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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS HERMAN RENZ
Heerlen, 10. Mai 2014

www.renz.nl
Der größte Circus der Benelux-Staaten, „Nederlands Nationaal Circus Herman Renz“, erfreut seit vielen Jahrzehnten sein Publikum mit hervorragendem Circus und begeistert Jahr für Jahr mit einem völlig neuen Programm. Das äußere Erscheinungsbild des Circus bietet in dieser Saison dem fachkundigen Auge eine Menge neuer Eindrücke, denn es wurde viel neues Material angeschafft.
Das „Bekkerveld“, ein von mächtigen Kastanienbäumen umrandeten Rasenplatz, inmitten der Stadt Heerlen bot dem Circus den geeigneten Rahmen. Die Front des Unternehmens mit der angedeuteten Gardine und dem schönen Lichterglanz fasziniert immer wieder aufs Neue. Die Fassade beinhaltet auch die Kassenschalter und die großzügige Leuchtschrift lässt Jedermann wissen, welches Unternehmen am Ort gastiert.
Der rot-weiße Frontzaun mit den nostalgischen Leuchten und Lichterbögen verleiht in Verbindung mit einem Holzschindelwagen dem gesamten Arrangement einen romantischen Touch.
Neue Zeltanlagen aus dem Hause Scola Teloni wurden zu Beginn dieser Saison in Gebrauch genommen. Die gewohnten Farben blau und rot wurden beibehalten, doch Design der Farben und die Form des Chapiteau entsprechen modernsten Ansprüchen. Die Dachplane endet nicht an den Rondellstangen, sondern ist als bogenförmiger Überstand weiter nach außen gezogen. Das rechteckige Vorzelt kann in zweierlei Größe, mit zwei oder drei Masten aufgebaut werden und passt sich im Design dem Chapiteau perfekt an.
Drei neue mächtige MAN-Zugmaschinen ergänzen den umfangreichen Fuhrpark des Circus Herman Renz. Sie ziehen die gleichfalls neuen Zelt- und Gradinauflieger.
Die Platzverhältnisse in Heerlen erfordern es, dass die Wohnwagen der Direktion und Artisten gegenüber der Fassade  abgestellt werden müssen und so bilden die in exakten Reihen ausgerichteten Fahrzeuge und die Front ein Spalier, durch das die Besucher zum Eingang strömen. Die zahlreichen Wohncontainer der Mitarbeiter nehmen eine Platzseite ein. Hinter dem Zelt haben die zwölf Pferde, sechs Laufenten und Papageien, die in dieser Saison mit dem Circus reisen, ihre Ställe, Freigehege und Volieren. Die vierte Platzseite wird von weiteren Wohn- und Materialwagen des Circus eingenommen.
Im Vorzelt wartet die nostalgisch gestaltete Restauration mit einem höchst umfangreichen Warenangebot auf. Für die kleinen Gäste ist ein funkelndes Karussell vorhanden und ein gut sortierter Souvenirstand ergänzt das Angebot.
Ein neues siebenreihiges blaues Schalensitzgradin wurde passend zum Chapiteau erworben. Die beiden Reihen gepolsterter Logenstühle stehen nun ebenfalls auf dem ansteigenden Holzboden.
Der große Artisteneingang aus rotem, mit unzähligen glitzernden Steinchen besetzten Stoff, trägt einen hohen Gitterrohrbogen mit zahlreichen Scheinwerfern. Auf der Empore haben die sieben Musiker des hervorragenden Orchesters ihren Platz. Sie verstehen es ausgezeichnet mit der immensen Bandbreite ihrer musikalischen Möglichkeiten, von sanft verträumten Tönen über Klassiker der Circusmusik bis hin zu harten rockigen Beats, einen wunderbaren, die Show tragenden Klangteppich zu erzeugen. Eine weitere unverzichtbare Komponente einer erstklassigen Show ist hervorragendes Licht. Wie in den Vorjahren wird auch in der aktuellen Produktion mit moderner Technik ein überaus gelungenes Lichtdesign geschaffen, dass die einzelnen Darbietungen in idealer Weise in Szene setzt.

