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Text und Fotos Friedrich Klawiter
LA GRANDE FÊTE LILLOISE DU CIRQUE
Lille, 03. Oktober 2018

https://www.cirque-lille.fr
Die „32. Grande Fête Lilloise du Cirque“ veranstaltet Impresario Thierry Fééry in diesen Tagen. Traditionsgemäß findet diese Veranstaltung, die zu den größten Events der westeuropäischen Circuswelt zählt, alljährlich zwischen Mitte Oktober und Mitte November statt.
Auf dem angestammten Platz auf dem „Champs du Mars“ sind die imposanten weißen Zeltanlagen aufgebaut. Das mächtige Chapiteau mit den außenliegenden Mastbögen ist mittels eines Tunnels mit dem geräumigen Vorzelt verbunden. Zwei kleine Nebenzelte, in einem von ihnen hat der Kassencontainer seinen Platz, ergänzen das Arrangement. Ein dekorativer Zaun mit Lichterbögen bildet die Front. Hinter dem Zelt stehen in zwei langen Reihen die Wohncontainer in den Mitarbeiter und die meisten Artisten untergebracht sind. Eine handvoll Wohnwagen sowie die Tierstallungen der Familie Frank sind gleichfalls hier zu finden.
Das Vorzelt ist im Innern in rot gehalten. Teppichboden und Stoffverkleidung der Seitenwände leuchten einheitlich in diesem Farbton. Ein großer Barwagen und ein großer Kiosk fügen sich hervorragend in die Dekorationen ein.
Siebzehn Gradinreihen, mit Einzelklappsitzen bestückt, füllen das Spielzelt völlig aus. Die Sicht auf die Manege ist von allen Plätzen hervorragend, da keinerlei Masten vorhanden sind.
Auf dem hohen prächtigen Artisteneingang aus blauem Samt haben Orchesterleiter Kristof Majewski und seine acht Musiker ihren Platz. Der exquisite Klangkörper unterstützt die auftretenden Artisten erstklassig.
Ein eindrucksvolles Lichtdesign setzt die Show gekonnt in Szene.

Direktor Thierry Fééry lässt sich nicht nehmen sein Publikum auch in diesem Jahr wieder als eloquenter und charmanter „Monsieur Loyal“ zu begrüßen. Er wartet mit vielfältigen Informationen auf und stellt dem Publikum die auftretenden Artisten beredt vor. In der aktuellen Produktion wird auf Ballett, eine Compagnie oder ähnliche gestalterische Mittel verzichtet und die Show als traditionelles, straff ablaufendes Nummernprogramm präsentiert.
Die Teslenko Brothers sind mit ihrer schwungvollen Gruppenjonglage zu Programmbeginn zu erleben. Ringe und Keulen sind die Requisiten, die von den fünf ArtistenInnen in variantenreichen Abläufen virtuos gehandhabt werden.

Präsentierte der Veranstalter bisher in jedem Jahr stets eine Reihe erlesener Tier-Darbietungen hervorragender, namhafter und zumeist in Monte-Carlo ausgezeichneter Tierlehrer, verzichtete man aktuell erstmals völlig auf traditionelle circustypische Großtiere, wie Raubtiere, Elefanten Exoten oder eine Pferdefreiheit.
Stattdessen hatte man, wohl in erster Linie als Angebot an die sehr zahlreichen Kinder im Publikum, die Haustier-Revue der Familie Anton Frank im Programm. Elba Frank, Antons Tochter, und ihr Partner Ramon Maatz lassen die muntere Schar ihr erlerntes Können ausführen. Zwei riesige Ochsen, drei Schafe, ein Ziegenbock, zwei Hunde, ein Pony und eine Gans sind in den vielseitigen Ablauf integriert.
Im zweiten Programmteil präsentiert Ramon Maatz sechs dekorativ schwarz-weiß gescheckte Shetland-Ponys. Gekonnt werden die Figuren ausgeführt und ein Kruppensteiger sowie der Vorwärtssteiger eines der Pferdchen bilden den Höhepunkt des Auftritts.
Diana Vedyashkina bringt sechs Dackel in den roten Ring. Fröhlich und verspielt läuft die Darbietung ab, doch in der großen Manege wirken die kleine Hundchen ein wenig verloren. Die Auswahl der möglichen Tricks ist auf Grund des Körperbaus der Dackel begrenzt und beschränkt sich im Wesentlichen auf Lauffiguren um und über kleine Hindernisse.

