Text und Fotos: Friedrich Klawiter
Festival der weltbesten Artisten
Kassel, 02. Januar 2010

www.circusfestival-kassel.de
So wurde dieses Festival auf Flyern und Website benannt. Am bekannten gelb-schwarzen Flicflac-Zelt ist außer dem Circus-Logo eine Leuchschrift mit dem Namenszug „1. Kasseler Circusfestival“ angebracht. Nun kann sich also jeder interessierte Besucher aus den drei Namensvorschlägen aussuchen, welche Bezeichnung er bevorzugt.
Mitten in der Kasseler Innenstadt, direkt in der Fußgängerzone auf dem Friedrichsplatz sind die Flicflac-Zelte in bekannter Formation errichtet. Rechteckiger Dreimaster als Vorzelt, das übliche Chapiteau und rechteckiger Zweimaster als Garderobenzelt.

Zwei – drei Wagen, die Artisten sind in einem nahegelegenen Hotel untergebracht, mehr ist nicht auf dem Platz vorhanden. Der hohe Bauzaun rings um den Circus ist komplett mit passenden Spannbändern, die mit dem Flicflac-Logo, bzw. Bildern von Nummern aus zwanzig Flicflac-Jahren bedruckt sind, gestaltet. Als Kassen waren zwei kleine umlackierte Container aufgestellt, die einst beim Circus 180 Grad demselben Zweck dienten. Das Vorzelt ist im Innern leerer, nüchterner als sonst bei Flicflac üblich. Ein paar von Drittanbietern aufgebaute Verkaufsstände sind alles an Einrichtung und statt des außergewöhnlichen, superluxuriösen Toilettenwagens gibt es nur zwei schlichte Container.

Mutig wie wir nun einmal sind, hatten wir im Voraus keine Karten reserviert - und waren froh, noch Karten für die Abendvorstellung in der hintersten obersten Ecke im restlos ausverkauften Gestühl zu bekommen. Dies tat dem Spaß am Gebotenen keinen Abbruch, wirkt sich in erster Linie auf die Qualität der Fotos in diesem Bericht aus.

Im Chapiteau dann Flicflac-Feeling pur. Gegen Ende des Einlasses und dann nochmals im Finale lässt ein junger Mann ein großes offenbar extrem leichtes Modellflugzeug ungeheuer geschickt die abenteuerlichsten Flugmanöver über der Bühne und dem Gradin ausführen. Überrascht nehmen wir beim Einlass zur Kenntnis, dass das Fangnetz des Flugtrapezes bereits aufgebaut ist. So startet dieses Spektakel höchst ungewöhnlich gleich mit einem Höhepunkt – mit dem Flugtrapez der 'Heros'. Diese junge russische  Formation versteht es aufs Feinste ihre Flüge mit großer Eleganz auszuführen. Zahlreich sind die verschiedenen Sprünge, die präzise in die Hände des Fängers führen.

Nun lernen wir den Moderator und 'roten Faden' des Abends kennen. Der Comedian Dave Davis – ein dunkelhäutiger Deutschafrikaner – stellt sich als „Mokkambo – mit doppel 'k' -  ich bin Klomann bei McDonald“ vor. Gekonnt und witzig nimmt er typische Klischees aufs Korn, macht auch Witze über seine Hautfarbe. In jeder Show bestimmt er durch Verteilung von zehn Baseball-Caps im Zuschauerraum die Jury. Deren Punktevergabe entscheidet über Gold Silber und Bronze und damit verbunden über die Geldpreise von 15000, 10000 und 5000 Euro.
Wie von Flicflac gewohnt läuft das Programm straff und schnörkellos ab. Im schnellem Wechsel folgen die sechzehn Nummern einander. Anders als bei Flicflac-Produktionen wurden Kostüm und Musik der Darbietungen unverändert belassen.


Die alte Manegenkunst des Messer werfens interpretiert Tyrone Laner mit seiner Partnerin neu. In Fliflc konformer Aufmachung in schwarzem Leder und zu harten Rockklängen werden Messer und Fackeln extrem schnell, präzise und dicht um die Partnerin herum platziert.
Mit bis zum fünf Fußbällen und bis zu sieben Keulen stellt Karl Ramwell sein Talent als Jongleur unter Beweis. Abschließend spielt er als Bodenjongleur auf einem K-Board mit kleinen Bällen eine Melodie. Sergey Mazurin – es handelt sich um den Flieger der Kanakov-Truppe -  an der Vertikalkette lässt die Zuschauer den Atem anhalten. Er dreht Saltos an der Kette, lässt sich mehrfach aus acht – neun Metern Höhe rücklings auf eine Matte fallen.
Val de Fun, 'Mokkambo' stellt ihn im Finale als „der witzigste Ukrainer den ich kenne“ vor, passt mit seinen Reprisen wunderbar in diesen Circus. Ihm kommt, im Vergleich zu Krone, die räumliche Enge mit direktem Kontakt zum Publikum entgegen. Zwei Szenen – Schleuderbrett und Wasserentree – steuert er zur großen Erheiterung des Publikums bei.

