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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS KNIE
Zürich, 05. Mai 2018

www.knie.ch
Der Schweizer National Circus Gebr. Knie gastiert traditionell alljährlich im Mai rund vier Wochen in Zürich.  Die aktuelle, 100. Produktion steht unter dem Motto „Formidable“ und in ihr vereinen sich hochkarätige Akrobatik, erstklassige Pferdedressuren und aktuelle Comedy zu einer modernen Show in einem stimmigen Umfeld.
Auf dem innerstädtischen Sechseläutenplatz ragt das weiße Vier-Masten Chapiteau hoch aus dem frischen Grün der Bäume auf dem von hektischem Verkehr umgebenen Platz. Die neue, sehr eigenwillige Konstruktion fällt sofort ins Auge. Ein hoher Segmentbogen aus Gitterrohrelemente spannt sich über das Zelt und ersetzt das vordere Mastenpaar. Die hinteren Masten wurden im unteren Viertel von ihrer Gitterrohrkonstruktion auf eine runde Stahlrohr Ausführung geändert. Diese Veränderungen sollen zu einer verbesserten Sichtqualität im Zelt beitragen und haben die Platzkapazität etwas erhöht.
Die Haut des Chapiteau wurde nicht verändert; nach wie vor krönt eine lange Kuppel den Zeltbau und an den Masten ist die Plane weit nach oben gezogen, bzw. ragt leer hoch in Richtung des Bogens.
Die umfangreiche Vorzeltanlage setzt sich aus vier Festzelt ähnlichen Teilen zusammen und ist speziell für das Gastspiel auf diesem Platz konstruiert. Ein Biergarten zwischen den Zeltteilen komplettiert die ausgedehnte gastronomische Abteilung.
Der Giebel des Vorzeltes reicht bis unmittelbar an den Bürgersteig und wird zu beiden Seiten vom nostalgischen Zierzaun flankiert.

Der große Kassenwagen hat seinen Platz in einigen Metern Entfernung.
Anker können auf dem komplett mit edlem Granit gepflasterten Platz nicht eingeschlagen werden, der Platz ist mit versenkt eingebauten Befestigungspunkten, die auf die Absegelungen der Knie-Zelte abgestimmt sind, versehen.
Die Rückseite des Geländes wird vom langgestreckten Pferdestall eingenommen. Ein Stall für die Kamele und Lamas ist gleichfalls vorhanden. Großzügige Freigehege nehmen die Fläche zwischen den Zelten restlos ein. Dick aufgeschütteter Sand und Rindenmulch schaffen einen angenehmen Untergrund für die vierbeinigen Bewohner.
Auf dem begrenzten Raum finden nur die notwendigsten Wagen – Kühlwagen der Restauration, Garderoben- und Toilettenwagen, Elektrozentrale – Platz. Die modernen Bürowagen sind in einer Seitenstraße hinter dem Circus abgestellt. Zugmaschinen, Materialtransporter und die große Flotte der Wohnwagen sind auf einem entfernten Gelände abgestellt und ein betriebsinterner Shuttle-Service ist eingerichtet.
Die Foyerzelte sind komplett mit Holzboden, der mit einem roten Teppichbedeckt ist, ausgestattet. Die Gitterträger der Dachkonstruktion werden von kunstvoll bemalten Spannbändern, die dem Raum eine individuelle Atmosphäre verleihen, verdeckt. Ein Verkaufscontainer der Circusrestauration steht an zentraler Stelle. Die rustikale Wurstbräterei hat ihren Platz angrenzend an das Zelt und Thai-Food aus dem Wok ist an einer weiteren Station ebenfalls erhältlich. Zahlreiche Sitzgelegenheiten und Stehtische gliedern den Raum.
Über vier breite Treppenaufgänge führt der Weg ins Spielzelt. Das Gradin für rund zweitausenddreihundert Besucher ist komplett mit – nummerierten – Einzelklappsitzen ausgestattet. Die blau-rote Piste mit hinterleuchteten Sternen und der große hohe Artisteneingang mit reichen goldfarbenen Applikationen bieten den gewohnten Anblick. Das Orchester, es setzt in erster Linie die Akzente bei der weitestgehend im Playback stattfindenden musikalischen Begleitung, hat seinen Platz nach wie vor über der Gardine.
Das Lichtdesign zeigt sich absolut auf Höhe der Zeit und setzt die auftretenden Künstler perfekt in Szene.

