Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS KRONE
Marburg, 04. Juni 2015
www.circus-krone.com/de
Mit der brandneuen Show „Evolution“ startet der Circus Krone in die Saisontournee 2015. Die Show zeigt sich gegenüber den Vorjahren, gemäß ihrem Motto frischer, stärker, temporeicher ohne dabei den für Krone seit Jahrzehnten typischen Programmstil aufzugeben.
Europas größter reisender Circus fand auf dem Festplatz in Marburg ausreichend Platz seine beeindruckten Dimensionen vor Augen zu führen. Das vierundsechzig mal achtundvierzig Meter große Chapiteau, Ställe und Freigehege für rund zweihundert Tiere und mehr als dreihundert Wohn-, Pack- und Gerätewagen sowie Zugmaschinen fesseln den Blick.
Leider fand man keinen Raum die einzigartige, prachtvolle Eingangsfassade zu errichten. So mündet der breite Eingangstunnel unspektakulär hinter einem blau-weißen Zaunelement zwischen Kasse und Café-Zelt. Drei Bürowagen komplettieren die Front. Der separate Eingang der Tierschaukasse lässt die Besucher unmittelbar zu den weitläufigen Tiergehegen gelangen. Die Raubtierwagen der umfangreichen Anlage von Martin Laceys Löwen sind zwischen den mit Liegeplätzen, Wasserbecken, „Spielzeugen“ und viel Grün üppig ausgestatteten Außengehegen fast nicht mehr zu sehen. Elefanten- und Exotenstall sind von gleicher Bauform und großzügige, strukturierte Außengehege stehen allen Bewohnern zur Verfügung. Im langgestreckten lichtdurchfluteten Pferdestall sind mehr als vierzig Hengste in großen, mühelos um einen Auslauf erweiterbaren Boxen untergebracht. Nashornbulle Tsavo kann wählen, ob er sich im Wagen, unter einem Zelt oder lieber im Freien aufhalten mag. Ein Sandhügel, frisches Grün und Scheuerhölzer bieten Betätigungsmöglichkeit. Die Seelöwenanlage der Familie Duss bietet den vier Robben mit zwei Pools, im Transportwagen Bassin mit Salzwasser und im Freien ein Becken mit einhunderttausend Litern Süßwasser, und sonnigen Liegeplätzen auf zwei Terrassen ein komfortables Dasein. Die Papageien-Volieren von Alessio Fochesato komplettieren die Menagerie.
Die Vielzahl der Krone Anhänger und Sattelauflieger steht in geordneter Formation auf dem Gelände, wobei nicht verborgen bleibt, dass die Holzschindeln so manchen Wagens dringenden Renovierungsbedarf signalisieren.
Für die neue Show konnte wiederum der US-amerikanische Altmeister Gene Reed als Regisseur und Choreograph gewonnen werden und die Kontinuität zu den vorangegangen Produktionen „Jubilee“ und „Celebration“ ist unübersehbar. Obwohl die Vorstellung – insbesondere im zweiten Teil – moderner und schwungvoller daher kommt, verzichtet man im Hause Krone weiterhin auf ein die Show in Szene setzendes Lichtdesign, wie es in anderen führenden Unternehmen seit langem Usus ist. Das durch die offenen Notausgänge und die hoch geöffnete Rondellleinwand herein strahlende Sonnenlicht beeinträchtigt die bescheidenen Lichteffekte zusätzlich.
Die musikalische Begleitung des Programms erfolgt unverändert im Playback und kann auch mit eigens eingespielten Arrangements den gelegentlichen Eindruck von Beliebigkeit nicht verhindern. Eine akzentuierte Begleitung ist mit den musikalischen Endlosschleifen nicht gegeben.
Eine zeitgemäße, die Show tragende visuelle und akustische Unterstützung der auftretenden Künstler unterbleibt größtenteils und die puristische Präsentation reduziert die Artisten auf sich selbst und ihre Leistung.
Vor Programmbeginn wärmen Fumagalli und Daris das Publikum mit einer Reprise an. Es gilt eine Flasche auf einem Holzstab eine Strecke weit zu balancieren, was Fumagalli solange perfekt vollführt, bis er seinen Schwindel aufdeckt.
