Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS Herman RENZ
Venray, 01. April 2011

www.renz.nl
Der „Niederländische Nationalcircus Herman Renz“ hatte zum Saisonstart auf einer großen Wiese am Rande der kleinen Stadt Venray aufgebaut. Weiträumig sind die Fahrzeuge auf dem großen Platz in exakter Anordnung um Chapiteau und Vorzelt platziert.
Blau und rot sind die Hausfarben des Unternehmens und diese spiegeln sich auf Lkws, Wagen und Aufliegern, Containern und Zelten wider. Einziger „Circuswagen“ ist ein Schindelwagen. Namenszug und ein Pferdemotiv schmücken den naturfarbenen Holzuntergrund. Umzäunungen des Circusgeländes sind in den Niederlanden unbekannt und so finden wir auch hier nur einen, mit vielen Lichtern verzierten, nostalgischen Frontzaun. Die übersichtliche Menagerie kann den ganzen Tag ungehindert und frei besucht werden. Eigene Tiere besitzt der Circus seit einigen Jahren nicht mehr. In diesem Jahr sind die Löwen von Tom Dieck, Ingo Stiebners Seelöwen, sechs Pferde vom Zirkus Charles Knie und zwölf Laufenten mit auf Tournee.

Die Front wird von drei Containern, die u. a. der Kasse Platz bieten, gebildet. Auf ihren Dächern wird in großen blinkenden Leuchtbuchstaben die komplette Firmierung angezeigt.
Über der Kuppel des Chapiteau leuchtet, gleichfalls mit Effekten ausgestattet, der Namenszug und in den Lichterketten sind in Abständen aufblitzende Lampen integriert. Die „Lollys“ auf den Mastspitzen zeigen das Logo des langjährigen Sponsors Princess.
Die Restauration, untergebracht in zwei speziell ausgestatteten Containern und reich bestückt, nimmt eine Schmalseite des Vorzeltes ein. Entlang den anderen Seiten sind weitere Verkaufsstände angeordnet. Durch einen breiten Tunnel gelangt man ins Chapiteau. Hier fallen der dekorative Artisteneingang und die üppige Beleuchtungsanlage besonders ins Auge. Das Lichtdesign liegt seit Jahren in den Händen von Gilbert Weiser und immer wieder aufs Neue zeigt er sich als wahrer Meister und Zauberer seines Faches, bietet dieser Circus doch jedes Mal aufs Neue eine herausragende Lightshow, deren Equipement immer wieder aufgestockt wird.
Zweite Säule für eine gelungene Präsentation ist das erstklassig aufspielende siebenköpfige Orchester unter Leitung von Maestro Robert Rzeznik.

Logen und Gradin sind bis zum Beginn der Show restlos besetzt. Frenky und Milko machen gegen Ende des Einlasses mit ihrem  Applaus-Wettstreit mächtig Stimmung.
„Celebration - 100 Jahre Circustradition“ lautet das Motto des Programmes, bei dem Matijs Kiefte  Regie führte. Seit Jahren steht bei Herman Renz das jährlich wechselnde Programm unter einem Thema, dass stimmig und geschickt umgesetzt wird. Seinen Anteil daran hat auch  wieder das vierköpfige Ballett des Circus, dass in immer neuen, perfekt abgestimmten Kostümen für gelungene Übergänge zwischen den Programmteilen sorgt und die auch die Figur des Nummerngirls zwischendurch aufleben lässt.
Rob Ronday im klassischen Outfit eines Circusdirektors betritt die Manege und  rekommandiert „Kommt dat zien, kommt dat zien....“. Die Artisten strömen zu einem kurzen Charivari ins Rund. Dieses bunte Bild, dessen Wirkung vom dem als  Sonnenblumenblüte gestalteten Manegenteppich noch gesteigert wird,  findet seinen Abschluss im absitzen der Artisten auf der Piste währendessen sich die Springseil-Nummer der kubanischen Truppe Havanna entfaltet, die alle gängigen Tricks des Genres umfasst.
Ein großes weißes, manegenüberspannendes Tuch erweckt durch die Handbewegungen der auf der Piste Sitzenden und durch Laserstrahlen die perfekte Illusion von Meereswellen. In surrealem blauem Licht erscheint Elody Weiser, in einem romantisch verspielten weißen Kostüm, aus der Mitte des Tuches hervor, zu ihrer Kür an den Strapaten. Kräftezehrend die schier zahllosen einarmigen Aufschwünge, vielfältig die Haltepositionen und Abfaller, die von der jungen Artisten in ihrer umfangreichen Arbeit geboten werden. Sicher und scheinbar mühelos gleitet sie, freihändig - nur mit den Füssen in den Strapatenschlaufen stehend, mehrmals nacheinander in den Spagat.

Elegant und sicher präsentiert Michael Jarz die Pferdefreiheit. Im aktuellen Programm ist der bestens bekannte 6er-Zug Araber des Zirkus Charles Knie zu bewundern. Mit einigen Da Capo-Steigern endet dieser gelungene Auftritt.
Mit südamerikanischem Temperament erobert das Duo Reyes, zwei Herren der Truppe Havanna, die Herzen der Zuschauer. Mit viel Tanz und Show zeigen die beiden Ikarier eine Auswahl ihrer Tricks, wobei der Obermann kleine Unsicherheiten bei Sprüngen in den Handstand nicht verbergen kann.

