Text und Fotos Friedrich Klawiter |
Cirque Lydia Zavatta Ormesson, 28. September 2008 |
Fährt man auf der Autobahn von Tours zurück nach Deutschland, führt der Weg unweigerlich über Paris. Dort, in einer der südöstlich gelegenen Vorstädte, in Ormesson gastierte der Circus Lydia Zavatta. Angesichts des geringen Umweges, von der Autobahn waren es gerade mal acht Kilometer und dem Empfehlungen des ADAC, auf langen Fahrtstrecken auch mal eine Pause einzulegen, wurde ein Besuch des Circus unausweichlich. Die Familie Caplot ist in der vierten Saison Lizenznehmer des Namens Lydia Zavatta, einer Tochter des legendären Clowns Achille Zavatta. In diesem Jahr reist der Circus in Kooperation mit Toys-R-Us, die in Frankreich dreißigjähriges Jubiläum feiern. Aufgebaut hatte man auf dem Firmenparkplatz unmittelbar neben einem großen Kreisverkehr am Schnittpunkt wichtiger Verbindungsstraßen und Autobahnzubringer. Die umliegenden Gebiete waren intensiv plakatiert, und nach drei Wochen Standzeit wurde nun eine weitere Woche Verlängerung avisiert. Der Platz ist ziemlich beengt, sodass die zahlreichen Fahrzeuge das etwa 30 m Durchmesser messende, ziemlich neue moderne Chapiteau, mit sehr hoher Kuppel, eng umstehen. Auf den Aufbau eines Vorzeltes musste aus diesem Grund verzichtet werden. Das gesamte moderne in rot und gelb gehaltene Material macht einen äußerst gepflegten Eindruck. Beeindruckend einmal mehr die Wohnwagenzüge der Familie, die in dieser Form Größe und Ausstattung bei keinem deutschen Circus zu sehen sind. Die ca. vierzig Tiere des rollenden Zoos sind den ganzen Tag unentgeltlich zu besichtigen, auf einen Zaun ums Gelände wird verzichtet. Neben wenigen Pferden, den Kamelen Dromedaren Lamas einem Zebra und zwei Watussirindern verfügt der Circus über eine beachtliche Zahl Raubtiere. Drei Tiger, drei halbwüchsige Löwen und drei Löwenbabys tummeln sich außer den vier Löwen der Dressurgruppe in den beiden Käfigwagen. Der derzeitige Kassen- und Frontwagen sei nicht mehr angemessen, erklärt uns Direktor Adrien Caplot, im kommenden Jahr soll er durch einen Kassendurchgangswagen mit großer Front und wesentlich mehr Beleuchtung ersetzt werden. Trotz hochsommerlicher Temperaturen und strahlendem Sonnenschein sind Logen und Gradin fast komplett gefüllt, als die Vorstellung mit einiger Verspätung beginnt. Direktor Adrien Caplot begrüßt sein Publikum und vergisst nicht zu erwähnen, dass die soeben gehörte Musik die Erkennungsmelodie des Monte Carlo Circusfestival sei. Der Programmablauf folgt ganz der klassischen Circustradition und so startet man mit der Raubtiernummer. Juniorchef Steeve Caplot, er errang den Hauptpreis beim Circusfestival von Vaucouleur, arbeitet mit seinen vier Löwen äußerst routiniert, flott und trickreich. Zahlreiche Sprünge - u. a. über den Peitschenbogen und Feuerreifen - wechseln sich ab mit Pyramiden, Löwenbar, Scheinangriffen, abliegen und Hochsitzern am Gitter. Insgesamt eine harmonische ausgereifte Dressurleistung, die jedem Circusprogramm gut zu Gesicht stehen würde. Während des Käfigabbaus wird per Tonanlage eine Ansage von Sergio, aufgenommen beim Festival von Vaucouleur, eingespielt, in welcher er nicht nur die Leistungen des Dompteur hervorhebt, sondern auch auf Aspekte der Tierhaltung und der Arbeit mit Tieren im Circus eingeht. Die Partnerin von Steeve, Sharon, ist mit drei ausgezeichneten