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Text und Fotos Friedrich Klawiter
18. FESTIVAL DU CIRQUE DE NAMUR
Namur, 28. Oktober 2023

www.festival-cirque-namur.com
Die aktuelle Edition des großen, von Impresario Emmanuel Horwood initiierten Circusfestivals in der wallonischen Universitätsstadt an der Maas glänzt erneut mit einem hochkarätigen Programm, dass sich am Dreiklang des traditionellen Circus orientiert.
Nachdem man im vergangenen Jahr auf einen anderen Platz ausweichen musste, konnte der Circus nun wieder auf den städtischen Circusplatz, die „Esplanade de la Citadelle“ zurückkehren. Auf dem exponiert und hoch über der Stadt gelegenen Gelände ist der Circus in großzügiger Formation aufgebaut.
Das technische Equipment wurde erneut vom schwedischen Cirkus Brazil Jack gestellt. Die Zeltanlagen zeigen ein leuchtendes rot-gelbes Streifendekor und hoch ragen die vier runden Stahlmasten über die lange Kuppel des Chapiteau empor. Zahlreiche Lichterketten schmücken die Zelte und im trüben Licht des regnerischen Herbsttages für eine romantische Stimmung.
Eine neue moderne breite Fassade schließt den Platz an der Frontseite ab. Gitterrohrträger bilden Rahmen um große Spannbänder, die mit dem Logo der Veranstaltung und Szenen aus vergangenen Shows bedruckt sind.
Auf der linken Seite des Platzes haben die Stallungen und Paddocks der Esel, Kamele und Hunde ihren Platz. Die gelb-roten Materialwagen und Zugmaschinen des Circus Brazil Jack und die Wohnwagen der Artisten nehmen den restlichen Raum ein
Das Innere der Zeltanlagen atmet sehr viel Atmosphäre. Der Boden des Vorzeltes ist mit rotem Teppich ausgelegt und großformatige Abbildungen früherer Artisten des Festivals schmücken die roten Zeltwände. Ein Tonnendach-Verkaufswagen nimmt eine Seite ein und gegenüber haben verschiedene Verkaufsstände und die Champagnerbar ihren Platz.
Heimelig und leicht nostalgisch wirkt das Spielzelt. Die runden Stahlmasten und die rote Gurtung auf der blauen Plane unterstreichen diesen Eindruck, der durch die im regelmäßigen Rund stehenden Sturmstangen verstärkt wird. Achtreihiges Schalensitzgradin, drei Reihen gepolsterter Logenstühle, ein dreigliedriger weinroter Artisteneingang mit einem Musikerpodium obenauf und eine Leuchtpiste bilden die Einrichtung.
Die Lichtanlage zeigt sich bestens bestückt und wird virtuos eingesetzt. Das sechsköpfige polnische Orchester und der Leitung von Artur Palusz begleitet die Show größtenteils mit seinem voll tönenden Sound life. In Szene gesetzt wurde die Show von Trolle Rhodin, der auch für das dynamische Lichdesign verantwortlich ist.

Impresario Emmanuel Horwood übernimmt auch in dieser Spielzeit wieder eloquent die Rolle des „Monsieur Loyal“, der bei seinem Festival die auftretenden Artisten vorstellt und es ausgezeichnet versteht dem Publikum allerlei interessante Informationen zu vermitteln.
Die „Dolly Power Dancers“, eine Formation junger ukrainischer Artisten, eröffnen die mitreißende Spielfolge mit einem temperamentvollen Charivari. In eine umfangreiche Choreographie sind zahlreiche Elemente aus verschiedenen akrobatischen Genres – u.a. Luft, Hand, Jonglage, Pyramidenbauer – eingebunden. Mit Verve agieren die acht ArtistenInnen und lassen die Show temporeich beginnen.
Den Schwung des Opening greift Rudy Althoff bei seiner Esel-Freiheit auf. Temperamentvoll und in Interaktion mit dem Publikum leitet der versierte Tierlehrer die sechs Grautiere zu ihren vielseitigen Lauffiguren an. Souverän erfolgt der Ablauf und die Esel zeigen sich von ihrer besten Seite und lassen die ihnen oft nachgesagte Sturheit völlig vergessen.