Traditionell beginnen Krone-Programme mit einem großen Charivari. Das Ballett tanzt zu Michaels Jackson Songs und in entsprechenden Kostümen in die Manege und „Evolution“ knüpft damit nahtlos an „Celebration“ an, dessen Finale in gleicher Weise gestaltet war. In bekannter Weise führt die Parade der Artisten die Showtreppe hinab über die Bühne auf ein kleines Podium in der Manege und per Stimme aus dem Off werden die Artisten vorgestellt. Clown Tonito Alexis treibt erste Späße auf der Piste und die Truppe Khadgaa zeigt Ausschnitte ihrer Seilsprung-Nummer. Abendregisseur und Sprechstallmeister Nicolai Tovarich spricht die bestens bekannte Begrüßungsformel und verspricht viele Attraktionen „in der Manege, auf der Bühne und in der Luft“.
Roland und Petra Duss sind mit ihren vier Seelöwen und Terrier Mailo nun als erste zu erleben. Die spektakuläre Darbietung bietet mit Tempo, Originalität, Trickreichtum, Präzision, Ausstrahlung und Perfektion kurzum gesagt alles, was eine Spitzendarbietung ausmacht. Einzigartige, andernorts nicht zu sehende Tricks, wie der Ritt des Hundes auf einer Robbe, selbständiges Kopfballspiel zweier Robben miteinander, weiterreichen eines Balles über sämtliche Schnauzen und auch wieder zurück und fangen eines Balles und Stabes, die ein Seelöwe von seiner Schnauze gleiten lässt, durch zwei weitere Tiere werden perfekt ausgeführt.
Fumagalli und Daris erobern die Manege. Mit flotten Sprüchen, Klamauk und Kaskaden auf und über einem Tisch erobern die beiden Erzkomödianten die Herzen der Zuschauer im Sturm. Fumagalli entdeckt seine „Mama“ in einer Loge und stellt mehrfach fest, dass sie eine „schöne Frisur“ hat, nachdem er sie zerzaust hat.
Juniorchefin Jana Lacey-Krone und James Puydebois bringen die Wappentiere des Hauses in einem schwungvollen Elefantenballett in den roten Ring. Die Kostüme der Vorführer und der Kopfputz der mächtigen Dickhäuter – vier asiatische, mit Figurantinnen beritten und zwei afrikanische - sind harmonisch aufeinander abgestimmt. Die tiergerechte Trickfolge besteht in weiten Teilen aus Laufarbeit und wird flott dargeboten. Eine Tänzerin zeigt einen Spagat an Ringen, die ein Elefant hält. Jana Mandana lässt sich an einer Handschlaufe am Kopfputz eines Elefanten in einem Wirbel ausdrehen und ein Kopfstand eines Tieres rundet die Darbietung ab.
Die Truppe Khadgaa arbeitet eine eindrucksvolle Melange aus Kraftjonglage und Handvoltigen. Begleitet vom markanten Kehlkopfgesang eines Truppenmitgliedes werden in stetem Wechsel die Tricks der beiden Genres von den elf weiteren Mitwirkenden ausgeführt. Die Voltigeusen fliegen bis hinauf zum Vier-Mann-Hoch und wechseln sicher und elegant die Positionen auf den Händen der kraftvollen Porteure. Schwere Metallkugeln werden scheinbar ohne Anstrengung jongliert, gewaltige Hanteln mühelos umhergewirbelt – nachdrücklich demonstriert ein junger Koloss seine Kräfte. Schließlich hebt er nur mit seinen Zähnen eine Konstruktion, an der vier schwere Metallkugeln hängen und auf der die vier weiblichen Truppenmitglieder stehen. Auf den Körpern von zwei Untermännern, die rückwärts in der Brücke - nur mit Kopf und Füssen den Untergrund berührend – stehen, errichtet die Truppe abschließend eine hohe menschliche Pyramide.
