Text und Fotos Friedrich Klawiter |
CIRCUS KRONE Marburg, 12. Juni 2011 www.circus-krone.de |
Der Festplatz in Marburg, bot auf seinem weitläufigen Gelände dem materialmässig letzten "Großcircus" Europas, dem Circus Krone, ein ausreichend dimensioniertes Gelände. Fast den ganzen Platz füllend vermittelt Krone einen Eindruck davon, was noch vor wenigen Jahrzehnten unter dem Begriff „Großcircus“ zu verstehen war. Mehr als dreihundert Wohn-, Pack- und Gerätewagen und Tiergehege für mehr als zweihundert Tiere und das vierundsechzig mal achtundvierzig Meter große Chapiteau fesseln den Blick. Leider fand man keinen Raum die in Europa einzigartige, prachtvolle Eingangsfassade zu errichten. So beginnt der breite Eingangstunnel hinter einem blau-weißen Zaunelement zwischen Kasse und Circus Café. Dieses strahlend blaue Café-Zelt verleiht mit seinem Schmuck der schlichten Front ein wenig Glanz. In gewohnter Weise mündet der separate Eingang der Tierschaukasse direkt in den langgestreckten Pferdestall. Rund fünfzig Hengste verschiedenster Rassen haben in den lichtdurchfluteten großen Boxen, die sich mit wenig Aufwand um einen gleichgroßen Außenbereich erweitern lassen, ihr Zuhause. Nashorn Tsavo hat sein Gehege gleich neben dem Artisteneingang. Auf der rechten hinteren Seite des Chapiteau ist die große Raubtieranlage von Martin Laceys Löwen errichtet. Vier Wagen stehen mit Abstand im Karree inmitten der umfangreichen Freigehege, die tiergerecht mit Liegebrettern und „Spielzeugen“ ausgestattet sind. Gleich nebenan steht der Exotenstall. Kamele, Zebras und Ponys können wählen, ob sie sich im Zelt oder im Freien aufhalten möchten. Die Elefanten waren, kurz vor der Nachmittagsvorstellung, im Stall - zu dem Tierschaubesucher ganztägig keinen Zugang haben. Mit ein wenig Abstand zu den Krone-Stallungen schwimmen die Duss-Seelöwen in ihrem riesigen Pool. Die Vielzahl der Krone-Anhänger und Sattelauflieger steht säuberlich ausgerichtet in Reihen auf dem Platz, wobei nicht verborgen bleibt, dass die Holzschindeln an manchen Wagen dringenden Renovierungsbedarf signalisieren. Drei neue Schiebeplanen-Auflieger fallen durch ihre aufwändige Werbegestaltung der Planen - Circus Krone & Krone (Fahrzeugbau) - gleich ins Auge. Mit der neuen Show „Celebration“ wartet man in dieser Sommerspielzeit auf, nachdem fünf Jahre lang mit „Jubilee“ einhundert Jahren Circus Krone gehuldigt wurde. Den Krone typischen Programmstil und die Art der Präsentation hat man unverändert fortgeführt, wobei im artistischen Teil das gesamte Personal mit Ausnahme von Crazy Wilson ausgewechselt wurde. An diesem heißen Frühsommertages vermissten wir nach betreten des Spielzeltes die Klimaanlage. Die Vorstellung beginnt mit der Darstellung von „einhundert und sechs Jahren Circus Krone“ per schwarz-weiß Fotos und dem zugehörigen Kommentar von CD. In dem zu Beginn nicht abgedunkelten Zelt konnte man die zahlreichen Bilder auf der kleinen Leinwand über der Showtreppe oftmals nur erahnen. Das Ganze erinnert ein wenig an einen Diaabend längst vergangener Zeiten. Weißclown Yann Rossi tritt vor den Vorhang und schreitet auf seinem Saxophon spielend zur Manegenmitte.Das bei Krone übliche Charivari nimmt seinen gewohnten Verlauf. Das Ballet tanzt, die Artisten begleitend die Showtreppe hinab und mehr als fünfzig Personen versammeln sich im roten