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Text  und Fotos Friedrich Klawiter
La Grande Fete Lilloise du Cirque
Lille, 29. Oktober 2011

www.lagrandefetelilloiseducirque.com
Fünfundzwanzig Jahre „La Grande Fête Lilloise du Cirque“, dass heißt  25 Jahre Spitzenprogramme, 25 Jahre klassischer Circus auf höchstem Niveau.  Hier ist der Name noch Programm, denn "la Grande Fête" heißt übersetzt das große Fest und hier wird der Circus noch gefeiert. In diesem Jahr, zu diesem klassischen Jubiläum sogar mit einem eigens konstruiertem Zeltpalast. Herz und Motor dieses Circusfestes ist seit 1997 Thierry Fééry.
Im Herzen der dreihunderttausend Einwohner zählenden Stadt Lille ist der Circus auf dem geräumigen Champs du Mars beheimatet.
Das neue, nun eigene Chapiteau weist eine außergewöhnliche Konstruktion auf. An zwei gewaltigen Gitterrohrbögen wird das Chapiteau "aufgehangen, so dass im Inneren keine Sichtbehinderungen durch Masten etc. erfolgen.

Das weiße Rundkuppelzelt mit den attraktiven blauen Applikationen hat einen Durchmesser von siebenundvierzig Metern Ein großes Vorzelt, dessen zwei Masten mit einem hohen Gitterrohrbogen verbunden sind, ist dem Chapiteau vorangestellt und mittels zweier Tunnels mit diesem Zelte verbunden. Fünf Fahnen, mit dem aktuellen Plakatmotiv bedruckt, sorgen für frische Farbtupfer in der Front. Zwei große Container nehmen Büro und Kasse auf.
Die Fahrzeuge der Artisten und Mitarbeiter sowie die Ställe der Circustiere sind um das Zelt platziert. Links neben dem Vorzelt wurde der große Paddock für die vier Casselly-Elefanten abgesteckt und die Dickhäuter sind für alle Besucher bestens sichtbar. Hinter dem Chapiteau steht den Hunden von Wolfgang Lauenburger ein geräumiges Gehege zur Verfügung, gleich daneben sind die Pferde der Richter-Truppe zu finden. Die Löwen und Tiger von Redi Montico bewohnen zwei große Käfigwagen, denen ein großzügiges Freigehege vorgebaut wurde.
Ein modernes  blaues Schalensitzgradin bietet zweitausenfünfhundertfünfzig Besuchern Platz. Die Logenreihen, auf Boxen wird verzichtet, sind gleichfalls mit Schalensitzen bestückt, steigen an und sind durch einen Gang vom weiteren Gradin getrennt. Auf dem hohen, aus blauem Samt gefertigten, Artisteneingang hat das Orchester seinen Platz. Die acht Musiker und Maestro Kristof Majewski begleiten das gesamte Programm mit ihrem ausgezeichneten Sound. Impresario Thierry Fééry legt größten Wert auf erstklassige Live-Musik Unterstützung des Programms. Einzig die Truppe Hebei, deren Originalmusik mit vielerlei Effekten Teil ihrer Choreographie ist, darf auf CD-Sound zurückgreifen.
Die modernst bestückte Beleuchtungsanlage schwebt an einem Ring aus Gitterrohrträgern hoch über der Manege und mit beeindrucktem Design wird das Programm perfekt in Szene gesetzt.

