Text  und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE MEDRANO
Sarreguemines, 22. Juli 2011

www.cirque-medrano.fr
Zum zweiten Mal in diesem Jahr war der Cirque Medrano von Raoul Gibauld in Lothringen unterwegs. Nun wurden, mit stark verändertem Programm kleinere Städte besucht. Während die allermeisten französischen Circusse in den Sommerferien die Urlaubsorte der viertausendsechshundertachtundsechzig Kilometer langen Küste unseres Nachbarlandes bereisen, geht Medrano einen anderen Weg. In schneller Folge wird in der Provinz gereist und den „Daheim-Gebliebenen“ eine Abwechslung geboten.
Überwiegend Eintagesplätze und einige Zweitages-Gastspiele, natürlich ohne Ausfaller und mit zwei Vorstellungen täglich, werden im Rahmen dieser Sommertournee absolviert. In Sarreguemines stand in diesem Jahr der Festplatz nicht zur Verfügung und so wich man auf das Gelände eines Supermarktes aus. Auf den Grünstreifen rings um dessen Parkplatz standen die Transporte abgestellt. Auf einer, von den heftigen Regenfällen der letzten Tage durchweichten, Wiese vor dem Parkplatz war das Chapiteau aufgebaut.
Das neueste der vier Chapiteaux des Cirque Medrano fanden wir hier vor. Der Viermaster mit länglicher Kuppel und acht Quaderpoles trägt ein ausgefallenes Design. In kräftigem gelb und lila ziehen sich  spiralförmig angeordnete Streifen von der Kuppel bis zur Erde. Vor dem Zelt steht der neue große Restaurations-Sattelzug im Freien. Die markante Kasse, ein kleines quadratisches Zeltdach über dem Eingang und ein Schiebeplanen-Auflieger bilden die Front des Unternehmens. Die hinter dem Chapiteau errichtete Menagerie zu besuchen war nicht möglich, da die Wiese von den Hubstaplern dort in eine Schlammwüste verwandelt worden war.

Auch der Weg von der Kasse bis ins Chapiteau erwies sich als schlammig und schwierig. Die beiden Vorstellungen sind in zeitlich sehr dichter Abfolge terminiert, so dass sich für die zweite Show bereits die Menge auf der matschigen Wiese versammelt, während die erste Show noch länger andauert. Bis die zahlreichen Zuschauer ihre Plätze eingenommen haben und die zweite Vorstellung beginnen kann, ist beinahe eine Stunde Verspätung erreicht.
Im Chapiteau ist ein zehnreihiges Gradin mit Einzelklappsitzen aufgebaut. Die Logen sind mit gepolsterten Metallklappstühlen ausgestattet. Ihre vorderen Begrenzungen wurden neu gestaltet, sie zeigen nun dutzendfach den Circusnamen. Der schlichte Artisteneingang und eine stark abgenutzte Piste vervollständigen die Zelteinrichtung. In der Manege wurde auf jedweden Einsatz von Sägespänen verzichtet, der feuchte, rutschige, unebene Untergrund blieb naturbelassen.

Der neue „Monsieur Loyal“ des Cirque Medrano, ein junger Mann namens Jerome, begrüßt die Gäste und sorgt im weiteren Verlauf des Abends mit seiner Moderation für die Verbindung der Programmpunkte.
Ein kleiner Zentralkäfig wird während des Einlasses in der Manege aufgebaut und Sarah Houcke präsentiert die fünf Tiger des Hauses. Sie ist die Nachfolgerin von Rita Labahn in dieser Manege. Eine Pyramide mit drei Tieren, Hochsitzer von vier Tigern, abliegen aller Tiere – schnell ist die Trickfolge aufgezählt. Ein Vorwärtssteiger und ein „seillaufender“ Tiger komplettieren diese Darbietung.

Seit längerem gehört der chinesische Artist Wang Yang zum Medrano-Ensemble. Elegant und kraftvoll präsentiert er weite Flüge an den Strapaten. Einige Passagen der Darbietung erinnern an Abfolgen, wie man sie von Turnern an den Ringen kennt.
Stephen Jahn leitet nun seine Jonglage mit einem kurzen Tanz-Intermezzo zusammen mit seiner Partnerin ein. Anschließend werden in gewohnter Weise Ringe, Fußbälle und Keulen jongliert. Routinen mit Fackeln beschließen den Auftritt.

