Text und Fotos Friedrich Klawiter |
CIRCO ROYAL MARTINI Mailand, 27. November 2009 |
Der Circus von Romolo Martini hat sein Reisegebiet in Süditalien und ist nun erstmals in der nördlichen Metropole zu finden. Mitten in Mailand, am Rande eines riesigen aufgelassenen und weitgehend demontierten Güter- und Rangierbahnhofs, hier soll 2015 die Weltausstellung stattfinden, hat man Quartier bezogen. Am Rand abgestellte abgewrackte und 'graffitiverzierte' Bahnwaggons zeugen noch von der ursprünglichen Nutzung des wilden Geländes. Das umfangreiche Material eines großen Circus ist weitläufig verteilt. Zwei Auflieger, Kasse bzw. Toilettenwagen, mit Leuchtschriften auf dem Dach flankieren einen eleganten Edelstahl-Frontzaun. Hinter diesem erhebt sich ein, von drei hohen Masten getragenes großes Vordach. Dahinter stehen Restaurationszelt und ein großer hoher moderner Viermaster. Alle Böden, auch die Wege im Außenbereich sind mit blauem Teppich ausgelegt. Die Zelte wirken alle recht neu. Das gesamte Material ist bis in die Details in bemerkenswerter Konsequenz in den Hausfarben blau und gelb gehalten. Der umfangreiche Fuhrpark besteht zu großen Teilen aus modernen Sattelzügen. Zahlreiche große moderne Wohnwagenzüge sind auf der einen Platzseite aufgereiht. Umfangreiche Lichterketten, ausnahmslos mit gelben Glühbirnen bestückt, tauchen den Circus in der Dunkelheit in ein romantisches Licht. Die ansonsten wohl über Chapiteau oder Front angebrachte Leuchtschrift findet sich zwecks Neuinstallation derzeit neben dem Generatorwagen wieder. Zwei Minitraktoren auf deren Anhängern Tierfiguren montiert sind, stehen bereit ihre Runden durch die Stadt zu drehen und die Werbetrommel zu rühren. Plakate auf Platten, wie bei uns üblich, sind nur wenige zu sehen. Die meisten der auffällig in pink/gelb gehaltenen und mit interessanten Szenen gestalteten Plakate sind direkt auf die jeweiligen Flächen geklebt. Die Unterkünfte der zahlreichen Tiere verteilen sich großräumig auf der rechten Platzseite, hier ist der Untergrund nicht asphaltiert, zwischen Schächten der U-Bahn. In einem Raubtierwagen, mit größerem Außengehege, älterer Bauart ist neben drei normalfarbenen auch junger, noch nicht manegenreifer, weißer Tiger untergebracht. Direkt daneben steht ein großer Sattelzug mit beidseitigen, über die ganze Länge reichenden Auszügen. In ihm hat die Reptilienshow ihre Heimat und ist, genauso wie die übrige Menagerie, nur während den Vorstellungspausen für interessierte Besucher zugänglich. Den Kamelen und Exoten stehen neben ihren Einzelboxen Außengehege zur Verfügung. Ein kleines Flusspferd schlummert im Außenbereich seiner Unterkunft. Die ältere indische Elefantenkuh hat ihren Platz unter der Dachplane eines Einmasters und tiefer im schlecht zugänglichen Gelände ist der Pferdestall errichtet. Der Verkaufswagen, blauer Teppich auf dem Holzboden und einige wenige Sitzgelegenheiten sind die karge Einrichtung des ansonsten undekorierten und ein wenig trist wirkenden Vorzeltes. Ganz anders wieder das Innere des Chapiteaus. Eine riesige edle Gardine aus gelbem und blauem Stoff beherrscht den Raum. Piste und Logen sind gleichermaßen gestaltet. Die Logen tragen auf der Vorderseite elegante goldene Kronen als Ziermotiv. Selbstverständlich verfügt auch das Chapiteau über einen kompletten Holzboden. Die neun Reihen des Gradin sind mit gelben und blauen Schalensitzen ausgerüstet und während des Einlasses strahlt ausschließlich gelbes und blaues Licht aus der modernen, gut ausgestatteten Lichtanlage. Nur wenige Zuschauer finden sich an diesem trüben Freitagnachmittag ein und, wie anscheinend in Italien normal, kommt man ganz knapp vor bzw. auch nach der angekündigten Zeit des Vorstellungsbeginns. Hier startet das Programm einigermaßen unvermittelt und unkonventionell. Circus untypische harte Rockmusik tönt auf und William Cardinali, weiß geschminkt und mit Melone auf dem Kopf, agiert pantomimisch mit einem imaginären