charivari bedeutet soviel wie „buntes Durcheinander“ und dieses trifft im wörtlichsten Sinn auf die Programmeröffnung zu. Turbulent wirbeln die Artisten über die Bühne und aus diesem Gewusel entwickelt sich die Darbietung der
„Godfathers“. Die vier ukrainischen Artisten bieten Handvoltigen und Equilibristik-Tricks. Präzise in der Ausführung kommen die Akrobaten beim Publikum gut an, obwohl oder gerade weil auf die teils überbordende Aufmachung und Inszenierung vergleichbarer Formationen verzichtet wird.
Hugo Noel arbeitet eine hervorragend choreographierte Kür am Cyr-Rad. Anspruchsvolle Abläufe und kraftvoll ausgeführte Tricks sind zu einer harmonischen Einheit verwoben. Großes Balancegefühl und elegante Akrobatik zeichnen den Auftritt aus.
Pavel Evsukevich beeindruckt mit einem stylischen Auftritt und perfektem Können, jedoch wirkt sein Auftritt ein wenig unterkühlt und introvertiert. Der Jongleur arbeitet seine Routinen zunächst mit glänzenden weißen Bällen. Bis zu sechs werden in unterschiedlichster Weise und vollkommen sicher beherrscht. Im zweiten Teil der Darbietung stehen weiße Ringe im Mittelpunkt seiner Manipulationen. Abschließend werden neun Ringe sicher in der Luft gehalten, während ein Ball auf der Stirn des Artisten tanzt.

Temperamentvoll geht Nicolai Kuntz am Trapez zu Werke. Er arbeitet longengesichert seine Pirouetten, Abfaller und Salti. In hohem Tempo agiert der junge Artist und reiht mit großem Schwung Trick an Trick.
Die hinlänglich bekannte, esoterisch-mythisch inspirierte Sanddornbalance des Theater Rigolo erleben wir nun zum wiederholten Mal in dieser Weihnachtscircus-Saison. Hier nun sehen wir die Version von Miyoko Shida. In der besuchten Vorstellung brachte ein Luftzug die labile Konstruktion etwa zur Halbzeit zum Einsturz, so dass die Prozedur einen Neuanfang nehmen musste.
Den zweiten Programmteil starten die Flying Heros am Fliegenden Trapez. Zwei bewegliche Startpositionen über dem eigentlichen Trapezapparat werden je einmal genutzt und ermöglichen Abläufe, die sich von den gewohnten des Genres unterscheiden. Bis hin zum dreifachen Salto beherrschen die beiden Fliegerinnen und ihre zwei Kollegen ein breites Spektrum attraktiver Sprünge, die allesamt gekonnt und sicher ausgeführt werden. Den Topp-Trick beim Abgang führt eine der Fliegerinnen aus. An einer Handschlaufe wird sie bis ganz noch oben in die sehr hohe Kuppel des FlicFlac-Chapiteau gezogen, wo sie einige Augenblicke im Zehenhang an einem Trapez verharrt. Dann lässt sich die Artistin aus dieser Höhe kopfüber in die Tiefe fallen und fängt den Sturz kurz über dem Netz elegant ab.

Robert Muraine aus Los Angeles verblüfft mit enormer Beweglichkeit und Körperbeherrschung. Cool erobert er mit seinem Robot-Dance die Bühne, rückt die obligatorische Sonnenbrille zurecht und los geht’s. Popping Style und Robot-Dance sind die Zutaten aus denen der junge Künstler seine Nummer zusammengesetzt hat. Hierbei „verbiegt“ er seinen Körper und speziell die oberen Extremitäten in großem Tempo.
Jigalov ist in zweiten Programmteil mit zwei seiner bekannten Szenen präsent. An Stelle seines lanjährigen Partners Csaba erleben wir einen neuen Mitspieler, auf die Auftritte hat dies keinen Einfluss. Wie immer stiehlt Jigalov in seiner Rolle als abgerissener Underdog dem eleganten Star die Show, obwohl er, der geborene Looser immer wieder grandios an der Tücke des Objektes scheitert. Wasser und ein magischer Zylinderhut bestimmen das Geschehen in der ersten Reprise. In der zweiten Szene entbrennt der Kampf um ein Mikrophon, da beide „My Way“ performen wollen.
Diabolojongleur Phil Os rockt mit einer rasanten Performance das Zelt. Tempogeladene Action pur demonstriert er, während die Diabolos in immer ausgefalleneren Figuren  rotieren. Ohne inne zu halten fegt er über die Bühne und streut einige Breakdance-Elemente in die Jonglage ein, während die Diabolos wie von Geisterhand gelenkt ihre Bahn ziehen.

Duo A & A, Adam Vazquez und Anton Makuhin, brilliert mit einer leistungsstarken Hand-auf-Hand Darbietung. Sämtliche herausragenden Tricks des Genres folgen in flüssigem Ablauf aufeinander. Kraftvoll, als ob keinerlei Anstrengung von Nöten wäre erfolgt die Ausführung in erstklassiger Manier, wobei Auftrittsstil und Kostüm die Vorbilder der Artisten erkennen lassen.
Zwei Darbietungen arbeiten die Catwall Acrobats im Festivalprogramm. Zunächst agieren sie unter dem Namen „Teater Boys und Girls“ am Schleuderbrett. Zwei Streetgangs, die eine in roten und die andere in weißen T-Shirts, reiben sich aneinander und tragen ihre Imponierrituale um und am Requisit aus – soweit die Story zur Nummer. So steigert sich denn im Verlauf des Auftritts die Qualität der Sprünge, die allesamt auf einer Matte gelandet werden.
Als letzte Darbietung zeigen die Catwall Acrobats ihre temperamentvolle Trampolin-Show. Eine sechs Meter hohe und vier Meter lange „Wall“ aus Plexiglas und Metallträgern teilt die Bühne und zu beiden Seiten ist jeweils ein großes Trampolin platziert. In rascher, immer wieder neu arrangierter Folge „laufen“ die sechs ArtistenInnen die Wände hoch,  landen in den Nischen und auf der Plattform der Wand, stürzen sich dann wieder in die Tiefe, drehen hierbei Saltos und Schrauben. Ein rasantes, atemlos machendes Feuerwerk brennen die sechs Akteure ab und bieten damit eine Schlussnummer par excellence.
Zum Finale wird eine luftgefüllte Fasttrack-Bahn auf die Bühne gebracht und die verschiedenen Artisten nutzen dieses federnde Requisit auf die verschiedenste Weise. Alle stellen sich am Rand der Bühne auf und diese setzt sich in Bewegung, dreht die Akteure an ihrem Publikum entlang.
Direkt im Anschluss  der letzten Show des Festivals wurden die Sieger gekürt. In der Gunst der Zuschauer lagen die Catwall Acrobats ganz vorne und gewannen den mit fünfzehntausend Euro dotierten ersten Preis. Auch der zweite und dritte Platz waren ähnlich hoch dotiert und so gingen zehntausend Euro an das
Duo A & A und fünftausend Euro an das Theater Rigolo. Trophäen und Schecks wurden von Festivalleiterin Larissa Kastein und Bürgermeister Jürgen Kaiser übergeben.

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