Ring. Yann Rossi trägt die traditionelle Begrüssungsformel des Hauses vor, in der eine Circusshow „in der Manege, auf der Bühne und in der Luft“ avisiert wird. Die zweifache russische Schaukel der Truppe Dalian ist bereits vor Beginn des Openings am vorderen Manegenrand installiert, so dass die zehn Artisten gleich mit ihrer Nummer starten. Diese Darbietung wurde nach den Vorstellungen des Hauses Krone aufgebaut. Nachdem die ersten Sprünge auf einem Kissen gelandet wurden, erfolgen die weiteren in ein Sprungtuch, dass am hinteren Rand der Manege bis unters Zeltdach gespannt ist. So wirkt diese Darbietung weniger elegant und spektakulär als die diverser osteuropäischer Truppen, die ihre Sprünge von Schaukel zu Schaukel ausführen. Höhepunkt ist der Flug durch einen großen Feuerreifen, der in einigen Metern Höhe über der Manege hängt. Mit einem orientalischen Umzug leitet das Ballett die Elefantendressur im Bollywood-Stil ein. Vier indische, mit Figurantinnen beritten, und zwei afrikanische Elefanten, alle mit aufwändigem Kopfputz dekoriert, werden von Jana Mandana und James Puydebois präsentiert. Mehr Tempo entwickelt die Ikarier-Darbietung der Anastasini Brothers. Vollkommen sicher werden Salti und Pirouetten ausgeführt und auch die Landungen Fuß auf Fuß bereiten den beiden jungen Männern, Obermann Fabio ist dreizehn und Fänger Guiliano einundzwanzig Jahre alt, keine Probleme. Les Rossyann, hervorragende Musikal-Clowns und in Monte Carlo mit einem bronzenen Clown ausgezeichnet, sorgen in dieser Spielzeit für Entree und Reprisen. Zunächst, beim Abbau der russischen Schaukeln, „hilft“ Hector - Maurin Rossi - auf seinen Fingerpfeifen spielend kräftig mit. Das Entree zeigt die hohe Musikalität und den feinen Humor der Brüder. Xylophon-Duett, „musikalisches Jackett“, Konzert auf Blasebälgen und virtuoses beherrschen der verschiedenen Blechblasinstrumente sind die herausragenden Eckpunkte des Auftritts. Ihr Spiel auf dem Akkordeon überbrückt den Netzaufbau des Flugtrapez. Im zweiten Teil sind sie nur mit ihrer Jonglage von spitzen Hüten zu sehen. Leider fällt dieser Auftritt den Verhältnissen im Krone-Chapiteau zum Opfer. Bedingt durch den Käfigabbau müssen die beiden im Eingangsbereich arbeiten und sind somit nur für einen kleinen Teil der Zuschauer präsent. Das vierzehn Tänzer/Innen zählende Krone-Ballett leitet mit seinem zweiten und gleichzeitig letzten großen Auftritt die Pferdedarbietungen ein. Zu Tangoklängen nutzen die Tänzer und Tänzerinnen den Raum auf der Bühne und in der Manege. Auf einem Schimmel reitet Jana Mandana eine ansprechende Hohe Schule. Ihre Aktionen werden von sechs Tänzerinnen in der Manege begleitet. Nach einer weiteren Ballett-Passage, sie verschafft Jana Mandana die Zeit ihr Reitkostüm gegen ein Flamencokleid zu tauschen, präsentiert sie einen Zwölfer-Zug Freiheitspferde, die vom Circo Americano stammen. Verwunderlich ist es schon, dass der Circus mit dem größten eigenen Pferdebestand in Europa, nach eigenen Angaben über sechzig Hengste, auf eine externe Dressurgruppe zurückgreift. Gebrochen hat man mit der lange gepflegten Tradition des Hauses, die Pferdefreiheit als Pausennummer zu präsentieren. Den ersten Programmteil beschließen die Flying Zuniga am Flugtrapez. Ihr Luftapparat ist in Längsrichtung über der Manege installiert. Zahlreiche verschiedene