Clown Tonito Alexis ist mit seinen vielseitigen Reprisen das verbindende Element zwischen den verschiedenen Darbietungen und verhindert „schwarze Löcher“ im Ablauf.
Gekonnt greift er mit seiner Version einer Kraftjonglage die vorangegangene Attraktion noch einmal auf. Er balanciert ein Tablett auf einer hohen Stange auf dem Kopf – bis einem Requisiteur ein Missgeschick passiert. Eine brennend verspeiste Kerze lässt plötzlich ihr Licht an seinem Hinterteil leuchten. Sein gekonnter Auftritt als Elvis Presley Double, Performance und Kostüm sind dem Original gut nachempfunden, reißt das Publikum mit. Schließlich sorgt er mit stimmungsvollem Trompetenspiel für einige verzauberte Momente während das Netz des Fliegenden Trapezes aufgebaut wird.
Einen großen zusammenhängenden Show-Block bilden die Pferdevorfühungen und in dessen Rahmen kommt das Ballett zu seinem einzigen Auftritt außerhalb Opening und Finale. Die Kostüme vermitteln ein Flair ungarischer Folklore, stellen Zigeuner und Husaren in den Mittelpunkt. Als Begleitmusiken wurden zum Thema passende Operettenmelodien, Radetzky- sowie Hoch- und Deutschmeistermarsch zu einem Medley vereint. Zunächst bewegen sich fünf weiße Araber frei und alleine im fahlblauen Licht in der Manege. Alsbald tritt Jana Lacey-Krone in den Ring und beginnt ihre neue Freiheitsdressur mit sechs goldfarben schimmernden Hengsten. Paralleles flechten zweier Gruppen und gegenläufiger Fächer sind Elemente der ruhig und sicher vorgetragenen Figuren. Mit sechs Cremellos wird die Freiheit zum veritablen Zwölfer-Zug ergänzt und schwungvolle Lauffiguren ausgeführt. Einige Da Capo Steiger und eine Kapriole runden die Vorführung ab. Nun kommen die fünfzehn Tänzerinnen und Tänzer, sowie Clara Puydebois mit Playback-Gesang zu ihrem großen Auftritt. In immer neuen Formationen tanzen die „Zigeuner“ in der Manege, schlagen Tamburins und imitieren Geigenspiel. Leider währt diese Ballettsequenz deutlich zu lang und findet, nach einem Kostümwechsel von acht Tänzerinnen, mit acht „Husaren“ auf der Bühne seine Fortsetzung. Schließlich reitet Jana Lacey-Krone Hohe Schule, während das Ballett in der Manege „exerziert“.
Auf einem gepimpten Bike kommt Crazy Wilson in die Manege und enthüllt mit Unterstützung von zwei Tänzerinnen das in Kuppel hängende riesige rote „Motorrad“. Mittels aufwändiger, hervorragender Verkleidung vermittelt das Todesrad die perfekte Illusion eines überdimensionalen Zweirades. Leider wird diese sogleich, ohne das Wilson das Gerät auch nur des Effektes wegen einmal bestiegen hätte, wieder zunichte gemacht. Die „Vorderrad-Verkleidung “ des großen Kessels muss entfernt werden, damit der Artist seine Tricks arbeiten kann. Die hochkarätige Trickfolge läuft in der bestens bekannten Weise ab und findet ihre Krönung in drei Saltos auf der Außenbahn des rotierenden Rades. Recht massiv fordert Wilson mehr Applaus ein, was angesichts des sich bereitwillig erhebenden Publikums deplatziert wirkt und die spontanen Standing Ovations abwertet.
Die neue große Löwengruppe von Martin Lacey jun. ist zur Zeit nicht im Programm des Circus Krone zu sehen, da Lacey auf Grund einer Schulteroperation nicht arbeiten kann.
Dem Circus Krone ist es allerdings gelungen für adäquaten Ersatz zu sorgen. Der argentinische Dompteur Bruno Mariano Raffo arbeitet mit Laceys alter Gruppe. Souverän und mit großer Manegenpräsenz lässt der erfahrene Tierlehrer die Tricks ausführen und auch der finale Sprung einer Löwin über den niederknienden Dompteur hinweg wird in perfekter Ausführung geboten.
