Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS KRONE
Neuwied, 06. Juli 2013


www.circus-krone.com/de
„Europas größter Circus“ war nach fünf Jahren wieder in Neuwied zu Gast und präsentierte erstmals das aktuelle Programm „Celebration“ in der Mittelrhein-Region. Der große Festplatz bietet allen anderen Circussen reichlich Raum, nur die Dimensionen des materialmässig letzten „Großcircus“ Europas sprengen diesen Rahmen.
Ein Straßenabschnitt der das Gelände teilt, muss eigens für das Krone Gastspiel gesperrt werden und der separate Platzteil, der bei anderen Veranstaltungen als Parkplatz dient, nimmt nun die Wohnwagen der Mitarbeiter und Artisten auf. Doch damit nicht genug, der Großteil an Transportwagen und Aufliegern wird auf einem weiteren, einige Kilometer entfernt gelegenen Gelände abgestellt.
Mit  mehr als zweihundert Wohn-, Pack- und Gerätewagen, Tiergehegen für mehr als einhundert Tieren und dem vierundsechzig mal achtundvierzig Meter großen Chapiteau vermittelt Krone einen Eindruck davon, was noch vor wenigen Jahrzehnten unter dem Begriff „Großcircus“ zu verstehen war. Leider fand man, trotz der weitläufigen Fläche, keinen Raum, die in Europa einzigartige prachtvolle Eingangsfassade zu errichten. Der breite Eingangstunnel beginnt unmittelbar hinter den blau-weißen Zaunelement zwischen Kasse und Circus Café. Dieses verleiht mit seinem Schmuck und den zahlreichen Lichtelementen der schlichten Front ein wenig Glanz.
Durch den separaten Eingang der Tierschaukasse gelangt man direkt in den langgestreckten, lichtdurchfluteten Pferdestall. Mehr als vierzig Hengste haben in großen Boxen, die mit geringem Aufwand um einen gleichgroßen Außenbereich zu erweitern sind, ihr Zuhause. Eine mobile Pferdelaufanlage bietet jeweils vier Tieren zur gleichen Zeit Auslauf.
Nashorn Tsavo hat sein Gehege gleich neben dem Artisteneingang. Wagen, Zelt, Freigehege – selbständig kann der imposante Bulle jederzeit über seinen Aufenthaltsort entscheiden. Das Freigehege ist mit feinem Sand eingestreut und ein Sandhügel und viel frisches Grün bieten Betätigungsmöglichkeiten. Die baugleichen Ställe der Elefanten und Exoten wurden auf dem hinteren Bereich des Platzes errichtet und die jeweiligen Paddocks stehen den Tieren jederzeit zur Verfügung.
Gewaltige Ausmaße hat die Raubtieranlage von Martin Laceys Löwen, in der annähernd vierzig Löwen und Tiger beheimatet sind. Direkt hinter dem Chapiteau bilden drei große Raubtierwagen im Verbund mit mehreren weitläufigen Außengehegen den Komplex, in dem die aktuell in der Show auftretenden Löwen gemütlich in der Sonne dösen. Der Boden in den Gehegen ist dick eingestreut, Liegebretter in verschiedenen Höhen, Kratzbäume und Beschäftigungsmaterial stehen in großer Anzahl zur Verfügung und   Tarnnetze über den Gehegen spenden Schatten. Zwei weitere Wagen mit Freigehegen stehen einem Dutzend junger, etwa ein Jahr alter Löwen zur Verfügung. In einem weiteren Gehege tollen die sechs, im Laufe des Frühlings geborenen Löwenkinder umher. Komplettiert wird das Ensemble des Zoos von der Seelöwenanlage der Familie Duss. Den vier Robben stehen in ihrem Transportwagen ein mit Salzwasser gefülltes Bassin und im Freien ein Pool, der ca. einhunderttausend Liter Süßwasser enthält, zur Verfügung. Der hintere Teil des Wagens und eine großzügige Terrasse auf der gegenüber liegenden Seite des Beckens bieten viel Platz zum ruhen und sonnenbaden.