Auftritten in der Vorstellung vertreten. Zunächst arbeitet sie auf einem hohen Piedestal Handstand. Sie beginnt mit Klötzchenturm, lässt mannigfaltige Einarmer und Waagen folgen. Äußerst umfangreich ihre Evolutionen am Vertikalseil. Kaum ein Trick oder Pose, die sie an diesem Gerät nicht beherrscht und in Vollendung zeigt. Überhaupt sind ihre Auftritte gekennzeichnet von großem Können, Kraft, Eleganz und Ausstrahlung und damit einhergehend exzellenter Präsentation. Im zweiten Programmteil sehen wir sie an Tuchstrapaten im UV-Licht und auch diese Nummer steht den anderen nicht im geringsten nach. Überhaupt überzeugt das gesamte Programm durch einen überaus gelungenen Verkauf. Gutes Licht, erstklassig ausgesuchte Musik -sie kommt von einer guten Tonanlage- und stimmige Ansagen sorgen für ein harmonisches Ganzes in einem klassischen Nummernprogramm und sind so auch in vielen größeren Geschäften, die nicht nur auf wenige Familienmitglieder zurückgreifen können, leider nicht immer zu erleben. Die Comancheros präsentieren mit viel Wirbel ihre Westernshow. Direktor Caplot zeigt seine Künste mit den Peitschen. Sehr schnell und sicher zerfetzt er Zeitungen, löscht kleine Papierfackeln aus und schlägt einem rekrutierten Zuschauer ein Tuch zuerst von der Schulter, dann vom Kopf. Der zweite Sohn des Hauses, John, verblüfft zunächst mit blitzartig geschlungenen Knoten in einem Seil, anschließend folgen die üblichen Lassotricks. Vor der Pause präsentiert John Caplot einige Tierdressuren zusammengefasst in einem großen tableauartigen Bild. Seine Frau Leila, sie sahen wir in einem romantisch verspielten Auftritt gleich nach den Raubtieren am Ringtrapez, und seine Kinder umrahmen die Gesamtkomposition und sorgen in ihrer Zigeunerkostümierung für ein wenig Lagerfeuerathmosphäre. Zunächst reitet John kurz eine Hohe Schule. Ihr folgen als Exotenzug zwei Kamele, Lamas und ein Watussi. Das anschließende ‘groß und klein’ eines Friesen und farblich genau passenden Ponys wird, wie in jedem Circus, vom Publikum begeistert aufgenommen. Die Tiere aller Gruppen laufen ruhig und fehlerfrei ihre Figuren, sind gut ausgebildet und lassen keine Scheu erkennen. Sehr gut wirken die vier gescheckten Dromedare. Abschließend zeigen zwei weiße Araber ihr erlerntes Können, dass im Rückwärtssteiger gipfelt. In der Pause gibt es die Gelegenheit zu einem Foto mit einem der Löwenbabys, die von sehr vielen Besuchern wahrgenommen wird. So dauert es denn ein wenig länger, bis die Magic-Show von David den zweiten Teil eröffnen kann. Einige der gängigen Großillusionen werden charmant geboten. Die “deux Andreases” sind sehr junge Männer aus der Carniac-Familie. Flott und sicher jonglieren sie mit kleinen Bällen, Keulen und Ringen. Allerdings ist ihnen die hohe Konzentration, die sie für ihre Übungen aufbringen müssen, noch sehr deutlich ins Gesicht geschrieben und es fehlt ihnen noch etwas an spielerisch wirkenden Leichtigkeit. Höhepunkt und Schlussakt in jedem klassischen französischen Circusprogramm ist das große Entree der Clowns. Die drei Caploletti machen da keine Ausnahme. Sie zeigen den Boxautomaten in versiertem, flotten Spiel. Die Kinder kreischen vor Vergnügen und auch das erwachsene Publikum zeigt sich amüsiert. Ein kurzes Finale offenbart, dass nur acht Personen an der Gestaltung dieses sehr gelungenen und unterhaltsamen Circusprogramms beteiligt waren. |