Franco Knie jr. tritt zur traditionellen Begrüßung des Publikums in die Manege und wird prompt nach wenigen Worten gestört. „Helga Schneider“ alias Regula Esposito, die selbsternannte Queen of Comedy ist die Galionsfigur der Show, hat sich auf ihrem Weg zur Garderobe ins Spielzelt verirrt und mischt, von einem der Aufgänge kommend, die Manege mit losen Sprüchen auf. Dann ist der Weg frei für die Truppe Bingo, die auch in diesem Jahr wieder mit einigen Auftritten in der Show zu erleben ist. Der Anteil Akrobatik in den Auftritten hat sich allerdings inzwischen sehr verringert und die sieben Truppenmitglieder sind in erster Linie als Ballett in Aktion. Im Opening gibt es einige Handstandtricks und zu Beginn des zweiten Teils agiert eine Bingo-Artistin an Strapatentüchern.
Klischnigger Alexander Batuev begeistert und verblüfft gleich zu Programmbeginn wenn er seine Gliedmaßen in unglaublicher Weise „verbiegt“. Er verdreht den Oberkörper um beinahe einhundertachtzig Grad zu den Füßen und zeigt „Seilspringen“ durch seine verschränkten Arme. Kraft und Balancegefühl beweisen verschiedene Handstände und Liegestütze in außergewöhnlichen Körperhaltungen. Schließlich faltet er sich zum Höhepunkt seiner Evolutionen in eine recht kleine metallene Transportbox.
Die Brüder Maycol, Wioris und Guido Errani arbeiten zusammen mit vier Artisten der Truppe „Spicy Circus“ auf dem Fast-Track. Die aufwendige, etwa einen Meter hohe Konstruktion reicht von der Gardine quer durch die Manege bis zur Piste und erlaubt eine Reihe spektakulär wirkender Salto- und Flickflack-Kombinationen. Mitglieder der Truppe Bingo rahmen den Auftritt zu Beginn ab.

Die Tierdressuren der Familie Knie werden in zwei kompakten Blöcken in den beiden Showteilen präsentiert.
Zunächst ist Marie Chanel Knie in einem freundlich-verspielten und kindgerechten Auftritt mit zwei weißen Lamas zu erleben. Die Siebenjährige arbeitet bereits sehr routiniert und weitestgehend selbständig leitet sie die Anden-Kamele zu den Aktionen an.
Ivan Frédéric Knie präsentiert in diesem Jahr seine erste eigene Freiheitsdressur. Auf einem glänzenden, nachtschwarzen prächtigen Friesenhengst reitend dirigiert er feinfühlig acht weiße Araberpferde. Souverän und gekonnt erfolgen die vielseitigen Abläufe und ein erstklassiger Steiger beendet diesen Teil seines Auftritts. Zum Da Capo springt er auf dem Pferd reitend „Seil“ und überwindet zugleich mehrere Barrieren. Hernach werden drei Araber präzise dirigiert, so dass sie zeitgleich zwischen den Cavaletti Pirouetten zeigen, bzw. zum Stand kommen. Ein souveränen dreifacher Vorwärtssteiger beendet den Auftritt.
Im zweiten Teil der Show präsentiert Marie-José in einem sympathischen Auftritt ein Groß-Klein-Kleiner dreier dekorativ gescheckter Pferde gleicher Fellfarben.
Maycol Errani vereint sechs goldfarbene Andalusier und sechs Friesen in einer erstklassigen Freiheitsdressur. Die vielseitigen und anspruchsvollen Lauffiguren erhalten durch das gekonnte Spiel mit den unterschiedlichen Fellfarben einen besonderen Reiz. Einige exzellente Da Capo Steiger runden den Auftritt in idealer Weise ab.

