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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS Herman RENZ
Venlo, 30. März 2009

www.renz.nl
Im hellen Frühlingssonnenschein präsentiert sich das Unternehmen in Venlo in makelloser, hervorragender Optik. Das Material wirkt 'wie neu' und zeigt sich weitestgehend ohne Gebrauchsspuren. Hier kennt man nur einen dekorativen, mit zahlreichen Lichtern verzierten Frontzaun, so dass Interessierte jederzeit frei und ungehindert das Gelände betreten können. Der in Deutschland so beliebte Verkauf der 'Pausentierschau' ist bei  Herman Renz logischerweise unbekannt.
Als nostalgische Remineszens wird ein großer Oberlicht-Schindelwagen im Frontbereich platziert. Das komplette weitere Material ist hochmodern. Sattelschlepper und in der letzten Zeit auch zunehmend Container bestimmen das Erscheinungsbild. Alles erstrahlt in den Hausfarben rot und blau. In den beiden vergangenen Jahren diente ein nostalgischer Fiat 500 als Werbefahrzeug. Er wurde nun durch ein thailändisches 'Tuk Tuk' mit kleinem Anhänger und aufmontierter Pferdefigur ersetzt.
Im Chapiteau, dessen Gradin komplett mit Schalensitzen bestückt ist, fällt neben dem klassischen Artisteneingang, über ihm hat das ausgezeichnete achtköpfige Orchester seinen Platz, sofort die bestens bestückte moderne Lichtanlage ins Auge.

Das jährlich wechselnde Programm wird stets unter ein Motto gestellt, dass die Präsentation optisch bestimmt. Nach 'Bellissimo' und 'Mystery' in den Vorjahren ist nun 'Gitano' angesagt. Als Regisseur wurde, nicht zum ersten mal bei Herman Renz Antonio Giarolo gewonnen und man kann das Fazit gleich vorweg nehmen, er hat eine absolut perfekte, wunderbar harmonische Show geschaffen. Als Kulisse ist die Rückseite eines Zigeunerwagens in die Gardine integriert, jedenfalls während Einlass und Charivari.
Zahlreiche Requisiteure, stilsicher zum Motto eingekleidet mit schwarzer Hose - weißem Hemd und bestickter Weste zu sauberen Schuhen, geleiten die Besucher zu ihrem Platz. Milko und Frenky tauchen auf und versuchen ihr Glück als fliegende Händler. Als 'moderne Zigeuner' handeln sie nicht mit Teppichen sondern versuchen Besteckkoffer und Kaffeeautomat an den Mann zu bringen.
Das Charivari zeigt Artisten und Direktion in stimmungsvollen Kostümen. Direktor Robert Ronday, mit breitkrempigen Hut und entsprechendem Habitus gibt er den Anführer eines Zigeunerclans, eröffnet das Programm und bleibt während der gesamten Vorstellung vor der Gardine präsent.. Einen Sechser Zug sehr schöner Pferde, das gold und schwarz der Geschirre ist perfekt auf die Fellfarben abgestimmt, dirigiert Hans-Ludwig Suppmeier. Ruhig und elegant agiert der Vorführer der perfekt laufenden Freiheit und beschließt den Auftritt mit Da Capo Steigern. Tamara Weiser, die Hausartistin und Frau des Hexers an der Lichtregie Gilbert Weiser, kreiert jährlich neue Auftritte in den verschiedensten Genres. Nun ist sie mit Hula Hoops zu sehen. Diese Arbeit lebt vom hervorragenden Verkauf mit Feuereffekten und viel Tanz.
Traditionell sind Frenky und Direktor Milko Stejivers die Clowns in diesem Circus. Auch in diesem Jahr sind die beiden sowohl solo, als auch gemeinsam in zahlreichen Reprisen zu sehen. Unter anderem zeigt ein jeder eine Dressurfolge. Milko präsentiert ein Einzelpony, dass seine Kreise durch vier große Reifen zieht. Frenky hat sich im Verlauf des Winters eine Kleintiernummer aufgebaut. Drei Hühner, ein Kaninchen, eine Ziege und ein Schweinchen sind die Akteure. Als Entree zeigen sie zusammen mit drei weiteren Herren die 'Alten Kameraden'. Bekannte und eigene Gags werden schwungvoll vorgetragen und die Aktion am Schleuderbrett endet mit einer Überraschung. Adriana Folco und Michael Jarz reiten die Hohe Schule im Duett. Dabei ist die Manege mit vier Tuchbahnen überspannt und an Tuchstrapaten arbeitet zeitgleich Simona. Ein wunderschönes, romantisches Bild, dass durch exzellente Beleuchtung und stimmige Musik seine perfekte Umsetzung findet.
