Text und Fotos Friedrich Klawiter                                                 
EUROPEAN CIRCUS FESTIVAL
Lüttich, 19. Dezember 2012

www.europeancircus.com
Zum zweiundzwanzigsten Mal lud Direktor Stefan Agnessen zum „European Circus Festival“ nach Lüttich ein. Im Herzen der wallonischen Metropole war der Circus prachtvoll am angestammten Platz im Parc d' Avroy aufgebaut.
Die bekannten gepflegten gelb-blauen Chapiteau-Anlagen und Wagen waren wie stets inmitten des tosenden Verkehrsstrom am Anfang des Parks installiert. Viel Tannengrün und Lichterketten sorgen in der Dämmerung des Wintertages für eine weihnachtlich-romantische Circusstimmung und mittels rotierender Scheinwerfer werden Sternenmuster in die umstehenden Bäume gezaubert.
Dicht stehen die zahlreichen Fahrzeuge um die Zelte gruppiert, haben Elefanten- und Pferdestall ihren Platz gefunden. Den Tigern steht in ihrem Freigehege ein Pool zur Verfügung.
Im Innern des Vorzeltes dominiert die Farbe rot. Die gestreifte Plane, der Teppichbelag des Bodens und auch die beiden Verkaufswagen sind in diesem Ton gehalten. Ein typischer Circus-Zaun umschließt den Bereich der gemütlichen Circusbar. Geschmückte Tannenbäume und ausgediente Raubtierpostamente sorgen für Atmosphäre.
Die sieben Musiker und Orchesterleiter Eduard Tyburski haben seit dem letzten Jahr ihren Platz über dem Artisteneingang und begleiten die Shows in bewährter Weise. Leider sind sie dem Blick der Zuschauer weitestgehend entzogen, da der große Namenszug direkt vor der Empore angebracht ist.

Der aus Frankreich angereiste „Monsieur Loyal“ Christophe Ivanes ist seit vielen Jahren Stimme und Gesicht des Festivals und führt auch in dieser Ausgabe in seiner unvergleichlichen und eleganten Art durch die Show.

Marylin Zinnecker und Kimberley Scholl starten die Spielfolge mit einer doppelten Hohen Schule. Gekonnt präsentieren die beiden jungen Frauen sich und ihre prächtigen Pferde. Sie zaubern harmonische Bilder in die Manege und mit einem Steiger unter dem Sattel quer durch die Manege beendet Kimberley Scholl den Auftritt.
Gentleman-Jongleur Freddy Kenton präsentiert sich im Stil der Belle Epoque. Mit federnder Eleganz werden Golfschläger und Bälle sowie Billardqueues und Kugeln  virtuos gehandhabt. Unterschiedliche Glasbalancen schließen sich an. So wird u. a. ein Turm aus Gläsern auf einer Kugel errichtet, die auf einem im Mund gehaltenen Geigenbogen ruht. Selbstverständlich spielt Kenton eine schwungvolle Melodie, indem er die dazu gehörige Geige an dem Bogen entlang führt. Abschließend trägt er einen hohen Glasturm auf der Spitze eines langen Schwertes, dass Spitze auf Spitze auf einem Munddolch ruht, über eine Leiter.
Les Shepperds sind als Vertreter klassischer Clownerie wieder einmal in Lüttich zu erleben. Im aktuellen Programm bringen sie ihre ureigene Version des Bienchen-Entrees. Die beiden Auguste begeistern mit ihrem turbulenten Spiel und Francescos Ehefrau Gina übernimmt souverän die Rolle des Weißclowns. Darüber hinaus gibt Gilberto Francesco in einem aufblasbaren Kostüm eine Elvis-Paradie im XXL-Format.