Im vollbesetzten Zelt intoniert das Orchester die in französischen Circussen sehr beliebte Melodie „Vive le Cirque“ und über die Treppenabgänge kommen die Artisten in die Manege. Totti Alexis begrüßt kurz das Publikum und fordert es auf mit „Thierry, Thierry“ Rufen den Direktor in die Manege „zaubern“. Derart charmant gebeten, kommt er der Aufforderung gerne nach und bedankt sich beim Publikum für die Treue in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren. Im weiteren Verlauf der Show übernimmt er eloquent und versiert die Rolle des „Monsieur Loyal“.
Die fünf Mitglieder der Truppe Kubaev entfachen auf dem Fast Track einen rasanten Wirbel und sorgen für einen schwungvollen Einstieg ins Programm. Unterstützt von sechs Tänzerinnen präsentieren sie vielfältige Salti und Pirouetten auf der Trampolinbahn.
Ein einzigartiges Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier präsentiert Aydin Israfilov. Der Artist verbringt die gesamte Dauer des Auftritts auf einem Einrad und jongliert im Zusammenspiel mit einem Rhesusaffen. Dieser entsteigt einem Rollkoffer und mit akrobatischem Geschick turnt er auf die Schultern seines Partners. Er fängt zugeworfene Bälle und wirft sie genau im richtigen Augenblick mit dem passenden Tempo zurück, greift Bälle aus dem Jonglagemuster heraus und fügt sie wieder ein. Seine Aktionen sind sehr zielgerichtet und perfekt in der Ausführung. Es scheint, als würde er aus eigenem Antrieb mit dem Menschen „zusammenspielen“ zumal keine großen Aufforderungen zum Trick an den Affen zu erkennen sind.
Fahrräder kennzeichnen auch die nächste Darbietung. Fünfzehn Mädchen der Hebei Acrobatik Troupe zeigen schier unglaubliche Leistungen in einer modernen schnellen Choreographie. Sprünge von Rad zu Rad im Zwei-Mann-Hoch, Salto von Rad zu Rad zum Drei-Mann-Hoch, Pyramiden auf einem und auf zwei parallel fahrenden Rädern sind Spitzenleistungen, die die Grenzen des körperlich Machbaren ausloten. Viele weitere Tricks komplettieren die Darbietung und mit besonderem Applaus wird die abschließende Fächer-Formation, von zwölf Artistinnen auf einem Fahrrad ausgeführt, bedacht.

Clown Totti beweist in seinen Reprisen Originalität und erfreut mit einem virtuosen Spiel auf der Trompete. Wortwitz kennzeichnet die Dialoge zwischen Monsieur Loyal Thierry Fééry und ihm und kommen beim Publikum hervorragend an. Auch die gemeinsame „Magic-Show“ der beiden, mit überraschendem Ausgang, findet großen Anklang.
Wolfgang Lauenburger lässt seine zehn Hunde mit ungeheurem Tempo und ebensolcher Präzision ihr umfangreiches Können vortragen. Eifrig sind sie bei der Sache, voller Spielfreude wirbeln sie umher. Großartig die Passagen, in denen ein ein munteres Shetland-Pony als Reittier das Spiel erweitert.
José Mitchell & Partner begeistern mit ihrem bestens bekannten Wasser-Entree das weite Rund.  Auf ihren Saxophonen „Somewhere over the Rainbow“ spielend kommen sie die Treppenaufgänge hinab und erobern die Manege. Nach ein wenig Vorgeplänkel beginnt das Spiel um „gratis essen und trinken, wenn der Ball im Trichter gefangen wird“. Nachdem beide Auguste vom Sprechstallmeister angeführt und nass gemacht wurden, steigert sich wiederum ihr Eifer den Weißclown zu übertölpeln. Immer eifriger und hektischer werden die Versuche, immer größer die Wassergefäße um endlich ans Ziel zu gelangen - der Ausgang dieses Klassikers ist bekannt. Mit stimmungsvollem gemeinsamen musizieren findet dieses Entree sein harmonisches Ende.
Spannung und Nervenkitzel sind die Attribute der Todesradarbeit des Duo Sifolini hoch unter der Circuskuppel. Mit Blindlauf und laufen im Handstand auf der Außenbahn und hohen Absprüngen werden attraktive Aktionen gezeigt und mit gutem Verkauf publikumswirksam umgesetzt.