Im dritten Jahr ist man mit der Show „Celebration“, für die wiederum der US-amerikanische Altmeister Gene Reed als Choreograph und Regisseur gewonnen wurde, auf Tournee. Der seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts gepflegte revuehafte Präsentationsstil im Hause Krone wurde auch in der aktuellen Produktion beibehalten und mit dem großen, zwölf Tänzerinnen und drei Tänzer umfassenden, Ballett untermauert. Tierreiche Dressurnummern und große Artistentruppen füllen in Verbindung mit klassischer Clownerie die Manege des riesigen, heutzutage im Reisebetrieb nirgends mehr anzutreffenden, Chapiteau. Die musikalische Begleitung der Show erfolgt unverändert im Playback, wobei eigens produzierte - von Dieter Reith, den Münchner Philharmonikern und Guido Naus eingespielt - Arrangements erklingen. Den gelegentlichen Eindruck von „Kaufhaus-Beschallungsmusik“ kann dies nicht verhindern und Momente, in denen die Musik den Akrtisten „davon läuft“ sind unvermeidlich. Eine wirklich akzentuierte Begleitung und Unterstützung der auftretenden Artisten ist so nicht zu erreichen. Die Beleuchtungsanlage wurde um eine Laser-Show erweitert. Ein die Show in Szene setzendes Lichtdesign, wie es bei anderen führenden Unternehmen State of the Art ist, ist nicht zu erkennen. Man beschränkt sich in weiten Teilen darauf, das Geschehen mit buntem Licht gleichmäßig zu erhellen. Störend machen sich geöffnete Rondellleinwand  Notausgänge bemerkbar, da der Blick immer wieder ins helle Licht des Sommerabends abgelenkt wird. Da drängt sich schon die Frage auf, wozu die Chapiteau-Klimaanlage aufgebaut am Zelt steht, wenn man die „Temperatur-Regulierung“ in überkommener Weise vornimmt.

Auf eine große Leinwand über der Bühne werden Fotos aus einhundertacht Jahren Circus Krone projiziert und ein Sprecher skizziert dazu den Werdegang des Unternehmens von der „Menagerie Continental“ bis hin zum „größten Circus Europas“.
Weißclown Yann Rossi tritt vor den Vorhang und schreitet, auf seinem Saxophon „Somewhere over the Rainbow“ spielend, die Treppen der Bühne hinab zur Manegenmitte. Nun nimmt das große, im Circus Krone traditionell zu Programmbeginn gebotene,  Charivari mit Ballett und allen Artisten seinen Lauf. Weißclown Yann Rossi übernimmt die Begrüßung und verspricht viele Attraktionen „in der Manege, auf der Bühne und in der Luft“.
Den Schwung des Opening führen die Artisten der Truppe Dalian mit ihrer Darbietung an der doppelten Russischen Schaukel fort. In phantasievollen rot-gelben Kostümen setzen sie, Flammen gleich, vom vorderen Manegenrand zu ihren raumgreifenden Flügen an. Zunächst erfolgen die Landungen nach Saltos und Pirouetten auf einer Matte. Die zweite Serie der Sprünge erfolgt in ein aus der Kuppel herunter gespanntes Tuch. Mit dem Flug durch einen Feuerreifen in einigen Metern Höhe finden die Evolutionen ihren Höhepunkt. Im zweiten Programmteil zeigen sechs Truppenmitglieder ein Luftballett an Bungee-Bändern. Diese sind an einem großen metallenen Hexagon hoch unter der Kuppel angebracht: Im Schwarzlicht und mit Unterstützung der Laser-Show erfolgen die Flüge in der mystischen Stimmung wabernden Bühnennebels, mehr Schaueffekt denn Trickstärke bietend.

Klassische Clownerie par excellence bieten die Rossyann Clowns in Reprisen und Entrees. Sie sind nun zu dritt, da der jüngere Sohn von Maurin - alias Hector - Rossi gleichfalls in einigen Passagen involviert ist, zu erleben. Besonders ihre große Musikalität und das virtuose Beherrschen verschiedenartigster Instrumente begeistern stets aufs Neue und sind so andernorts nicht mehr zu erleben. Das Spiel auf Fingerpfeifen,das jonglieren von spitzen Hüten und eine musikalische Reise durch Paris auf dem Akkordeon sind die Reprisen, mit denen Umbauten überbrückt werden. Auch im großen Entrée steht die Musik im Vordergrund. Xylophone, Sopran- und Tenorsaxophon, Trompeten, Gitarre, Hupen und zwei Blasebälge kommen zum Einsatz und „Hector“ treibt mit feinem Humor seine Späße. Schön, dass es noch Clowns gibt, die mit eigenem Können den Auftritt gestalten und völlig auf die Belästigung von Zuschauern verzichten können.
Die Anastasini Brothers arbeiten ihre  tempogeladene Ikarier-Nummer im ersten Programmteil. Saltos und Pirouetten folgen in raschem Wechsel aufeinander und ein spektakulär dargebotenen Scheinsturz steigert die Spannung im Publikum. Mit einem Doppelsalto erreicht die Darbietung ihren Höhepunkt, ehe ein rasanter Wirbel vielfach hintereinander gesprungenen Saltos die Trickfolge beschließt.

