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Text und Fotos Friedrich Klawiter
HORROR CIRCUS
Frankfurt, 16. Mai 2014

www.horror-circus.de
In einem Vorort im Norden der Bankenmetropole am Main gastierte der Horror Circus von Dana Fischer. In einer idyllisch gelegenen Grünanlage war der Circus aufgebaut.
Das weiß-hellgelb gestreifte Chapiteau mit der hohen achteckigen Kuppel und passendem Vorzelt leuchtet zwischen dem hellen grün der Bäume in der Abendsonne hervor. Die weißen Materialauflieger und Wohnwagen der Artisten sind dicht darum gruppiert. Ein hoher Zaun mit schwarzen Spannbändern, die das Logo des Circus zeigen, schirmt das Gelände gegen neugierige Blicke ab. Auch der große Kassenauflieger ist mit den schwarzen Spannbändern an die Gruseloptik des Unternehmens angepasst.
Durch ein Labyrinth, in dessen Ecken schaurige Gestalten den Besuchern auflauern, geht es ins Vorzelt. Fahles Licht, riesige Spinnennetze, Extremitäten und Totenschädel deren leere Augenhöhlen und Kiefer im Kerzenlicht grinsen, machen das Zelt zu einer Gruft.
Finstere, grauselig zugerichtete Gestalten, mit großen Narben, blutigem Schorf und besudelter Kleidung, tauchen aus dem Nichts auf. Sie schleichen mit Ketten sowie Henkersbeilen in den Fäusten umher, stoßen kehlige Schreie aus, ähnlich Tieren in der Brunst. Spitze Schreie erschreckter Besucherinnen mischen sich in den Duft von frisch zubereiteter Bratwurst und Pommes. Ein unheimlicher Gang, in dessen dichten Nebel der Blick nicht einen Meter weit eindringen kann, führt in den Horrorpalast. Hier warten weitere Untote auf ihre Opfer und durchdringende Schreie künden denjenigen die den Weg noch vor sich haben, von schrecklichem Geschehen.
Fahles Licht und monoton hämmernder Singsang aus den Boxen bereiten die Zuschauer auf das Kommende vor. Eine erhöhte Bühne bietet an Stelle einer Manege für alle Zuschauer beste Sicht. Die Gruselgestalten bevölkern während des Einlasses, sehr zum Schrecken manch eines Besuchers auch das Chapiteau, sie wandern auch unter dem Gradin umher und mit einem schnellen Griff an Waden und Fesseln der über ihnen Sitzenden erzeugen sie eine enorme Wirkung.

Rammstein-Songs und Melodien aus bekannten Horrorfilmen begleiten die Show, zu deren Beginn sich der Grusel-Clown und alle die dunklen Gestalten ein Stelldichein auf der Bühne geben. Gerome Frank tritt als Zeremonienmeister in Erscheinung und in kühlem Ton schleudert er seine Worte in einen "abgerissenen Arm" und fordern den ultimativen Applaustest, denn "nur wer genügend applaudiert, wird dieses Zelt wieder lebend verlassen".
Reni Toth tanzt auf dem Seil. Routiniert werden die Schritte und Sprünge ausgeführt. Spagat und andere Balancefiguren ergänzen die Trickfolge. Im zweiten Programmteil erleben wir die versierte Artistin an den Strapatentüchern. Auch in diesem Auftritt arbeitet sie viele gängige Abläufe des Genres.
Stephan Riedesel überzeugt auf der Rola-Rola. Souverän präsentiert er eine Keulenjonglage auf dem labilen Untergrund und springt Seil. Er steigt durch Ringe, balanciert das Brett gekonnt auf einem Ball als Unterlage aus und errichtet einen Turm aus mehreren Rollen und Ringen um als dann darauf die Balance zu halten. Abschließend werden aus Bechern und Rola-Brettern fünf Etagen auf der Rola errichtet und auf deren höchster stehend jongliert der sympathische Artist erneut mit Keulen.

Im weiteren Verlauf des Abends präsentiert sich Stephan Riedesel mit einer effektvollen Feuer-Show. Fackeln werden serienweise im Mund gelöscht. Lange im Mund gehaltene Flammen entfachen die Fackeln erneut. Abschließend stößt er meterhohe Feuersäulen kraftvoll bis weit in die Kuppel aus.
Temperamentvoll geht Miss Gina bei ihrer Hula-Hoop Show zu Werke. In vielfältigen Variationen lässt sie die Reifen um Arme und Körper kreisen. Immer wieder wandern die rotierenden Ringe an ihrem Körper hinauf und hinab. Zum Höhepunkt der Darbietung kreisen ca. zwanzig aufgefangene Hula-Hoops um ihre Hüften.