Ein Raunen geht durch die Reihen, als Anatoli Zhukov in bekannter Weise etliche Liter Flüssigkeit aus dem Magen hochpumpt und auf die beiden Spukbecken verteilt. Still wird es, während er die fünf großen Gläser Petroleum trinkt und Applaus bricht aus bei den vielen hohen Feuersäulen, die er anschließend ausstösst.

Die spektalulärste Darbietung, auch der Jubel des Publikums ist hier am stärksten, bekommen wir Mitte der ersten Halbzeit mit 'Desire of Flights' geboten. Vollkommen ohne Sicherung und Vorteil  fliegen Valeriy und Malvina an den Strapaten durch die hohe Flicflac-Kuppel. Waghalsige Tricks – u. a. Positionswechsel, hängen nur Fuß auf Fuß – werden in größter Höhe traumhaft sicher gearbeitet. Eine großartige Luftnummer, die gerade in dem hohen Flicflac-Chapiteau beeindruckt.
Zur Pause dann der erste Auftritt der Bikers. Ihre Sprünge auf den überdimensionalen 'Autoreifen' finden auch in diesem Rahmen Anklang. Später zeigen sie weite Flüge von Russischen Schaukel in ein vertikales Fangnetz.

Nach der Pause das Hochseil der Tsisov. Aufgebaut ohne Masten wird das in der Höhe variable Seil - es wird sowohl waagerecht als auch als Schrägseil genutzt - an gewaltigen Flaschenzügen an der Kuppel und nach unten verspannt. Eine sehr aufwändige Konstruktion, die während der Nummer den Einsatz von mehreren Personen erfordert. Sechs Artisten sind in die Trickfolge eingebunden. Man startet ziemlich flach, direkt über dem Sicherheitsnetz und arbeitet sich dann nach und nach in größere Höhen empor. Es ist eine typische russische Hochseildarbietung, pathetisch in Ausdruck und musikalischer Begleitung, folkloristisch untermalt. Faszinierend der Spitzentrick, zu dem ein Artist ein zweites parallel gespanntes Seil mit der Schulter ein wenig ablenkt und so eine Begegnung und passieren auf der 'Umleitung' von zwei Zwei-Mann-Hochs ermöglicht.

Die vier Karnakov gefallen mit eleganten hohen Salti und Pirouetten auf dem Russischen Barren. Perfekt und sicher werden die Sprünge auf der Stange gelandet.
Eine der typischen und inzwischen sehr zahlreichen vierköpfigen Truppen aus der Ukraine nennt sich 'Crazy Flight Juniors'. Handstände und -voltigen werden in der hinlänglich bekannten spärisch inszenierten Art vorgetragen. Perfekt ist die Ausführung der Nummer, der leider in der Trickfolge jede Eigenständigkeit abgeht und man ausschließlich auf bekannte und bewährte Muster zurückgreift.


Die Partnerjonglage der 'Get the Shoe' weicht in der Präsentation weit vom üblichen ab. In einer kleine Geschichte – ein Straßenräuber, schwarz gekleidet, möchte dem Jongleur, weiß gekleidet, die Schuhe abjagen – verkaufen sie ihre faszinierende Keulenjonglage. Einmalig das Tempo und die Präszision, mit der Keulen aus dem Muster 'gestohlen' und wieder hineingeworfen werden.
Die Motorradikarier Kurbanov rocken das Gradin und räumen als Finalnummer noch einmal richtig ab. Mit großer Präzision werden die beiden Flieger umhergewirbelt.

Zum Finale kommen die Artisten nach und nach über die Treppenaufgänge auf die Bühne. Sie werden von Dave Davis, ganz im Gegensatz zu 'normalen' Flicflac-Programmen, namentlich und mit Erwähnung des Genres vorgestellt. Dies geschieht wohl, um der Jury das gesehene nochmals von Anfang an ins Gedächtnis zu rufen. Das kurze Finale offenbart die große Zahl an Mitwirkenden. Die Stimmabgabe der Jury erfolgt im Vorzelt an einem elektronischen Abstimmungsgerät.
Ein großes spektakuläres Programm wurde eigens für diese Veranstaltung zusammengestellt und begeistert entsprechend die Massen. Auf eine neue Ausgabe dieses jungen Festivals in rund einem Jahr darf man bereits heute gespannt sein.
Die Verleihung der Preise ergab keine Überraschung. Gold und die Prämie von € 15000,- erhielten Desire of Flights, zweiter wurden die Kurbanov und Bronze ging an die Crazy Flight Junior.

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