Eine opulente Ballettszene stimmt mit einem groß angelegten „indischen Bild“ auf den Auftritt der Wappentiere des Hauses Krone ein. Die mit aufwändigem Kopfputz geschmückten und mit Figurantinnen berittenen vier asiatischen und zwei afrikanischen Elefanten werden von Jana Mandana und James Pudebois in den roten Ring gebracht. Die mächtigen Dickhäuten absolvieren eine umfangreiche und und tiergerechte Trickfolge, die in weiten Teilen aus Laufarbeit besteht. Ein flüssig, aus dem Lauf heraus gebotener Kopfstand und hochsitzen aller Elefanten auf Tonneaus, sind Höhepunkte des imposanten Auftritts.
Wenig später erleben wir die Juniorchefin ein weiteres Mal, nun mit den edlen Hengsten des Circus Krone. Auch diese Darbietungen werden vom Ballett begleitet. Ein Tango Argentino, getanzt auf der Bühne und in der Manege, bildet den stimmungsvollen Auftakt für die ansprechende Hohe Schule, die Jana Mandana auf einem goldfarben schimmernden Vollblüter reitet. Sechs Tänzerinnen begleiten die gekonnt und schwungvoll dargebotenen Lektionen und geben dem Auftritt einen eleganten Rahmen.
Nach einer weiteren Ballett-Sequenz, die der jungen Frau die Zeit verschafft den Reitdress gegen ein rotes Flamenco-Kleid zu tauschen, präsentiert sie die Freiheitspferde. Jeweils fünf Friesen und Cremellos arbeiten die ersten Touren, dabei in Fellfarbe und Geschirren ideal kontrastierend. Im zweiten Teil der Darbietung ersetzen sechs Cremellos die Friesen und weitere Lauffiguren erfolgen. Einige Da Capo Steiger runden die Darbietung effektvoll ab.
Die Flying Zuniga bieten vor der Pause hervorragende Luftakrobatik am fliegenden Trapez. Vier Flieger/Innen zeigen ein breites Spektrum der Tricks des Genres. Gestreckter Salto, Passage mit Salto über den Partner und Dreifacher mit verbundenen Augen sind die herausragenden Tricks der Nummer. Spektakuläre Abgänge der beiden Flieger sorgen für lautes „Ah“ und „Oh“ auf den Rängen.
Während der erste Programmteil als durchgehende Show in Szene gesetzt wird und es praktisch keinen Augenblick ohne Aktionen in der Manege gibt, ändert sich dies im zweiten Teil, der als Nummernprogramm ohne Überbrückung mehrerer Umbauten und ohne Auftritt des Balletts präsentiert wird.

Elf Löwen zeigt uns Martin Lacey jun. in gewohnt souveräner Manier, wobei die Netzkonstruktion des Käfigs bestmögliche Sicht auf das Geschehen ermöglicht. Nur zwei Tage nach einem kleinen operativen Eingriff stand der Dompteur bereits wieder in der Manege und ließ seine Löwen ihr umfangreiches Repertoire arbeiten. Routiniert und publikumswirksam läuft die attraktive Trickfolge ab. Während des Requisitenwechsels wird auf der Videowand der bekannte Film über „Laceys Traum“ um den weißen Löwen eingespielt, dann erscheint „King Tonga“ mit seinem Vorführer im Laser-Licht auf der Spiegelkugel. Das Publikum reagiert mit Faszination auf das Vertrauen zwischen Mensch und Tier und der große weiße Löwenmann schmiegt seinen Kopf immer wieder an die Brust des Dompteurs.
Blitzschnell entfernen knapp zwei Dutzend Requisiteure den Zentralkäfig, dann leiten zwei Figuranten in Giraffen- und Löwen-Plüschkostüm, die einem Comic entsprungen und im Rahmen einer solchen Show deplatziert erscheinen, die Exotendarbietung ein.
Jana Mandana präsentiert in einer „orientalischen Phantasie“ drei Kamele und vier Zebras interagierend im roten Ring, anschließend zeigen vier Lamas ihr Können als Barrierenspringer.
Kaum haben sie die Manege verlassen kommt Nashornbulle „Tasvo“ herein. In Begleitung von Martin Lacey jun. absolviert er gelassen und gemessenen Schrittes eine Runde, beäugt dabei die Logenbesucher genau. Nachdem er auf einem Podium in der Manegenmitte Streicheleinheiten erhielt, setzt sich das Nashorn in Trab und deutet so das Tempo, zu dem die Kolosse fähig sind, an.