Bedingt durch die Absenz von Martin Lacey pausiert derzeit auch Nashornbulle Tsavo. So werden denn nur die Exoten – zwei Kamele, vier Zebras und drei Lamas – die den Auftritt ansonsten einleiten, zwei Runden entlang der Piste geführt.
„Bienchen, Bienchen gib mir Honig“ - Fumagalli, Daris und Weißclown Tonito begeistern mit dem clownesken Klassiker ihr Publikum. Mit großer Spielfreude gehen sie zu Werke und reihen gekonnt in flottem Ablauf Gag an Gag.
Picasso jun. entert die Manege und erobert mit Können, Ausstrahlung und großer Präsenz die Herzen der Zuschauer im Sturm. Gebannt und verblüfft verfolgen sie seine Manipulationen mit Tischtennisbällen, von denen bis zu fünf nur mit dem Mund jongliert werden. Die Routinen mit den Tellern, die wie Ufos hoch in den weiten Raum fliegen und die Masten umkreisen, lassen das Publikum vor Begeisterung rasen.
Ruhiger, aber genauso gebannt genießt man direkt im Anschluss die anmutigen Flugeinlagen der prächtigen Aras von Alessio Fochesato. Die Tricks mit Zuschauerbeteiligung und die “akrobatischen“ Übungen der Vogel kommen ausgezeichnet an. Wunderbar die eleganten Flüge in einem derart großen Raum erleben zu können.
Die Flying Zuniga präsentieren ihre ausgezeichnete Darbietung am Fliegenden Trapez vor dem Finale. Vier Flieger/Innen präsentieren eine Vielzahl erstklassig ausgeführter Tricks, darunter ein Salto einer der Damen und die Passage. Michael beeindruckt mit einem gestreckten Doppelsalto und dem legendären Dreifachen, den er zudem mit verbundenen Augen ausführt. Spektakuläre Abgänge der beiden Flieger beenden den erstklassigen Auftritt in idealer Weise.
Das Krone-Finale hat seit vielen Jahren einen gleichen, unveränderten Ablauf und daran wurde auch in der aktuellen Show festgehalten. Das Ballett sorgt für den optischen Rahmen und die Artisten kommen nacheinander über die Showtreppe zu dem kleinen Podium in der Manegenmitte zu ihrem Kompliment, während eine Stimme vom Band sie mit Namen und unter Nennung des in Monte-Carlo erhaltenen Clowns vorstellt.
Ein goldener – Martin Laceys Clown wird derzeit nicht erwähnt, zehn silberne und zwei bronzene Clowns werden verkündet und verdeutlichen, dass hier fast ausschließlich in Monte-Carlo hoch dekorierte Darbietungen versammelt sind.
Schließlich nimmt Jana Lacey-Krone, von zwei Tänzern flankiert, den Platz auf dem zentralen Podest ein und Nicolai Tovarich sprich von der Bühne herab die geradezu klassische Krone-Abschiedsformel, in der uns Christel Sembach-Krone einen angenehmen Heimweg und ein baldiges Wiedersehen wünschen lässt. Mit Standing Ovations drücken die Besucher ihre Begeisterung aus und der tosende Applaus will fast kein Ende nehmen, ehe die große Schar der Mitwirkenden auf der Showtreppe die Schlussaufstellung einnehmen kann und die Show mit dem herabgleiten des blauen Vorhangs endet.
Circus Krone bietet in seinem aktuellen Programm „Evolution“ eine große Anzahl exzellenter Darbietungen, weitaus mehr Spitzennummern, als jeder andere Circus während einer Saison. Leider vermag die Präsentation nicht mit der Qualität des Gebotenen Schritt zu halten und so bleibt der neuen Show versagt, mit einem großen Wurf zu den führenden Unternehmen aufzuschließen. Mit Nachdruck unterstreicht der Circus-Gigant seine Vormachtstellung als größter Circus Europas in Bezug auf Materialvielfalt und Artistenaufgebot. Fazit: Krone bleibt Krone.