Die sechsköpfige Truppe Muratov bietet in ihrer Dschigitenreiterei eine breite Auswahl der genretypischen Tricks. In den verschiedensten Positionen auf den Pferden verharrend wird die Manege umrundet. Der Manegengrund – Holzbühne mit Kokosteppich – bedingt leider einen weniger rasanten Ablauf der Darbietung. Mit einem Zwei-Mann-Hoch auf dem galoppierenden Pferd findet die Darbietung ihren Höhepunkt.
Komiker Gregory Bellini bedient, zumeist im Zusammenspiel mit Thierry Fééry, den clownesken Part des Programms. Zunächst dreht sich einem wortreichen Disput alles um die Frage „Haben Sie eine Eintrittskarte?“. In den folgenden Szenen möchte sich Bellini in bestens bekannter Manier als großer Magier präsentieren. Jedoch explodiert eine „Dynamit-Stange“ bevor er sich aus der Zauberkiste befreien kann. Die gleichzeitig erfolgende Wandlung eines weißen in ein rotes, sowie eines roten in ein weißes Tuch überzeugt den Herrn Direktor ebenfalls nicht wirklich, ganz im Gegensatz zum musizieren auf Hupen, Töpfen, Glocken und anderen skurrilen Gegenständen. Schließlich entpuppt sich der „unsichtbare Wechsel eines Ei auf einer Tischplatte von einem Zylinderhut unter einen anderen“ als höchst fauler Zauber.

Li Zhenyu bietet auf Handstäben, die auf einem höheren Piedestal montiert sind, seine Handstand-Equilibristik. Nach jedem Trick werden die Handstäbe mit eingesteckten Elementen um ca. einen halben Meter erhöht. Longengesichert arbeitet sich der Artist empor und schließlich sind es sieben Stabelemente, auf denen er Spagat, Handstand und Waage erstklassig ausführt. Abschließend setzt er die Konstruktion in Art eines schwankenden Mastes in Bewegung und drückt einen Handstand auf der Spitze.
Motorrad-Artist Kenny Thomas zeigt seine Geschicklichkeit auf einer Trial-Maschine zu Beginn des zweiten Teils. Er fährt auf der Piste, nur auf dem Hinterrad und vollführt halsbrecherische Stopps und Wendungen auf nur einem Rad. Er springt mit der Maschine über einen auf dem Boden liegenden Partner, der den Auftritt mit verschiedenen Break-Dancefiguren auflockert, hinweg. Schließlich wird ein kleiner Pkw, mit montierter Plattform auf dem Dach als Hindernis genutzt. Abschließend vollführt der Motorrad-Artist mit der Maschine einen Salto und landet sicher auf dem Autodach.

Die weiteren Darbietungen des Programms waren in den letzten Jahren schon einmal bei der Fête Lilloise zu erleben und sind auch hierzulande keine Unbekannten.
Die Diabolo Girls der „National Akrobatic Troupe of China“ bieten die zweite Gruppenjonglage dieser Veranstaltung. Zu acht bieten sie eine vielfältige Trickfolge und lassen die Diabolos immer wieder bis hoch in die Kuppel fliegen.
Das Trio Simet zeigt seine Darbietung der Show an einem außergewöhnlichen Requisit - dem Semaphor. Die Arbeit auf dem sich exzentrisch um eine Achse drehenden tropfenförmigen Rades ähnelt der auf dem Hochseil. Der im Weltraum-Look gestaltete Auftritt wird mit blauem sphärischen Licht ausgeleuchtet und mit ihren Bewegungsabläufen deuten die Akteure Schwerelosigkeit an.
Die Truppe Sokolov bietet den abschließenden Höhepunkt des Programms mit ihrer in Monte-Carlo mit einem „Goldenen Clown“ ausgezeichneten Schleuderbrettakrobatik.
Unverändert steht der Auftritt unter dem Motto „Mozart“ bieten die elf Mitglieder und Dimitri Sokolov in entsprechenden Kostümen und zu ebensolcher Musikbegleitung eine große Show. Top choreographiert wird die umfangreiche Trickfolge mit vielerlei Tanzsequenzen verbunden. Die Serie der hoch und weit, den gesamten Luftraum des Chapiteau nutzenden Sprünge werden auf einem Kissen, den Schultern der Untermänner, auf Stelzen und in einem Sessel gelandet. Mit einem spektakulären Trick erreicht die Darbietung ihren Höhepunkt. Auf einer von zwei Truppenmitgliedern gehaltenen Stange steht auf hohen Stelzen der Porteur, der seinerseits einen auf einer hohen Stange montierten Sessel hält. Scheinbar ohne jede Anstrengung gelingt der Sprung zur sicheren Landung in etwa fünf bis sechs Meter Höhe.
Nach deutlich weniger als zwei Stunden Circusprogramm, inklusive einer ausgedehnten Pause, nehmen die vierzig mitwirkenden Artisten ihre Formation zum großen Finale in der Manege ein und Impresario Thierry Fééry verabschiedet sein Publikum, das mit lebhaftem Beifall für das Gebotene dankt.