In jeder Spielzeit überraschen die beiden Clowns Milko und Frenky ihr Publikum mit neu einstudierten Szenen. Zunächst dirigiert Milko ein Orchester, dass sich aus vier Zuschauern rekrutiert. Neue, eigene „Instrumente“ und Gags machen diese Version eigenständig und verleihen ihr einen besonderen Charme. Frenky hat dieses Mal mehrere Soloauftritte. Er „balanciert“ ein mit Geschirr beladenes Brett auf dem Kopf, führt die Laufenten vor und - richtig, auch hier wird ein Zuschauer mit Popcorn überschüttet.

Die Seelöwendressur von Ingo Stiebner hat sich verändert. Eine dritte Robbe ist hinzugekommen. Die leistungsstarke Darbietung, in der die Tiere scheinbar selbständig agieren und schauspielerisch begabt sind, hat so eine neue beeindruckende Trickvariation erhalten. Der „versehentlich“ zu kurz geworfene Ring, den der Seelöwe nicht fangen kann, wird nun zwei Mal - anscheinend aus eigenem Antrieb dem Kollegen zu helfen - weitergereicht bis er sein Ziel erreicht hat.
Die Tempojonglage von Karl Ramwell wird wirkungsvoll in Szene gesetzt und kommt beim Publikum sehr gut an. Auf den silberfarbenen Keulen glitzern die Lichtreflexe der zahlreichen weißen Leuchten genauso hell und in lebhaftem Kontrast zum schwarzen Kostüm, wie auf den Spiegeln auf der Brust des Artisten. Den anfänglichen Routinen mit drei Keulen folgt die umfang- und abwechslungsreiche Passage mit bis zu fünf Fußbällen. Noch einmal kommen Keulen zum Einsatz - zunächst werden fünf und abschließend kurz sieben jongliert. Zum Abschluss demonstriert Karl Ramwell in einer Bodenjonglage auf originelle Art und Weise seine Musikalität, in dem er kleine Bälle auf die Tasten eines Keyboards prallen lässt und  einen French Cancan intoniert.

Die Stangenwurfnummer der Truppe Havanna beschließt den ersten Programmteil. In lebhafter Choreographie mit vielen Tanzeinlagen werden die Tricks dargeboten. Eine doppelte Passage zwischen zwei Barren setzt den Höhepunkt.

Mit der fulminanten Löwendressur von Tommy Dieck startet der zweite Teil. Drei männliche und zwei weibliche Raubkatzen werden mit viel Tempo präsentiert und demonstrieren in erster Linie ihre Sprungkraft. Einige Hochsitzer und effektvolle Scheinangriffe komplettieren die recht kurze Dressurfolge.
Ein Dom aus Licht bietet einen wundervollen Rahmen für die aufwühlende, spannungsgeladene Kür  von Tamara Weiser am Schwungtrapez. Von ihrem Mann lichttechnisch wunderbar in Szene gesetzt, demonstriert die Artistin eindrucksvoll im vollen Schwung, mit vielen Abfallern und Pirouetten ihr Können. Die von E-Gitarre und Schlagzeug dominierte rockige Begleitmusik tut ein Übriges dazu, die Spannung im Publikum hochzuhalten.
Diese Spannung löst sich in befreitem Lachen bei der folgenden Vorführung der Laufenten durch Clown Frenky. Mit der Gestaltung der Requisiten wird in sympathischer Art das Motto noch einmal aufgegriffen, derweil die je sechs weißen und schwarzen Enten zu den Klängen des „River-Quai-Marsches“ ihre Runden drehen.
Im Tanz mit kleinen Feuerschalen erzeugt das Ballett eine mystische Stimmung vor dem Auftritt von Yuma. Die junge kubanische Kontorsionistin bietet eine überschaubare Anzahl Tricks zu rockiger Musik dar.

Tempo und Schwung bestimmen das nun folgende Wasserentree. Hier steht die Direktion - Rob Ronday und Milko Steijvers - zusammen mit Frenky im Zentrum des Geschehens.  Rob Ronday gibt überzeugend den distinguierten Herren, der den beiden Augusten eine unerfüllbare Wette anbietet. Voller Spielfreude brillieren Milko und Frenky in ihrem eifrigen Bemühen einen „anderen Dummen, der dümmer ist als wir“ zu übertölpeln und werden dabei ziemlich nass.
Den Schlusspunkt setzt die Truppe Havanna am Schleuderbrett. Zu acht werden vielfältige Sprünge geboten. Mit den Landungen auf einem Kissen, auf den Türmen von Untermännern und im Sessel wird beinahe die gesamte Bandbreite an Möglichkeiten genutzt. Stangengestütztes 5-Mann-Hoch und dreifacher Salto in den Sessel sind die Höhepunkte der Nummer.
Zum Finale wird der Manegeneingang mit einer fünfstufigen Showtreppe, deren Stufen in allen Farben des Regenbogens illuminiert sind, versehen. Das Ballett, in phantasievollen Kostümen, geleitet die Artisten über die Treppe. Das phantastische Lichtdesign und Theaternebel lassen das Finale zum glamourösen Ausklang einer erstklassigen Circusvorstellung werden. Rob Ronday und Milko Steijvers verabschieden sich vom Publikum und nehmen den langanhaltenden furiosen Schlussapplaus des Publikums entgegen.
Auch im Jubiläumsjahr ist es den Machern des Circus Herman Renz wieder gelungen ein mitreißendes Programm auf hohem Niveau zusammen zu stellen und in begeisternder Weise zu präsentieren, getreu dem Motto: "RENZ is pas HERMAN RENZ als er HERMAN vor staat"
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