Hund. Dann füllt sich die Manege zur Eröffnungsparade mit annähernd dreißig Mitwirkenden. Spanisch anmutende moderne Musik dröhnt aus der sehr guten Anlage zur Begleitung von Denny Montico' s 'Hoher Schule' auf einem Schimmel. Seine Frau Loredana Zavatta ist als Tänzerin in den Auftritt involviert. Die Musik wechselt - die Gipsy-Kings geben Auszüge ihres Repertoires zum Besten - und nahtlos schließt sich die Pferdefreiheit an. Fünf braune extrem schlanke großrahmige Pferde laufen einige Figuren. Ihnen folgt als Da Capo-Steiger ein weißer Araber. Im zweiten Teil sehen wir Denny Montico ein zweites Mal als Vorführer des großen Exotentableaus. Zunächst laufen drei Kamele, sie tragen feine Schabracken, einige Figuren. Ihnen folgen nacheinander Zebra, afrikanischer Strauß sowie drei Dromedare, die allesamt nur kurz vorgezeigt werden. Die beiden Hochlandrinder werden etwas reißerisch als 'amerikanische Bisons' angepriesen. Höhepunkt des Tableaus ist die Vorführung des Elefanten. Die ältere Dame bietet nur noch wenige Tricks an. Vor dem absitzen auf einem Tonneau macht sie Anstalten auszumisten. Die schnell untergeschobene Schubkarre wird allerdings nicht gebraucht. Nach gut fünf Minuten ergebnisloser Wartezeit werden alle Aktionen beendet und der Elefant verschwindet in Richtung Stall ohne den Trick gezeigt zu haben. Rasant und gut verkauft, das Face-Change von Gerard. In großer Zahl und auch dicht vor den Besuchern, auf der Piste stehend, wechselt er die Masken vor seinem Gesicht. Im Folgenden wird eine actionreiche Hundenummer mit vielen genreüblichen Tricks von zwei Herren präsentiert. Eine junge Frau, leider war ihr Name von der Ansage aus dem Off nicht richtig zu verstehen, präsentiert eine ausgereifte Antipodendarbietung. Sie beginnt mit den üblichen Tricks mit Rollen. Dann folgen Abläufe in denen Hula Hoops als Requsit dienen. Daran schließt sich die Arbeit mit kleinen Teppichen an. Abschließend lässt sie sich nur in einem sehr weiten Gürtel hängend hoch in die Kuppel ziehen und jongliert dabei ihre vier Teppiche. Als „Kara“ wird Bruno Meggiolaro mit seiner Reptilienshow annonciert. Aufwändige und dekorative Requisiten gestalten die Manege und zusammen mit seinen beiden Assistentinnen fördert er Schlangen der verschiedensten Größen in großer Zahl zu Tage. Zwei Leguane werden ebenso in der Manege platziert und dann nimmt der Meister einen Schlangenhaken zur Hand um mit dem gehörigen dramatischen Gehabe eine Kobra zu dirigieren. Schließlich packt er sie mit einem schnellen Griff hinter dem Kopf, präsentiert sie hochgehalten den Zuschauern. Die abschließend zunächst auf der Hand präsentierte und dann mitten im Gesicht des Artisten platzierte Vogelspinne erzeugt nicht bei allen Zuschauern Entzücken. In einigen, recht unterschiedlichen Rollen sehen wir Willeam Cardinali in dieser Manege. Außer der Reprise zu Beginn agiert er im ersten Programmteil als versierter, variantenreicher Jongleur. Im komplett gelben Outfit, mit Frack und Hut, agiert er zu mitreißender Swingmusik mit kleinen Bällen. Nach ablegen des Fracks folgt im Al Capone-Stil der Part mit Keulen. Es folgen Tricks mit Fackeln und abschließend drei Zigarrenkistchen. Einzig die Frage, warum der Akteur sein Gesicht komplett froschgrün geschminkt trägt, findet keinerlei Erklärung. Nach der Pause präsentiert 'Mister Willeam' die drei Tiger. Ein reichhaltiges Repertoire der hauptsächlichen Tricks des Genres wird ruhig und souverän gezeigt. Sohn Manolito überbrückt mit einigen Reprisen, u. a. Popkorn und Stierkampf, Pausen. Das große Entree wird vor dem Finale geboten. Mit sehr viel Musik und Klamauk agieren Vater und Sohn als Auguste, während die Ehefrau den Part des Weißclowns übernimmt. Das Finale ist recht kurz gehalten. Die Mitwirkenden nehmen kurz Aufstellung in der Manege, ein kleiner Gruß ins Publikum und dann endet ein unterhaltsames, echtes und vielseitiges Circusprogramm, dass keine Wünsche offen lässt. |