„Coperlin“, alias Dustin Nicolodi lässt das Zelt mit seiner großartigen Comedy-Show vor Begeisterung rasen. In seinen beiden umfangreichen Auftritten mixt er Jonglage und Zaubertricks mit genialem Blödsinn und würzt die Melange mit flotten Sprüchen zu einem komödiantischem Leckerbissen.
Regula Esposito, mit ihrer Kunstfigur
„Helga Schneider“ seit vielen Jahren ein bekannter Comedy-Star in der deutschsprachigen Schweiz, ist verschiedentlich in der Manege präsent. Mit frechen Sprüchen und spitzer Zunge nimmt sie zu allen Themen Stellung und des öfteren sind Franco Knie jr. sowie Abendregisseur Enrico Caroli Ziel ihrer Spitzen. „Wichtige Frauenthemen“, Stichwort „Winke-Ärmchen“, werden gnadenlos angesprochen und ein Kamel sieht sich der Frage ausgesetzt: „Deine Brüste (sie betastet die Höcker) sind doch gemacht, so stramm wie die stehen“. Uns entgehen, aufgrund des ausgeprägten Schwyzerdüsch Dialektes einige Gags, doch rings um die Piste bleibt kein Auge trocken.

„Ich vermisse die Elefanten“ ruft Chris Rui Knie ins Mikrofon, dann beginnt der elfjährige Sohn von Franco Knie jr. in der Manege sitzend auf einem weißen K-Board zu spielen. Sein Vater tritt ins stark abgedunkelte weite Rund und lässt von seinen vorgestreckten Händen eine der Minidrohnen aufsteigen. Die kleinen Fluggeräte sind in der relativen Dunkelheit kaum zu erkennen, nur ihre wechselweise rot, blau und gelb scheinenden starken Lichter scheinen durch den Raum zu schweben. Bis zu zweiunddreißig der Drohnen schweben in unterschiedlichen Formationen über der Manege, während Chris Rui am K-Board sitzt und seine Mutter einige Posen in Strapaten-Schlaufen einnimmt. Dieser Auftritt, der durchaus einige poetische Momente bietet, hat mit traditionellem Circus nun wirklich nichts zu tun und so kann man Chris Rui nur zustimmen – auch wir haben die Elefanten (und nicht nur diese) vermisst.

Vor der Pause arbeitet Laura Miller ihre eindrucksvolle Luftdarbietung am Ringtrapez, in die auch die Elemente Wasser und Feuer einbezogen sind. Immer wieder senkt sich das Requisit aus der hohen Kuppel und die Artistin taucht in ein voluminöses gläsernes Wasserbassin ein, nur um im nächsten Augenblick wieder hoch in die Luft zu schweben. Ein Sprung aus einigen Metern Höhe in die mit hell lodernden Flammen bedeckte Wasserfläche bildet den effektvollen Schlusspunkt des Auftritts.
Die Truppe Skokov, acht junge Frauen aus Russland. Sie füllen den Raum mit eleganten Flügen auf der doppelten Russischen Schaukel. Mit ihrem vom klassischen Ballett inspirerten Auftritt transportieren sie Poesie und Dynamik gleichermaßen mit risikoreicher Akrobatik.
2-zen-0, Marie-Eve Bisson und Jonathan Morin, bieten als Finalnummer den artistischen Höhepunkt der Show mit ihrem Luft-Act an gekreuzten Ringen. Hoch in der Kuppel erzählen sie eine ausdrucksstarke Love-Story. Die zahlreichen, ungesichert ausgeführten Haltetricks, beide Partner agieren als Porteure, bergen einiges Risiko. Harmonische Übergänge verbinden den gesamten Auftritt zu einer eleganten Komposition.

Das Finale beginnt mit einer temperamentvollen Choreographie der Truppe Bingo. Nacheinander kommen die Artisten in die Manege und nehmen ihren wohlverdienten Applaus entgegen. Zuletzt nehmen die Mitglieder der Familie Knie zentral in der Manege Aufstellung und Franco Knie jun. spricht die traditionellen Abschiedsformel. Mit lang anhaltenden Standing Ovations drückt das Publikum seine Begeisterung aus. Nach Konfettiregen und einem zweiten Vorhang für das Ensemble leert sich der rote Ring.