Die diesjährige Show steht unter dem Motto „Miracles“ und die „Wunder“ die es hierzu erleben gilt sind die vorzüglichen Leistungen der auftretenden Artisten, Tierlehrer und Clowns. Im stimmungsvoll gestalteten Opening geben die Artisten nacheinander kurze Kostproben ihres Könnens. Mit einem harten, hellen Spot ausgeleuchtet, stehen sie isoliert auf der Piste und in den Treppenaufgängen des völlig abgedunkelten Zeltes und beenden ihre Szene in einer Wolke weißen Konfettis.
Mathijs de Kiefte, er führt als sehr eleganter und versierter Manegensprecher durch die Show, begrüßt die Besucher im restlos gefüllten Rund und gibt die Manege frei für Miss Gabriella und ihren Tanz auf dem Seil. Mit einem der ältesten artistischen Genres gelingt der Einstieg in die vorzügliche Nummernfolge des diesjährigen Programms in perfekter Weise.
Miss Gabriella bietet eine Fülle verschiedener Tanzschritte, zeigt einen Spagat und jongliert mit drei Keulen. Abschließend nimmt sie auf einem Klappstuhl auf dem Seil Platz.
Michel Jarz präsentiert sechs irische Tinker des schwedischen Cirkus Olympia in einer schwungvoll vorgetragenen Freiheitsdressur. Die schwarz-weiß gescheckten Pferde mit dem dekorativen schweren Fesselbehang traben souverän ihre Figuren und eines nach dem anderen verabschiedet sich artig mit einem „Knicks“ aus der Manege. Gleich im Anschluß folgen sechs Ponys in drei Farben. Die Kleinpferde beherrschen ebenfalls vielfältige Abläufe und beenden den Auftritt mit Barrieresprüngen, wobei eines natürlich den Vorführer „austrickst“ und das Hindernis umläuft.

Direktor Milko Steijvers und sein neuer Partner, Pascal de Boer alias Clown Pascalino, haben mit ihrer erstklassigen und abwechslungsreichen Clownerie großen Anteil am stimmungsvoll dargebotenen Programm. Die ersten beiden Reprisen sehen Pascalino alleine in Aktion. Sechs weiße Laufenten watscheln flott umher und mit Hilfe eines Jungen aus dem Publikum gelingt den Enten der „Sprung“ durch einen Reifen. Im zweiten Auftritt wird mit einem Paar aus dem Zuschauerraum Motorrad gefahren.
Clown Milko bekommt von einer der Ballettdamen ein „Geschenkpäckchen“ überreicht, dass sich als „Spieluhr“ entpuppt. Milko lauscht der romantisch verspielten Weise entzückt, doch der äußerst gestrenge und energische Sprechstallmeister Mathijs de Kiefte verbietet kurzerhand das musizieren und schließlich landet die „Spieluhr“ in einem Mülleimer.
In zwei der gemeinsamen Auftritte wird das Thema der vorangegangen artistischen Darbietung in hervorragender Weise aufgegriffen und neu interpretiert. So erleben wir die beiden Clowns in aparten Folklore-Kostümen mit ihrer Version einer Schleuderbrett-Nummer. Mit Hilfe eines Zuschauers, er durfte bereits Motorrad fahren und wurde auch ausgewählt mittels einer Schere einen Sack voll Konfetti zu produzieren, wird der Trick ausgeführt. Wenig später sehen wir den gleichen Zuschauer am Messerbrett, an dem die Clowns nun ihr Können in grandiosen Cowboy-Outfits unter Beweis stellen möchten.
Mit einem furiosen Konfettisturm, den Milko mittels eines Gebläses aus den angeblich soeben ausgeschnittenen Papierstückchen entfacht, werden in erster Linie die Logenbesucher bedacht.
In einer weiteren Szene verblüfft Milko seinen Partner und das Publikum gleichermaßen. Er bläst einen Einmalhandschuh zu einem Ballon auf und „melkt“ die fünf „Zitzen“ über einem, zuvor als leer demonstriert, Eimer aus. Dem ob diesem Treiben verständnislosen Blick folgt für Pascalino stets eine kalte Dusche mit dem soeben gemolkenen Wasser.

Yuri Caveagna lässt die Zuschauer bei seiner furiosen Darbietung auf der Rola-Rola gebannt mitfiebern. Er springt eine fulminante dreihundertsechzig Grad Pirouette zum Stand auf dem labilen Untergrund ebenso sicher, wie einen Wechsel in den Handstand. Acht Bänkchen baut er zu einem hohen Turm unter seinen Füßen auf dem Rollbrett auf. Zum Höhepunkt seines Auftritts balanciert er sein Brett sicher und lange auf einem hohen Turm von sechs Ringen und zwei Rollen aus.
Zu Beginn des zweiten Programmteils sehen wir den sympathischen Artisten mit seiner Partnerin, alias Duo Chanty, als versierten Kunstschützen und Messerwerfer. Mit der Armbrust trifft er sicher das Ziel, dass die unsichtbar hinter einer Papierbahn stehende Partnerin, vor ihren Körper hält. Kleine Ballons neben dem Kopf, bzw. mit den Zähnen gehalten werden gleichfalls getroffen. Präzise wird eine Spielkarte aus einer flachen Halterung auf dem Kopf der Partnerin geschossen. Im steten Wechsel mit den Armbrustschüssen erfolgen die rasant ausgeführten Messerwürfe. Auch hier werden in den Händen und im Mund gehaltene Ballons zum platzen gebracht und die Messer durch eine Papierbahn hindurch dicht neben der Partnerin platziert. Die abschließende Serie erfolgt auf das rotierende Messerbrett.
Mit südländischem Temperament bieten die Lester Sisters ihre Antipoden-Nummer dar. Zunächst lässt Jessica vier kleine Teppiche auf Händen und Füssen rotieren. Anschließend manipuliert Kimberly bis zu fünf leuchtend gelbe Fußbälle in vielfältigen Formationen. Zum Höhepunkt der Darbietung balanciert Kimberly ihre Schwester auf ihren Füßen während sechs Teppiche von beiden Artistinnen rotiert werden.

