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Text und Fotos Friedrich Klawiter
HEILBRONNER WEIHNACHTSCIRCUS
Heilbronn, 22. Dezember 2019

www.weihnachtscircus.com
Der 21. Heilbronner Weihnachtscircus begeisterte mit einer grandiosen Show seine erneut mehr als 80.000 Besucher. Begründer, Veranstalter und Direktor Sascha Melnjak ist es auch bei dieser Ausgabe erneut gelungen hochkarätige – ja, teils einmalige – Acts zu verpflichten und in einer großartigen Show zu vereinen. Die Tierlehrer, Clowns und Akrobaten, die meisten von ihnen mit hohen Auszeichnungen beim Circusfestival von Monte Carlo geehrt, erfüllen in einem exzellenten Rahmen sämtliche Erwartungen, die ein breites Publikum mit großem Circus verbindet.
Die Besucher erwartet das seit Jahren vertraute edle Ambiente. Die mächtigen Zeltanlagen funkeln im Schein unzähliger Lichter und die zahlreichen Weihnachtsbäume vermitteln ein festliches Flair. Das elegant eingerichtete Foyerzelt zeigt sich unverändert, genau wie das Innere des riesigen Chapiteau.
Das exzellente Lichtdesign wurde wiederum von Enrico Zoppe geschaffen und die vorzügliche musikalische Begleitung obliegt unverändert Volodymyr Kozachuk und seinen Musikern.

Merrylou Casselly erreicht hoch zu Ross den Piedestal in der Manege, auf dem sie ihre veritable Handstand- und Kautschukarbeit zeigt. Unterdessen reitet Jozsef Richter auf dem prächtigen weißen Hengst einige Lektionen der Hohen Schule, führt anschließend am langen Zügel einen "Pegasus" begleitet von zwei Figurantinnen vor und Giogio Vidali begrüßt das Publikum. Der äußerst elegante Sprechstallmeister, seit vielen Jahren im Circo Moira Orfei aktiv, hat diese Aufgabe nun auch in Heilbronn übernommen. Eloquent und charmant vermittelt er dem Publikum zahlreiche Informationen.
Tierlehrerin Rosi Hochegger ist mit ihren beiden ausgezeichneten Darbietungen zu erleben. Zunächst ist ihr "Scout" der Star in der Manege und vielen Zuschauern scheint das "eigenwillige Pferd" der Chef im Ring zu sein, der das Geschehen diktiert. Immer wieder aufs Neue fasziniert die völlig selbstverständlich und scheinbar selbständig ausgeführte Trickfolge.
Im weiteren Programmverlauf ist die perfekt ablaufende Hundekomödie, in die nun auch ihr Partner Andrei Bocancea eingebunden ist, zu erleben. In spielerischer Manier bieten die Vierbeiner ihr umfangreiches Können.
Zwei Reiter-Darbietungen komplettieren die Auftritte mit Tieren. Die trickstarke und gleichfalls in Monte Carlo mit einem „Clown“ ausgezeichnete Jockey-Reiterei der „Troupe Richter“ ist vor der Pause zu erleben. Die umfassende und temperamentvoll vorgetragene Trickfolge gipfelt in Saltos auf dem Pferd, Salto von Pferd zu Pferd und aus dem Zwei-Mann-Hoch aufs nachfolgende Pferd.
Das mitreißende Pas de Deux von Jozsef Richter und Merrylou Casselly ist wenig später zu erleben.

Robi Berousek verletzte sich vor Jahresfrist bei einem Sturz im Heilbronner Weihnachtscircus schwer und feierte heuer ein glänzendes Comeback auf der Freistehenden Leiter. Rasant wie eh und je agiert er auf dem Requisit und mit einer Keulenjonglage auf der Spitze einer Leiter erreicht der erstklassige Act seinen Höhepunkt. Chapeau für diese Leistung.
Die acht Mitglieder der „Marinelli Truppe“ entfachen einen furiosen Wirbel an der „Trampolin Wall“. Zwei große Trampoline zu beiden Seiten des aus Plexiglasplatten und Metallprofilen zusammengesetztes Hauses machen vielseitige Sprungkombinationen, die tempogeladen vorgetragen werden, möglich.
Ikarische Spiele der Spitzenklasse zeigen die „Cedenio Brothers“. Die vier Südamerikaner begeistern mit einer Vielzahl Saltos und Pirouetten, die perfekt auf den Füßen des Porteurs ausgeführt werden. Eine Passage zweier Voltigeure zwischen den Porteuren beschließt den gelungenen Auftritt.