Die Musikauswahl und Abstimmung zum gesamten Programm ist sehr vielfältig und differenziert. Immer wieder erklingen Arrangements, die typische 'Zigeunerweisen' aufgreifen um gleich danach wieder härteren, rockigeren Passagen zu weichen. Auch die Kostüme der Artisten sind hervorragend gewählt. Klassische, genretypische Gewänder sind ebenso vertreten, wie modernes und folkloristisches Styling, fast immer, zumindest in Details und Verzierungen wird das Motto 'Gitano' wieder anklingen lassen.
Während das Drahtseil für Nicol Nicols errichtet wird, präsentiert Armando seine Szene mit einem auf komisch präsentierten Hund. In bekannter Art 'stört' dieser die Aufräumarbeiten seines Herren. Nicol Nicols verkauft seine Arbeit auf dem Seil effektvoll im spanischen Look, Rückwärts- und Vorwärtssalto sind Höhepunkt seiner Show. Immer wieder beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit die beiden Damen und der Herr des Trio Laruss die phantastischen Tricks ihrer Adagio-Akrobatik ausführen. Als 'Goldmenschen' zeigen sie schwierige kräftezehrende Tricks sicher und scheinbar ohne jede Anstrengung. Ihre Arbeit ist einer der Höhepunkte in einem mit vielen sehr guten Nummer besetzten Programm.
Vor der Pause dann das Flugtrapez der Neves. Zu surrealem blauen Licht und den Klängen einer Zigeunerfidel geleitet der Direktor die beiden Damen der Truppe  zu ihrer Strickleiter, die Herren schwingen ein, dann flammen die Scheinwerfer auf und zu mitreißenden Sambarhytmen zeigt die Truppe ihre Tricks bis hin zum 'Dreifachen'.
Drei Tiger, zwei 'Golden Tabbys' und einen Weißer, aus dem Hause Togni bringt Hans-Ludwig Suppmeier in gewohnt ruhiger, souveräner Manier in den Käfig. Hochsitzer, Sprünge, Rollover und das obligatorische Hochsitzen auf der Spiegelkugel lassen die Schönheit der Tiere zur Geltung kommen. Den Käfigabbau überbrückt Tamara Weiser mit sehr eleganten Evolutionen am Ringtrapez.
Als Mitchell Oliveira angekündigt, erobert ein weiterer junger Mann aus der Nicol-Familie mit seinen temporeichen Jonglagen das Publikum. Seine Trickfolge lässt durchaus Parallelen zu der seines Bruders Ives erkennen. Beim Trio Bokafi auf dem Schleuderbrett gibt es eine personelle Veränderung. Die Fliegerin der Truppe wird durch einen sehr jungen und zierlichen Mann ersetzt, ohne dass die Nummer in ihrem Ablauf eine Veränderung erfahren hat.
Von 'indischen Tempeltänzerinnen' eingeleitet, hat sich die Optik von Adriana Folcos Elefantendressur total gewandelt. Die Vorführerin trägt nun ein asiatisches Gewand mit passendem Kopfputz und Elefant Baby' s Kopf ist im Stile asiatischer Festelefanten bemalt.
Das Finale zeigt das gleiche Charivari wie zu Beginn und so schließt sich der Kreis - die Karawane der 'Gitanos' ist vorübergezogen. Einzelvorstellung der Artisten und eine Zugabe folgen und dann tragen die Requisiteure eine lange gedeckte Tafel herein. Die Truppe nimmt Platz, eine kurze Feier beginnt, bis Elefant Baby nochmals vor den Vorhang kommt und die Kerzen des Leuchters auspustet. Die Truppe zieht sich zurück, ein letztes Winken aus dem halboffenen Vorhang und dann ist die Show vorbei. Nun erst erheben sich die ersten Besucher und langsam leert sich das Gradin.
Der niederländische Nationalcircus Herman Renz hat sich in  den letzten Jahren beständig weiterentwickelt, gehört mittlerweile zu den führenden Unternehmen in Westeuropa und seine aktuelle Produktion setzt Maßstäbe in dieser Saison.