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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE MEDRANO
Metz, 23. Februar 2024

https://cirque-medrano.com
Derzeit reist eine Einheit des Cirque Medrano von Raoul Gibault mit der Show „MYSTERIUM, le grimoire magique“ (Mysterium, das magische Zauberbuch) durch Frankreich. In der lothringischen Metropole Metz macht man für zehn Tage Station und gibt täglich zwei, an den Wochenenden täglich drei Vorstellungen.
Auf dem Circusplatz im Messegelände der Stadt springen die grellen Hausfarben des Circus, pink und gelb, die sich auf den Fahrzeugen und dem Vorzelt wiederfinden, gleich ins Auge. Der Kassenwagen mit der elegant geschwungenen weißen Front ist mit einem großen Button der eine Clownsfigur zeigt und dem Slogan „Medrano – Passion du Cirque“ gestaltet.
Als Spielstätte ist ein weißes Chapiteau mit blauem Dekor aufgebaut. Seine markante Silhouette wird von der langen und hoch aufragenden Kuppel und den turmartig aus der Zeltplane herausragenden Masten definiert.
Der umfangreiche Fuhrpark, ausnahmslos Sattelzüge mit zugehörigem großen Anhänger, ist rings um die Zelte abgestellt. Campings sind nur wenige vorhanden, da die meisten Artisten in den Abteilen der Mannschaftsunterkünfte untergebracht sind.
Rotes Tuch kleidet das ansonsten schmucklose Vorzelt im Innern aus und der große Verkaufswagen sowie einige Biertischgarnituren bilden seine Einrichtung.
Das Chapiteau bietet auf einem komfortablen Klappsitzgradin und gepolsterten Logenstühlen zahlreichen Zuschauern Platz.
Anstelle einer Manege ist eine Bühne vorhanden. Sie wird von einer erhöht angebrachten Metallplanke, deren Oberkante etwa in Augenhöhe der Logenbesucher liegt, in Art einer Piste umgeben. Eine zweite, kleinere runde Bühne füllt den Raum bis zum Artisteneingang. Dieser wird während des Einlasses mit einem schlichten Vorhang völlig den Blicken entzogen.
Die üppig bestückte Lichtanlage ist an vier Traversen zwischen den Masten installiert, jedoch werden ihre Möglichkeiten in der Show nur höchst selten abgerufen. Stattdessen setzt man auf ein überwiegend, offensichtlich möchte man so das magisch-mysterische der Show betonen, blaues Halbdunkel bei reichlichem Einsatz der Nebelmaschine.
Auch die musikalische Untermalung des Geschehens gestaltet sich eigenwillig. Bereits während des Einlasses wird ein recht monotoner Klangteppich ausgerollt und dieser Stil setzt sich während der gesamten Vorstellung fort, nur die Komiker arbeiten zu einer erkennbaren Melodie - „Mama Mia“ von ABBA.