Die italienischen Clowns Steve und Jones Caveagna haben traditionelle Clownerie neu gestylt. Steve, mit interessanter eigenwilliger Zöpfchen-Frisur und hipp gekleidet, ist der umtriebige August, der die Manege aufmischt. Jones hingegen trägt zum roten Sakko eine ebensolche Krawatte und übernimmt den seriösen Part. Doch nicht nur das Erscheinungsbild der Clowns hat sich gewandelt, auch die Reprisen wurden modifiziert. So etwa die „Amor-Reprise“. Zunächst wetteifern die beiden um den coolsten Klingelton, dann wird eine „Dating App“ ausprobiert, die „garantiert jedes weibliche Wesen sofort überzeugt“. Nachdem Jones mit einer jungen attraktiven Frau am Arm die Manege verlässt, probiert auch Steve sein Glück – doch bei ihm scheint die Elektronik anders gepolt. Mit musikalischen Intermezzi im Gradin überbrückt Jones kurze Umbauten der Manege und Steve zeigt sich als virtuoser Diabolojongleur, der von Jones auf dem Saxophon begleitet wird. Beim Battle um den Platz vor dem Mikrophon stört Steve das Saxophon- und Trompetenspiel von Jones immer wieder mit harten Beats aus seinem Smartphone.
Ein besonderes Highlight im ersten Teil der Show ist die Strapaten-Darbietung des Duo „Moment of Love“. Das vietnamesische Artistenpaar zeigt seine umfangreiche Trickfolge in großer Höhe. Insbesondere zahlreiche Zahnhangtricks – ohne Sicherung ausgeführt – machen diesen Auftritt besonders und schließlich hält der Obermann das Gewicht Beider nur mit seinen Zähnen.
Furios geht der aus Chile stammende Bodenjongleur Sergio Paolo zu Werke. Bis zu sieben Bälle manipuliert er auf einer gläsernen Plattform und fünf Bälle jonglierend läuft er eine Treppe hinab. Bälle, die zwischen den Platten eines tischähnlichen Gestells hin und her dotzen, landen wieder sicher in den Händen des Jongleurs und finden schließlich den Weg in einen Basketball-Korb. Schließlich wird eine Bodenjonglage mit fünf Bällen nach einem Rückwärtssalto nahtlos fortgesetzt.

Die „Astronauts“, Laszlo Simet mit seinen Partnerinnen, sind mit ihrem Semaphor zu Beginn des zweiten Teil zu bewundern. Wabernder Nebel auf dem Manegenboden, schummriges blaues Licht und die langsamen Bewegungen der Artisten vermitteln ein Feeling von Schwerelosigkeit und Weltraum. Die attraktiven Tricks auf der einzigartigen Konstruktion gleichen denen auf dem Hochseil; sie erhalten durch die exzentrische Bewegung des Requisits eine ganz eigene Dynamik.
Die  in Monte Carlo mit einem Goldenen Clown ausgezeichnete Hand-auf-Hand Darbietung von Shcherbak und Popov reißt das Publikum förmlich aus den Sitzen. Die beiden ukrainischen mehrfachen Welt-und Europameister im Kunstturnen bieten in ihrem anspruchsvollen Auftritt, der dank einer humorvollen Inszenierung Leichtigkeit atmet, zahllose Höchstschwierigkeiten.
Ein großartiges Spektakel in der Luft bieten als finale Darbietung die Flying Tabares am doppelten Fliegenden Trapez. Eigens aus Argentinien angereist, entfachen die elf Mitglieder der Truppe ein wahres Feuerwerk. In sehr dichter Folge werden wechselweise an den Trapezen viele verschiedene Tricks ausgeführt, so dass in der Luft permanent Action herrscht. Zwei Herren der Truppe zeigen nacheinander den dreifachen Salto, dann gelingt Isabella Tabares – als derzeit einziger Frau weltweit – gleichfalls der Dreifache perfekt. Zwei Passagen beenden den spektakulären und einzigartigen Auftritt. Chapeau.
Weihnachtliche Songs und Wunderkerzen bilden den Auftakt zum großen Finale mit allen Mitwirkenden. Namentliche Vorstellung und eine kollektive Choreographie im Konfettiregen beenden eine großartige Circusshow, die keine Wünsche offen lässt. Nach deutlich mehr als zweieinhalb Stunden Programmdauer harrt das Publikum wie ein Mann auf seinen Plätzen aus und verabschiedet mit frenetischer Applaus und lang andauernden Standing Ovations das Ensemble.