Die Herren des Trio Bokafi begeistern mit ihren erstklassigen Sprüngen auf dem Schleuderbrett. Stimmige ausgefallene Kostüme, gute musikalische Begleitung und exakt ausgeführte vielseitige Tricks gehen eine Symbiose ein und lassen das Publikum begeistert mitgehen. Mit einem sehr hoch und weit gesprungenen dreifachen Salto findet der Auftritt seinen spektakulären Höhepunkt.
Im zweiten Programmteil erleben wir zwei Mitglieder der Truppe, die „Almost Brothers“, mit einer leistungsstarken Kaskadeur-Nummer. Zahlreiche leistungsstarke Hand-auf-Hand Tricks werden in gelungener Weise mit feinen, humorvoll vorgebrachten Gags gearbeitet und heben die Darbietung deutlich von der Masse des Genres ab.
Suellen Sforzi präsentiert ihre Kontorsionen in glamourösem Look. Wie des öfteren in dieser Show, wird die Nummer vom hauseigenen Ballett in  phantasievollen, aufwändigen Kostümen und einer hervorragenden Choreographie in idealer Weise eingeleitet. Zunächst platziert sie mit ihren Füßen Brille und Hut auf ihrem Kopf um sich hernach eine Blüte, an Stelle einer Zigarette, zwischen die Lippen zu geben. Im zweiten Teil des Auftritts verharrt die erfahrene Artistin im Handstand auf zwei Handstäben während sie ihre Tricks ausführt. Abschließend lässt sie treffsicher mit ihren Füßen einen Pfeil vom Bogen in einen Ballon schnellen.

Dan Laurentiu bietet mit seinen Papageien die einzige Nummer mit Tieren im zweiten Programmteil. Die Aras durchqueren die Manege, landen auf seinem Arm, fliegen mit einer Blume im Schnabel zu einer Zuschauerin. Ein kleinerer Papagei durchfliegt drei große Ringe die von Kindern hoch gehalten werden. Ein Schwarm kleiner, leuchtend gelber Sittiche landet auf den ausgestreckten Armen der Kinder. Selbstverständlich erfolgen zum Abschluss die immer wieder beeindruckenden Flüge der Aras über dem Gradin.
Das Duo Exxtrem ist mit seiner starken Luftdarbietung vollkommen zu Recht als Finalnummer platziert. Ungesichert wird die anspruchsvolle Trickfolge, bei die Partnerin mehrfach kurz völlig frei in der Luft schwebt, gearbeitet. Kräftezehrende Haltetricks und riskante Abfaller werden in großer Anzahl und rascher Folge gezeigt. Abschließend erfolgen beeindruckende weite Flüge durch die Kuppel.
Im Finale trägt das gesamte Ensemble eigens angefertigte Kostüme, die für die Damen und Herren jeweils aus dem gleichen Stoff bestehen und in Schnitt und Style aufeinander abgestimmt sind. Mathijs de Kiefte stellt alle noch einmal vor, vergisst auch die Musiker und die Lichtoperatoren nicht. Lange müssen die Artisten in der Schlussformation in der Manegenmitte verharren, bis sich der donnernde Applaus gelegt hat und sich die Konfettiböller über der Manege verteilen können.
Wie in all den Jahren zuvor bietet der Circus Herman Renz ein stimmiges starkes Programm, dass seinem Motto in allen Belangen gerecht wird. Wie gewohnt wird es mit  hervorragendem Licht und allerbester Livemusik perfekt präsentiert. Das prächtige Umfeld trägt das seinige dazu bei, dass man im Nationalcircus der Niederlande allerbeste Circusunterhaltung genießen kann und wie stets kann man allen Freunden guten klassischen Circus nur wärmstens zu einem Besuch raten.