Redi Montico und seine Raubkatzen eröffnen den zweiten Programmteil. Fünf Tiger und vier männliche Löwen bevölkern den Zentralkäfig. Betont ruhig der Vorführstil des Dompteurs, der mit sehr großer Distanz zu seinen Katzen agiert. Diverse Pyramiden und Hochsitzer sind die markanten Eckpfeiler dieser Dressurnummer.
Sensationell und einmalig ist die Kür des Duo Sorellas am Trapez. Die beiden lassen die Spannung im Zuschauerraum die Spannung im Zuschauerraum deutlich ansteigen. In großer Höhe arbeiten die Artisten ihre risikoreiche Darbietung in stakkadoartigem Tempo, von der Musik getrieben, ohne jede Sicherung in gewohnter Perfektion.
Die Stehendreiter der Florin Richter Truppe warten mit einem breiten Spektrum hochkarätiger Tricks der Jockey-Reiterei auf. Salti und Flicflac auf dem Pferd gehören genauso zum Repertoire wie die stehend gerittenen Runden mit zwei großen Fahnen in den Händen. Salto vom ersten zum zweiten Pferdepaar im Zwei-Mann-Hoch, sowie vom ersten zum dritten Gespann werden perfekt gestanden. Auch die weiteren Tricks erfolgen in einwandfreier Ausführung, erstaunlicherweise bleibt die Stimmung im Publikum zurückhaltend, will der Funke bei dieser flotten Darbietung nicht so recht überspringen.

Anders dagegen bei der nach einer Clownreprise folgenden Elefantendarbietung von "mogli", alias René Casselly jun. Laut Ankündigung z. Z. jüngster Elefantentrainer Europas, steht der Sohn von René und Alexia Casselly im Mittelpunkt der trickreichen Nummer, die alle Facetten der mit Elefanten möglichen Manegenarbeit zeigt. Zur Musik aus dem „Dschungelbuch“ rollt einer der vier afrikanischen Elefanten „Mogli“ aus einem Tuch. Laufarbeit und hochsitzen der Dickhäuter eröffnet den bunten Reigen. Auf einen Spagat zwischen zwei Elefantenköpfen, ohne Vorteil ausgeführt - es gibt keine Handschlaufe und die Elefanten halten sich nicht an den Rüsseln - folgt ein Handstand auf der Rüsselbrücke. Dem Handstand auf den Stoßzähnen des Bullen folgt ein Araber-Salto, der mit Unterstützung durch den Rüssel auf den Rücken des Elefanten führt. Salto von Elefant zu Elefant und der Lauf über die vier Elefantenrücken sind weitere Highlights. Schleuderbretttricks mit Elefanten sind heutzutage nur höchst selten zu sehen. Hier werden verschiedene Sprünge, einschließlich eines Doppelsaltos auf den Elefantenrücken geboten. Es ist eine schwungvolle Darbietung, die jugendlich frisch abläuft und Anfang kommenden Jahres beim Nachwuchswettbewerb „New Generation“ in Monte Carlo zu sehen sein wird.
Die Finalnummer der dreistündigen Show bestreitet die Truppe Pyongyang vom nordkoreanischen Staatscircus mit einer Luftsensation. Von der im Manegenhintergrund platzierten Russischen Schaukel werden die Flieger hoch und weit zu zwei auf hohen Stützen stehenden Fängern katapultiert. Ein nochmals erhöht stehender Fänger ermöglicht Handvoltigen zwischen diesen beiden Stationen und abschließend einen Flug von der Schaukel, über einen im Handstand von den beiden ersten Fängern gehalten Artisten hinweg, vierzehn Meter weit durchs Zelt. Die Darbietung der Koreaner ist eine grandiose Demonstration artistischer Leistungsfähigkeit.
Nachdem die Requisiten schnell entfernt wurden, versammeln sich mehr als fünfzig Artisten, Tierlehrer und Clowns zum großen Finale in der Manege. Vom Publikum werden sie mit minutenlangem rasenden Applaus gefeiert. Direktor und Motor dieser großartigen Show, Thierry Fééry bedankt sich für den Besuch und verspricht die Fortsetzung der großen Tradition erstklassigen Circus in Lille im  Herbst 2012. Der Monte-Carlo Marsch erklingt und allmählich leert sich die Manege.
„La Grande Fête Lilloise du Cirque“ bietet ein dreistündiges Programm von erlesener Güte. Ohne Übertreibung kann es als das leistungsstärkste Programm diesen Jahres genannt werden. Dies umso mehr, als hier nicht eine pure Hochleistungsshow geboten wird, sondern für die rund fünf Wochen währende Veranstaltung eine komplette Show - mit gut gestaltetem Ablauf, mit überzeugenden Übergängen zwischen den Nummern, mit hervorragendem Licht und Ton -  in einem stimmungsvollen Ambiente geschaffen wurde.
Glückwunsch zu diesem wundervollen Jubiläum.