Zu all den gruseligen und dunklen Szenen der Show gehören als Kontrapunkt auch einige heitere Momente. Den ersten gestaltet Clown Alfredo, der  auf einem schweren Bike auf die Bühne rauscht. Nachdem er mit einer (Wasser)-Maschinenpistole die von Zuschauern hochgehaltenen Luftballon abgeschossen hat, tritt er als Messerwerfer in Erscheinung. Der ans Brett gefesselte junge Mann aus dem Publikum darf sich zunächst noch den finsteren Sensenmann der an ihm vorüber zieht betrachten, ehe ihm die Augen verbunden werden und Alfredo in Aktion tritt.
Im zweiten Programmteil sehen wir eine Variante der bekannten Reprise "vier Stühle" In dieser Show dürfen vier junge Frauen ihre artistische Geschicklichkeit unter der Anleitung von Gerome Frank unter Beweis stellen.
Zwei weitere Luftnummern sehen Miss Andrea als Akteurin. Zunächst windet sie sich in einem schwarzen Lack-Catsuit um ein rotes Vertikalseil. In immer wieder neuen Varianten legen sich die Seilschlingen um ihren Körper, um alsbald in effektvollen Abfallern wieder gelöst zu werden. Auch der zweite Auftritt findet hoch unter der Kuppel des Chapiteau statt. Am Ringtrapez werden zahlreiche, kraftvoll ausgeführte Haltetricks und Balancen dargeboten.

Marco Biasini, er hat das vorzügliche Lichtdesign der Show geschaffen, tritt als versierter Jongleur vor sein Publikum. Im schummrigen Licht blau wabernder Nebel manipuliert er geschickt und sicher seine orange fluoreszierenden Requisiten. Bälle, Ringe und Keulen zeichnen ihre leuchtende Spur in den Dunst und mit einer effektvollen Fackeljonglage findet der gelungene Auftritt seinen Abschluss.

Einen Höhepunkt des Programms markiert vor der Pause die Klischnigg-Darbietung von Cesar Pinto. Der junge Südamerikaner versteht es ausgezeichnet, seinen Körper in die schier unglaublichsten Positionen zu bringen. Eine enorme Anzahl verschiedener Tricks wird wirkungsvoll gearbeitet und die verschiedenen, erstklassig ausgeführten Handstände - mit stark verschränkten unteren Extremitäten - zeugen von Kraft und Balancegefühl. Zum Höhepunkt seiner Evolutionen zwängt sich Cesar Pinto in einer außergewöhnlichen Technik in einen nur wenige Zenitmeter Kantenlänge messenden Plexiglaskubus.
Eliane Baranton hat ihre erstklassige Antipoden-Nummer optisch perfekt an das Thema "Horror" angepasst. Mit "Totenkopf-Schminke" Perücke und Kostüm bis zur Unkenntlichkeit verfremdet, beginnt sie ihre Arbeit mit zwei großen "Voodoo" Puppen, die sie auf ihren Füßen "tanzen" lässt. Die fünf weißen Baskett-Bälle mit denen sie den Auftritt fortsetzt sind nun mit aufgemalten schwarzen Totenschädeln verziert. Mit großer Sicherheit werden die beiden Tonnen empor gekickt und wieder aufgefangen. Die abschließenden Routinen mit einem großen Tisch meistert die erfahrene Artistin mit großer Souveränität.
Den Schlußpunkt des abwechslungsreichen Programms setzen drei Fahrer in der Motorradkugel. In bekannter Weise steigert sich der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Fahrten, nachdem zunächst vier Zuschauerinnen von einem Motorradartisten in der Kugel umkreist wurden.
Zum Finale versammeln sich noch einmal alle düsteren Gestalten auf der Bühne und in seinen Abschiedsworten wünscht Gerome Frank einen "horrorfreien Nachhauseweg" Tosender Applaus der Besucher bezeugen, dass diese spezielle Form eines artistischen Spektakels die Erwartungen des, zu allermeist jungen, Publikums erfüllt. Auch wenn in der aktuellen Produktion kein "Freak" auf der Bühne zu erleben war und der "Horror" somit nur auf den Nebenschauplätzen stattfand, werden nicht nur Horror-Fans sondern auch die Anhänger gepflegter artistischer Künste von diesem geschickt zusammengestellten Programm gut unterhalten.