„Elena Drogaleva & Gentlemen“ sorgen mit ihrer Tempojonglage noch einmal für großen Schwung. Vollkommen sicher und elegant absolvieren sie mit den Keulen vielfältige Pasings und Muster, ohne dass auch nur ein einziges Utensil zu Boden fällt. Zwei erhöhte Plattformen ermöglichen den vier Jongleuren die Arbeit auf mehreren Ebenen und geben der Nummer zusätzlichen Drive im Vergleich zu anderen Gruppenjonglagen.
Roland und Petra Duss sind mit ihren vier Seelöwen und dem Terrier Mailo als letzte Dressurdarbietung im Programm zu erleben. Tempo, Schwung, Originalität, Trickreichtum, Präzision, Ausstrahlung, Perfektion - diese Nummer bietet alles, was eine Spitzendarbietung ausmacht. Einzigartige Tricks - etwa der Ritt des Hundes auf einer Robbe, Kopfballspiel zweier Seelöwen miteinander, weiterreichen eines Balles über sämtliche Schnauzen und zurück -  werden perfekt geboten.

In neonfarbenen Kostümen leiten je zwei Tänzer/Innen zu Crazy Wilsons Todesrad-Darbietung über, die im Schwarzlicht zu dramatischen Klängen beginnt. Teile des  Requisits sind per blauem Leuchtschlauch illuminiert, allerdings wirkt die Installation mittels Kabelbinder improvisiert und wenig geeignet für eine große Show.
Im eleganten weißen Outfit absolviert der Artist seine Arbeit, die außer den üblichen Sprüngen im Kessel und Seillauf mit einigen hohen Absprüngen auf der Außenbahn nach wie vor spektakuläre Momente aufweist. Ein Salto außen vom Rad in die Manege sowie ein Salto außen auf dem Rad im Zenit der Umlaufbahn heben die Nummer aus der Masse des Genres hervor, allerdings sind die Pausen zwischen den einzelnen Aktionen inzwischen deutlich wahrnehmbar. Auch wenn diese Todesrad-Nummer spektakuläre Tricks bietet, erwartet man von einer Finalnummer im „größten Circus Europas“ mehr und raumfüllendere Action.

Das Finale folgt der bei Krone langjährig gepflegten Choreographie und ist gegenüber der vorherigen Produktion mit flotterer Musik unterlegt. Es verschafft dem Ballett nochmals einen großen Auftritt. Die Artisten kommen den langen Weg die Showtreppe hinab in die Manege und stellen sich zum abschließenden Kompliment auf. Jana Mandana nimmt, von zwei Tänzern flankiert, den zentralen Platz auf einem kleinen Podium in der Manegenmitte ein und Nicolai Tovarich spricht von der Bühne aus die klassische Krone Abschiedsformel, in der uns Christel Sembach-Krone einen angenehmen Heimweg und ein baldiges Wiedersehen wünschen lässt.
Nach eher kurzem und verhaltenem Schlussapplaus leeren sich Manege und Gradin recht schnell. „Celebration“ - die aktuelle Show des nach eigener Aussage  „größten Circus Europas“ offenbart Stärken und Schwächen. So steht den teils sehr guten Nummern eine Art der Präsentation gegenüber, die in weiten Teilen nicht überzeugen kann. Das Flair der siebziger und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts will nicht mehr so recht in die heutige Zeit passen. Wie man ein starkes klassisches Circusprogramm stimmungsvoll und geschickt präsentiert, kann man in vielen führenden europäischen Circussen täglich bewundern.
optimiert