Eine Stimme aus dem Off eröffnet die Vorstellung und der Vorhang vor dem Artisteneingang wird entfernt. Nun erblicken wir ein altes, plastisch ausgebildetes Burggemäuer, um das im magisch blau-grünen Licht der Nebel wabert. Das vierköpfige Ballett hat seinen ersten Auftritt und die beiden Komiker erscheinen auf der Szene. Sie versuchen einem kleinen Radio Töne zu entlocken und legen sich, als dies nicht gelingt, in der Manege zum Schlaf nieder. Hier endet der gestalterische Ansatz eine Story zu „Mysterium“ zu erzählen, die Vorstellung mit einem Thema in Szene zu setzen und wir erleben ein rein stringent ablaufendes Nummernprogramm in dem die Artisten keinerlei Unterstützung durch Licht und Musik erfahren. Diese arbeiten, bis auf zwei Ausnahmen, die Nummern nüchtern und schlicht ab. Es gibt keine Interaktion mit dem Publikum und Emotionen werden nicht geweckt, dementsprechend verhalten ist der Applaus.
Die Akteure der Show bleiben anonym, es gibt weder Ansage noch Programmheft oder Erwähnung auf digitalen Medien.
Drei Herren bieten zu Programmbeginn eine umfassende Trickfolge an Chinesischen Masten. Kraftvoll und gekonnt werden die vielseitigen Abläufe ausgeführt.
Die beiden Komiker sind einige Male zu erleben. Magie, Seil springen und Popcorn sind die Themen ihrer Reprisen.
Ein junger Mann arbeitet am Luftnetz. Einige risikoreiche Abfaller sorgen für den notwendigen Nervenkitzel in dieser elegant ausgeführten Kür.
Spektakuläre Sprünge auf der Slackline reihen sich zu einem fulminanten Ablauf auf dem in Art eines Schwungseils genutzten Requisit. Eine kraftvolle Handstandwaage ist eines der wenigen ruhigen Elemente in dem ansonsten von Pirouetten und Salto bestimmten Act. Der gleiche Artist bietet im zweiten Teil des Programms den stärksten Auftritt der Spielfolge auf dem Washington-Trapez. Der junge Mann arbeitet seine exzellenten Tricks in extremer Höhe. Leider findet sein trickstarker Auftritt  für die meisten Zuschauer kaum wahrnehmbar statt, da ihn die Quertraversen mit der Lichtanlage abschirmen. Der Luftartist nimmt ein Tuch mit dem Mund von der Trapezstange auf – sowohl vom ruhenden als auch vom weit schwingenden Gerät. Freier Sitz und Stand auf einem Klappstuhl, der mit zwei Beinen auf der Trapezstange steht, gehören gleichfalls zu seinem Repertoire.
Eine weitere Luftnummer sieht einen Artisten an den Strapaten arbeiten. Diese Darbietung wird ebenso wie der Auftritt von drei Herren an der koreanischen Wippe mit Unterstützung des Balletts geboten.

In der Pause wird ein kompletter Hochseil-Apparat aufgebaut und drei Artisten zeigen zuerst ein Zwei-Mann-Hoch und anschließend eine Dreier-Pyramide. Nun verlässt der dritte Mann das Seil und die beiden verbliebenen zeigen den Sprung – mitsamt riesiger Balancierstange in den Händen - über einen Partner, eine Einradfahrt und einen doppelten Kopfstand. Nachdem der Seilapparat wieder komplett abgebaut und entfernt ist folgt eine interessante Lightshow. Fünf Personen tanzen auf der Bühne und tragen dabei beleuchtete Masken und Anzüge, deren LEDs in mehreren Farben und wechselnden Mustern aufleuchten.
Ein Duo ist zwei Mal im Programm vertreten. Zunächst präsentieren sie ihr Können in einem Hand-auf-Hand Act. Im zweiten Programmteil folgt ihre Hauptnummer – eine Perche Darbietung. Beim Einsatz der sehr hohen Stirnperche macht sich auch wieder die Anordnung der Lichtanlage negativ bemerkbar. Der Gang über eine Leiter mit der Partnerin auf der Spitze einer Perche und das komplette ausdrehen selbiger an einer Gürtelperche sind die Höhepunkte des Auftritts.
Beide Programmteile münden in eine Magic Show von Joseph Popey. Im ersten Teil lässt er ein kleines Tischchen schweben und aus einer Flammenschale einen großen Blumenstrauß erscheinen. Vor dem Finale werden mit Hilfe zweier AssistentInnen einige Großillusionen geboten.
Zum Finale kommt das gesamte Ensemble auf die Bühne und nach der bei Medrano üblichen Choreographie nimmt man die Schlussaufstellung ein. Nun brandet erstmals Beifall auf und zeigt, das die Erwartungen eines Großteils der Besucher durchaus erfüllt wurden. Die Stimme aus dem Off verabschiedet das Publikum und genau so abrupt und unpersönlich wie sie begann endet die Show. Kaum haben die letzten der zahlreichen Besucher durch den zweiten Hauptzugang das Zelt verlassen, beginnt auf der anderen Seite der Einlass für die dritte Show des Tages.
Reduziert man das Gebotene rein auf die gezeigten Leistungen, hat man ein ordentliches, teils gutes Programm von beachtlichem Umfang gesehen. Für das komplette Erlebnis einer ansprechenden Circusvorstellung fehlt es allerdings an Ambiente, Atmosphäre und Präsentation.