Sprünge werden von der Truppe elegant geboten. Selten zu sehen, dass die Passage von zwei Frauen ausgeführt wird. Mit einem sicher gefangenen dreifachen Salto findet diese Darbietung ihren Abschluss. Dieser erste Programmteil ist im typischen, seit vielen Jahren unveränderten Präsentationsstil des Hauses Krone gehalten. Die Begleitmusik, sie ähnelt in Teilen klassischem „Kaufhaus-Beschallungs-Sound“, kommt nach wie vor von CD. Ihre Einspielung erfolgt viel zu leise, so dass viele Nebengeräusche, z. B. metallisches klappern unter dem Gradin - Vorbereitungen hinter der Gardine - Geräusche außen neben dem Zelt, deutlich hörbar die Musik überlagern. Auswahl und Arrangement der Musikstücke haben oftmals wenig Bezug zum Manegengeschehen. Die Ikarier und das Flugtrapez erhalten z. B durch die Musik überhaupt keine Unterstützung. Sprechstallmeister Nicolai Tovarich tritt nicht mehr in Erscheinung. Seine Ansagen erfolgen aus dem Off. Leider lässt die Tonanlage es nicht zu, dass man das gesprochene Wort im Gradin komplett verstehen kann. Von „Lichtdesign“ zu sprechen wäre vermessen, da man sich im wesentlichen darauf beschränkt die Spielfläche mit verschiedenfarbigen Scheinwerfern zu erhellen. Gemessen an dem, was andere führende Unternehmen, z. B. Roncalli, Charles Knie, Herman Renz oder Cirque d' Hiver Paris, lichttechnisch bieten, hat der Branchenführer einigen Nachholbedarf. Während man den ersten Programmteil als eine durchgängig gestaltete Show mit verbindenden Elementen zwischen den einzelnen Nummern erlebt hat, ändert sich dies im zweiten Teil. Dieser ist als Nummernprogramm angelegt. Wie seit Jahrzehnten eröffnet auch in der neuen Show die Raubtierdressur, nun in einem in der Piste versenkbaren Netzkäfig, den zweiten Teil. Sehr aufwändig gestaltet sich die Installation der Podeste und Gittermatte, die die Sprünge vorne oben an den Käfigrand ermöglichen. Für Effekte sorgen Dampfsäulen, die in regelmäßigen Abständen nahe den Masten empor steigen. Martin Lacey präsentiert in bekannter Manier seine Löwen. Er trägt nun ein Headset und man versucht seine Kommandos für alle hörbar zu übertragen. Die Nummer wirkt kürzer, wobei die Höhepunkte - Scheinangriffe, überspringen des niederknienden Dompteurs und kuscheln mit dem Löwenmann Kasanga - unverändert gezeigt werden. Nachdem Kasanga den Käfig verlassen hat, gibt Martin Lacey per Playback ein Statement zu seiner Arbeit mit den Raubtieren ab. Dann bemühen sich mehr als zwanzig Requisiteure die Requisiten zu entfernen, derweil auf der Minileinwand der bekannte Film über Laceys Traum um einen weißen Löwen zu erahnen ist. Anschließend kommt King Tonga zu seinem kurzen Auftritt auf der Spiegelkugel. Nachdem der Zentralkäfig entfernt ist, folgt eine weitere Dressurnummer. Zwei Figuranten in Giraffen- und Löwen-Plüschkostüm, die im Rahmen einer solchen Show deplatziert erscheinen, leiten die Exotendarbietung ein. Nun erscheint Colonel Joe im weiten Rund. Langsam und bedächtig dreht er eine Runde um die Manege um sich sodann auf die Hinterbeine zu erheben. Ohne jede Ankündigung, ohne Hinweis darauf, dass es sich um den größten Elefantenbullen in einem Circus handeln soll, wird der Auftritt sehr schlicht, ohne Verkauf, ohne Gestaltung absolviert. Jana Mandana folgt mit der Präsentation von vier Kamelen und vier Zebras, vier Lamas beschließem diese