Ofelia Nistorov präsentiert charmant ihr Können mit den Hula Hoop Ringen. Die Genre üblichen Tricks erfolgen in raschem Ablauf. Optisch wird die Darbietung durch ihre Schwester Roby und Schwägerin Alina, die als Tänzerinnen in die Choreographie eingebunden sind, aufgewertet.
Im weiteren Programmverlauf sehen wir die gesamte Truppe mit ihrer bestens bekannten, hochklassigen Rollschuhartistik.
Die Nummern hoch unter der Chapiteaukuppel werden in dieser Spielzeit von zwei jungen Damen bestritten. Im ersten Programmteil ist es Nina Jarosch, die mit einer tempogeladenen und risikoreichen Kür am Schwungtrapez überzeugt. Vielfältige Abfaller, Pirouetten und Balancen werden longengesichert in vollem Schwung geboten. Mit einem kühnen Schwung wechselt die Artistin ihre Position und zeigt im zweiten Teil ihrer Evolutionen einen veritablen Deckenlauf. Auch diese Abläufe versteht Nina Jarosch perfekt zu gestalten. Zum Abschluß ihrer Evolutionen gleitet sie elegant zurück ans Trapez, um von dort in kühnem Sprung ein mehrere Meter entferntes Vertikalseil zu erreichen.
Im zweiten Teil sehen wir Nadja Scholl an den Strapatentüchern. Kraftvoll und mutig absolviert sie ihre Tricks. In hohem Tempo hochgezogen, begeistert die mit weiten Flügen durch die Kuppel. Einmalig ihr in hohem Tempo und weitem Schwung ausgeführter Abfaller aus der Kuppel bis beinahe zur Erde hinunter.

Die großen indischen Elefanten der Familie Scholl werden vom zahlreichen Publikum mit Begeisterung aufgenommen. Souverän erfolgt die Ausführung der zahlreichen attraktiven Tricks. Im Zusammenspiel mit ihrem Vorführer und den Figurantinnen bieten die beiden Dickhäuter eine Fülle attraktiver Abläufe, u. a. hochstehen auf der Hinterhand und Kopfstand.
Im zweiten Programmteil sind die Brüder René und Alfred Scholl mit ihrer schwungvollen Akrobatik auf dem Trampolin zu erleben. Nach einigen gemeinsamen Passagen auf dem federnden Untergrund, wird der weitere Verlauf der Nummer als „Wettbewerb“ um den besten Sprung gestaltet. Von „Monsieur Loyal“ erstklassig verkauft, steigern die beiden Artisten permanent die Schwierigkeitsgrade ihrer Sprünge. Schlussendlich erringt der zwölfjährige Alfred den Siegeslorbeer mit einem dreifachen Salto.
Markus Korittnig präsentiert seine drei Tiger nach der Pause in einer harmonischen Dressur, die eine Reihe der heutzutage gängigen Tricks beinhaltet. Pyramide, Balkenlauf, Sprünge, Hochsitzer, Teppich und Anderes wird schwungvoll und gekonnt im Zentralkäfig geboten.

Den Schlusspunkt dieses hochklassigen Circusprogramms setzt die Truppe Cretu am Schleuderbrett. Die neun Artisten/Innen bringen, begleitet von einer typischen eingängigen Folkloremelodie, zahlreiche Sprünge zu Gesicht. Vier-Mann-Hoch ohne Vorteil, Sprung in den Spagat und ein stangengestütztes Fünf-Mann-Hoch seien hier exemplarisch genannt.
Diese rasante Darbietung geht nahtlos ins Finale über. Diese versammelt noch einmal alle Mitwirkenden in der Manege. Von Christophe Ivanes werden sie wortgewaltig vorgestellt und nach einer kurzen Choreographie verabschieden Direktor Stefan Agnessen und sein Sohn Andrew das Publikum. Entlang des Gradins verlassen die Artisten, ins Publikum winkend, das Chapiteau in Richtung Vorzelt. Dort bilden sie traditionell ein Spalier und geben so den hinaus strömenden Besuchern Gelegenheit, sich mit ein paar persönlichen Worten für das Gebotene zu bedanken und zu verabschieden.
Wie in jedem Jahr bietet das European Circus Festival in Lüttich erstklassigen klassischen Circus in einem stilvollen Rahmen. Ein Besuch ist stets lohnend – da es hier beste Circusunterhaltung für die ganze Familie zu erleben gibt.
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