Wortreich kündigt der Sprecher den folgenden tierischen Artisten namens „Baby“ an. Ein sehr junges Kamelbaby wird daraufhin von Sarah Houcke um die Manege geführt, bekommt sein „Milchfläschchen“ und darf anschließend wieder in Richtung Stall traben. Im Anschluss folgt die Freiheit der drei Kamele des Cirque Medrano. Bei dieser Dressurnummer haben alle Beteiligten ihre Probleme mit dem Untergrund. Die hohen Hacken der Vorführerin versinken im Boden und die Trampeltiere schlittern einige Mal heftig umher.
Die Vorführung der beiden indischen Elefanten des CircusMedrano obliegt nun gleichfalls  Sarah Houcke. Hochsitzen, Pyramide und verschiedene Lauffiguren gehören zum Repertoire. Beim Stand mit einem Vorderbein auf einem drehbaren kleinen Tonneau versinkt dieses unter dem Gewicht der Rüsseltiere langsam in der Wiese.
In einer weiteren Dressurnummer im ersten Programmteil präsentiert „Heidi“ ihre Bauernhoftiere. Conchi Munoz bringt in dieser Rolle zwei große hellbraun gescheckte Kühe, zwei Wollschweine, drei Gänse und als Da Capo einen Pony-Steiger in die Manege. Während sich die Schweine in dem Matsch sichtlich wohlfühlen, haben die Kühe so ihre Probleme. Vier Anläufe sind notwendig, bis die eine der Kühe zumindest mit den Vorderbeinen auf einem Podium stehenbleibt, da dieses unter ihrem Gewicht permanent tiefer in den Morast einsinkt.

Trio Luni nennt sich die Formation chinesischer Artisten die ihre Partnerakrobatik in der Medrano-Manege darbietet. Hebe- und Handstandtricks nach Art der Adagioartisten gehören genauso zu der knapp bemessenen Nummer, wie ein „Spitzentanz“ einer Artistin auf den Schultern des Untermannes.
In der einzigen Reprise des Abends, währenddessen wird das Fangnetz des Flugtrapezes aufgebaut, lässt Clown Jorge Alexis einen Wasserball von den Zuschauern durch den Raum kicken, nachdem die „Spielregeln“ im Vorfeld von ihm und Sprecher Jerome langatmig erklärt wurden.

Die vier Herren der Flying Reggio agieren mit viel südamerikanischer Lebensfreude und beherrschen ein umfassendes Repertoire verschiedener Sprünge. In der besuchten Vorstellung wollten der zweifache gestreckte und der dreifache Salto, dieser gar drei Mal, leider nicht gelingen.

Die beiden Tierdarbietungen des zweiten Teils laufen ohne Probleme ab, da beide auf dem Manegenteppich stattfinden. Da sind zunächst einmal Conchi und Garry Jahn mit ihren beiden Seelöwen. Routiniert folgen die Tricks aufeinander. Die beiden Robben „singen“ ins Mikrofon, spielen Frisbee, fangen Ringe und jonglieren Bälle. Abschließend zeigen sie beide einen Flossenstand.
Die zweite Tierdarbietung in diesem Programmteil sind Mikaels Fußballhunde. Mit großem Eifer und Spielfreude jagen die Boxerhunde hinter den Luftballons her. Natürlich gibt es in so einem heißen Match auch einmal eine Verletzung und der Gefoulte darf nach kurzer Behandlung den fälligen Elfmeter selbst zum Siegtor verwandeln.

Die Clownerie liegt in den bewährten Händen des Jorge Alexis Duo. Nach einiger einleitender Blödelei steht das Boxentree an. Die Auflösung der Situation erfolgt in klassischer Manier im gemeinsamen musizieren von August und Weißclown.
Seit einigen Saisons ist der „Globe of Speed“ der Diorios der finale Kick der Medrano-Programme. An jenem Abend glauben wir zwischenzeitlich nicht mehr daran, dass diese Darbietung stattfinden werde. Lange Zeit sah es nicht danach aus, dass es den Requisiteuren und männlichen Artisten gelingen würde den schweren Globe in die Manege zu rollen. Doch endlich konnte mit enormer Kraftanstrengung dem widrigen Untergrund getrotzt und das Requisit in Stellung gebracht werden. Es folgten drei schnelle kurze Fahrten, dann bemühen sich wieder alle den Globe hinter den Vorhang zu bugsieren.
Das Medrano-Finale beginnt stets mit einer Flaggenparade, es folgt die Vorstellung der Artisten, ein kurzer ballettartiger Tanz aller Mitwirkenden und der Schluss der Veranstaltung ist erreicht.
Für die zahlreichen Besucher des bestens besetzten Gradins beginnt nun die spannendste Phase des Circusbesuches - im Dunkeln einigermaßen sicher und sauber durch den tiefen Morast auf befestigten Untergrund zu gelangen. 
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