Szene. Es erscheint Nashorn Tsavo in Begleitung von Martin Lacey. Langsam, beinahe vor jeder Loge verharrend und die darin Sitzenden ganz genau beäugend, geht das Nashorn eine Runde entlang der Piste Dann besteigt es sein Podium, lässt sich kraulen und trottet wieder in Richtung seiner Behausung. Temporeicher läuft die Gruppenjonglage von Elena Drogaleva & Gentlemen ab. Vielfältige Muster und Pasings werden mit den Keulen schnell, elegant und absolut sicher geboten. Zwei erhöhte Plattformen ermöglichen die Arbeit auf mehreren Ebenen und geben der Nummer im Vergleich mit anderen Gruppenjonglagen zusätzlichen Drive. Als letzte Dressurnummer und unbestrittener Höhepunkt des Programms sind Petra und Roland Duss mit ihren vier Seelöwen und Terrier Max zu erleben. Tempo, Schwung, Originalität, Trickreichtum, Präzision, Ausstrahlung, Perfektion - diese Nummer bietet alles, was eine Spitzendarbietung ausmacht. Einzigartige Tricks, etwa der Ritt des Terriers auf einer Robbe - Kopfballspiel zweier Seelöwen miteinander, werden sicher vorgetragen. Die Nummer der Duss läuft zu ihrer schwungvollen original Musik und erstmals geht das Publikum mit, applaudiert lebhaft ohne das die Artisten dies einfordern müssen. Sechs Mitglieder der Truppe Dalian produzieren sich als Luftballett an Bungee-Bändern im UV-Licht. Sie agieren an einem sechseckigen Gestell, dass eine ganze Reihe Spots trägt, die permanent die Farbe wechseln. Dieser Auftritt lebt vom Schauwert der weiten, selten synchronen, Flüge und weniger von Tricks. In neonfarbenen Kostümen überbrücken je zwei Tänzerinnen und Tänzer den Aufbau zu Crazy Wilsons Riesenrad. Das Metallgestänge des Rades ist komplett, die Ausführung wirkt eher improvisiert, mit grellgrünem Leuchtschlauch versehen und in grellgelben Outfit absolviert der Artist seine Arbeit. Die Tricks sind nach wie vor spektakulär - Salto aus dem Rad, drei Salti auf der Außenbahn des rotierenden Rades - nur erfolgen die einzelnen Aktionen nun in größeren zeitlichen Abständen. Es ist eine starke Todesrad-Darbietung, jedoch hätte man sich von einer Finalnummer im „größten Circus Europas“ mehr Schwung und raumfüllendere Aktion erwartet. Das Finale sieht noch einmal alle Mitwirkenden in der Manege und verschafft dem Ballett nochmals einen großen Auftritt. Die bekannte Choreographie des Krone-Finales wurde mit Michael Jackson Songs und auch Musik der Beatles und Abba unterlegt und wird nun flotter präsentiert. Martin Lacey, Jana Mandana und Crazy Wilson sind bei der finalen Aufstellung auf dem kleinen Podium in der Manegenmitte postiert und Nicolai Tovarich spricht, auf der Bühne stehend, die klassische Krone Abschiedsformel, in der uns Christel Sembach-Krone einen angenehmen Heimweg und ein baldiges Wiedersehen wünschen lässt. Lässt man das Gebotene Revue passieren und vergegenwärtigt sich, dass man nicht irgendeinen Circus sondern den nach eigenen Aussagen „größten Circus Europas“ besuchte, will keine Begeisterung aufkommen. Krone offenbart in seiner aktuellen Produktion „Celebration“ Stärken und Schwächen. So steht den teils sehr guten Nummern die Art der Präsentation gegenüber, die in weiten Teilen nicht überzeugen kann. Der Satz vom neuen Wein in alten Schläuchen kommt in den Sinn und das es auch anders geht, davon legen andere europäische Spitzenunternehmen ein beredtes Zeugnis ab. |