Im zweiten Teil des Programms präsentiert Rudy Althoff vier prächtige Kamele. In aller Gelassenheit absolvieren die Trampeltiere ihr umfangreiches Repertoire.
Als dritte tierische Darbietung wurde die turbulente Hunde Revue von Sandro Montez aufgeboten. Drei Border Collies und zwei kleine Hunde sind voller Eifer und Spielfreude dabei den Anweisungen ihres Tierlehrers nachzukommen. Sprungvermögen steht im Mittelpunkt des fröhlich und leicht daherkommenden Auftritts, dessen heimlicher Star der Kleinste in der Runde ist.

Seit etlichen Jahren fasziniert das Duo Monastyrsky mit seiner erstklassigen Quick Change Darbietung sein Publikum. Auch in diesem Rahmen sorgen die zahlreichen höchst flott ablaufenden Kostümwechsel für Verblüffung und Rätsel raten „wie das wohl geht“ auf den Rängen.
Michael Zorzan hat seine Diabolo Jonglage in eine ausführlich erzählte Geschichte gekleidet. Als verspäteter Flugpassagier stolpert er über einen Koffer, öffnet ihn kurzerhand und findet darin die Jonglier-Utensilien. Viele hochkarätige Muster werden mit einem und zwei Diabolos gekonnt geboten. Schließlich erfolgen Routinen mit drei, vier und gar fünf Diabolos, die zur gleichen Zeit hoch in die Kuppel fliegen und stets sicher gefangen werden.
Einen sehr stark poetisch inspirierten Auftritt bietet Vanessa Berousek. Zu dramatischen Klängen und im Rahmen einer ebenso ablaufenden Choreographie, die in weiten Passagen an Abläufe der rhythmischen Sportgymnastik erinnert, präsentiert sie ihre Jonglage mit bis zu fünf Gummibällen.

Vier Mitglieder der Truppe Gerling sind auf dem doppelten Todesrad zu erleben. Die rasanten Aktionen auf dem mächtigen Requisit wirken sehr spektakulär und lassen den zweiten Programmteil tempogeladen beginnen. Seil springen, Blindlauf und hohe Absprünge sind die wesentlichen Elemente auf den Außenbahnen, die mit weiteren Aktionen in den Kesseln im Wechsel erfolgen.
Klassische Clownerie, hervorragend dargeboten – das „José Mitchel Trio“ begeistert mit Spielfreude, großem komödiantischem Können und hoher Musikalität. Besondere Erwähnung verdient der elegante „Sac“ der Weißclownin. Zunächst sehen wir José Mitchel solo in zwei Reprisen. Er erobert das in der manege stehende Mikrofon und „singt“ mit sich selbst ein Duett, wobei ihm ein Wischmopp dabei hilft optisch der weiblichen Rolle zu entsprechen. Als Exhibitionist kündigt er die Pause an. Schließlich erleben wir das Trio im großen Entree, das die beiden Auguste – aus dem Gradin kommend – stimmungsvoll mit „somewhere over the rainbow“ auf ihren Saxophons beginnen. Die anschließende Wasserschlacht zieht die Zuschauer egal welchen Alters in ihren Bann. Mit Eifer, immer größer werdenden Wassergefäßen und beständig hektischer agierend sind die Auguste zugange und das Publikum fiebert kollektiv dem Moment entgegen in dem sich das Wasser über die Weißclownin ergießen wird.
Den akrobatisch stärksten Act des Programms bieten Ernesto und Isabela am „Russian Craddle“. Die beeindruckende Trickfolge wird in Perfektion ausgeführt und sämtliche Flüge, die vielerlei Saltos, Pirouetten und andere Figuren enthalten, führen allesamt sicher in die Hände des Porteurs zurück.
Die finale Darbietung sieht noch einmal die ukrainische Formation, nun als „White Angels“ avisiert, in Aktion. Mit einem stylischen Auftritt am Fast Track ziehen sie das Tempo der Show noch einmal an und bieten eine Reihe rasanter Sprungkombinationen. Höhepunkt der Nummer ist der Sprung durch einen Feuerreifen.
Im flott inszenierten Finale stellt Emmanuel Horwood seine Artisten noch einmal namentlich vor. Mit einer temperamentvollen Choreographie und sprühendem Feuerwerk klingt die Show aus und der Chef des Hauses verspricht eine Neuauflage der Veranstaltungsreihe im kommenden Jahr.