Text und Fotos Friedrich Klawiter
Massimiliano Sblattero
Paderborn, 26. September 2014

„Meine Agentur ist für das tägliche Brot, aber mein Herz gehört dem
Circus“. Mit lebhafter Gestik vermittelt uns Massimiliano Sblattero sein Credo bei einem Kaffee in seinem gemütlichen Caravan.

Er entstammt einer italienischen Circusfamilie die seit vier Generationen reist. Der Großvater betrieb einen eigenen Circus – den Circo Sblattero. „Während des zweiten Weltkrieges wurde es immer schwieriger den Circus am Leben zu halten, denn da waren die deutschen Soldaten. Dann kamen die Amerikaner und Großvater dachte, dass es nun, da kriegerischen Handlungen bei uns vorüber waren, wieder aufwärts ginge. Doch die Amerikaner konfiszierten sein Chapiteau, da man immer mehr Platz für Verwundete brauchte. Aus unserem Chapiteau wurde ein Lazarett“.

Massimiliano Sblattero erlernte das Circushandwerk von der Pike auf. Er wuchs im Familienunternehmen auf und im Laufe der Zeit war er mit allen anfallenden Arbeiten betraut. Von Tierpflege über Zeltarbeiten bis zu Aufgaben im technischen Bereich reichte die Palette der Tätigkeiten. Selbstverständlich gehörten auch die Auftritte in der Manege zum Alltag und man konnte ihn in verschiedenen artistischen Genres erleben. Als Vorführer von Tierdressuren und als Clown war der junge Mann gleichfalls in der Manege präsent.
„Ganz wichtig und entscheidend für gute Clownerie ist das Timeing. Man muss der Pointe Raum geben, ihr Zeit lassen“, führt Sblattero aus. „In dieser Beziehung habe ich sehr sehr viel von meinen Cousins Giovanni und Darix Huesca gelernt. Sie beherrschen das komödiantische Spiel perfekt, da habe ich sehr von der Zusammenarbeit profitiert“.

Doch seine erste Wahl blieb immer die Arbeit auf dem Drahtseil. So ergab es sich, dass er mit seiner Darbietung auch außerhalb des Circus seiner Familie arbeitete.
Sein erstes Engagement in Deutschland hatte Massimiliano Sblattero 1992 im Hansa Theater in Hamburg. Viele weitere Stationen sollten folgen. So war der ansprechende Act u. a. bei den Circussen Giovanni Althoff und Sarrasani genauso zu erleben wie bei Arlette Gruss; Maximum in Schweden und Arnado in Norwegen sind weitere Stationen der Karriere. In 2009 war er während acht Monaten in den verschiedenen GOP Varietés zu sehen. Bei Alexandre Bouglione in Brüssel arbeitet er und auch FlicFlac, im Programm Virus in Karlsruhe und in Mainz, brachte den Drahtseilact auf die Bühne.

Obwohl er von Verletzungen stets verschont blieb, war er sich einerseits immer bewußt, dass die akrobatische Arbeit von körperlicher Fitness abhängt und somit altersbedingt „nicht ewig“ zu machen ist. Andererseits fand Sblattero von jeher großen Gefallen an Regiearbeit und so nutzte er die sich bietende Chance in diesem Metier. Eine große Show des Sheraton Hotels in Seoul war die erste Aufgabe, die den neuen Regisseur nach Korea reisen ließ. Er war verantwortlich für die Show „Bouglione on Ice“ 2010 in Paris; arbeitet im Apollo Theater und bei einer Ausgabe des Cirque du Demain in Paris sowie dem  Festival von Massy in den Jahren 2009 und 2010. Der Karlsruher Weihnachtscircus  war gleichermaßen ein Betätigungsfeld wie auch das Programm des Circus Universal Renz. Hier stand Massimiliano Sblattero 2011 noch einmal mit einer Dressurvorführung, den Kamelen und Lamas des Circus, in der Manege.

Die Frage nach dem „Traum-Engagement“, demjenigen an das er sich am liebsten erinnert, beantwortet der smarte Italiener diplomatisch: „Ein bisschen von meinem Herzen ist in jedem Circus geblieben. Ich hatte viele gute Engagements bei angenehmen Direktionen und mit netten Kollegen. Mein Traum hat sich nun hier bei Roncalli erfüllt. Ein wunderschöner Circus und ein phantastisches Ensemble, das beflügelt meine Kreativität noch mehr. Dazu kommt der Rückhalt und das Vertrauen der Direktion, die mich in meiner Arbeit bestärkt.“
Bisher hat Massimiliano Sblattero noch nie im Circus Krone gearbeitet, was er ein wenig bedauert. „Dort einmal zu arbeiten, Regie zu führen – einerlei ob im festen Haus oder auf Tournee – das stelle ich mir sehr reizvoll vor“.

Sehr gerne lebt und arbeitet Sblattero in Deutschland. „Hier ist das beste Publikum. Deutschland und die Schweiz haben das beste Circuspublikum. Die Zuschauer gehen mit, haben ihren Spaß am Gebotenen und zeigen dies auch gerne“.
Die Heimat Italien vermisst er nicht, jedoch den engen Kontakt zur Familie. „Ich lebe seit der Trennung von meiner langjährigen Partnerin seit Jahren alleine; habe keine eingene Familie, keine Kinder“. Seine Familie reist mit dem Circus Casartelli in Süd- und Osteuropa; so auch seine Schwester und die beiden Halbbrüder Steve und Ronni Bello mit ihrer Ikarier-Darbietung. Sein Bruder Alex Sblattero ist seit acht Jahren als Zeltmeister beim Cirque du Soleil tätig.


Seit sechs Jahren betreibt Massimiliano Sblattero seine internationale Artistenagentur. „Es ist ein gut gehendes Geschäft, mit dem ich mein tägliches Brot verdiene. Meine Liebe, mein ganzes Herz gehört jedoch der täglichen Arbeit in und an der Manege“.
Einmal einen eigenen Circus zu betreiben, das kann sich der erfahrene Circusmensch vorstellen. „Ganz klassisch mit vielen Tieren, mit Raubtieren und Elefanten – da müssen die Haltungsbedingungen natürlich stimmen. Einen eigenen Weihnachtscircus zu veranstalten kann ich mir vorstellen, ein solches Projekt ist zu stemmen und rechnet sich. Für einen Tourneebetrieb ist denn doch einiges mehr erforderlich, dass ist eine ganz andere Sache und die vielen Probleme, die dem Circus heutzutage gemacht werden, lassen den Versuch zu einem unwägbaren Risiko werden“.

Der eigene Circus ist zunächst ein Wunschtraum für die Zukunft. Zunächst einmal steht die Roncalli Tournee Salto-Vitale im Mittelpunkt seines Schaffens. „Es macht mir sehr viel Freude in diesem hervorragenden Team dabei zu sein und meine Ideen zu dem Erfolg beisteuern zu können. Ganz besonders möchte ich mich bei Patrick Philadelphia bedanken, der mich in der Vorbereitungszeit sehr unterstützt hat und mir das besondere Flair Roncallis vermittelte“.
Wir bedanken uns bei Massimiliano Sblattero für das ausführlich Gespräch.
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