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Text und Fotos Friedrich Klawiter
4. Festival du Cirque de Namur 2008
Namur, 24. Oktober 2008


Zum vierten Mal öffnete sich der Vorhang zum "Festival du Cirque de Namur", lud Impressario Emanuelle Horwood ins Chapiteau des "Moscou Star Circus" der Familie Jarz. Wie in den Vorjahren stellte dieses Unternehmen die Infrastruktur für die Veranstaltungen, und sein Saisonprogramm bildet wiederum die Basis der Festivaldarbietungen. Umfangreiches Material ist auf dem geräumigen Platz in klassischer Anordnung arrangiert, Lichterketten am Chapiteau und an der Front leuchten in der Dämmerung.

Im ansprechend dekorierten Vorzelt wird die Restauration wieder von Mignon Bratuchin und Gilbert Cupial betreut. Gradin und Logen sind bestens besetzt, und Monsieur Horwood, er führt als Sprechstallmeister durch den Abend, eröffnet sein Festival. Wurden in den Vorjahren die Preisträger durch Publikumsvoting ermittelt, gibt es nun erstmals eine Jury. Sie setzt sich aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Namurs, Circusgala-Veranstaltern aus Frankreich und Elio Jarz zusammen und bestimmt die drei Träger der Hauptpreise. Die Abgabe der Stimmzettel entscheidet nun über den neu ausgelobten Publikumspreis. Entgegen der üblichen Praxis, Preisträger am Ende eines Festivals zu küren, entschied die Jury in Namur direkt nach der Premierenvorstellung, und die drei Platzierten kamen gleich im Anschluss ans Finale in den Besitz ihrer Trophäen. Nur der Publikumspreis wird nach der Schlussvorstellung überreicht.

Zunächst sehen wir Emiliano Jarz, der den Achterzug Schimmel des Hauses in gewohnt souveräner Manier präsentiert. Einige Da-Capo-Steiger beschließen die Darbietung. Seine beiden Töchter sind seit kurzem gleichfalls mit Pferden in der Manege zu sehen. Die zehnjährige Linda dirigiert sechs Ponys, und ihre achtjährige Schwester Valentina lässt ein Minipferd seine Figuren durch vier große Reifen laufen. Beide Mädchen arbeiten sehr konzentriert und selbständig, und es gibt fast keine sichtbaren Hilfen ihres Vaters. Sahen wir Stefania Jarz in der Vergangenheit mit Quick Change, Hula Hoop sowie Antipodenspielen, beweist sie ihre Vielseitigkeit und artistisches Können nun an den Strapaten. Auch in dieser Disziplin zeigt sie eine starke Leistung, eingebettet in eine durchdachte Choreographie.


Die Truppe Titan ist mit ihren drei Nummern präsent: So sehen wir zunächst ein Paar als Duo Jenney auf der Perche.  Spitzentrick ist  das Überqueren einer Leiter mit der Partnerin auf der Stirnperche. Mit einem anderen Truppenmitglied als Partner arbeitet die junge Frau an Strapatentüchern. Schließlich ist die gesamte fünfköpfige Truppe auf der Russischen Schaukel zu sehen. Diese Nummer, die mit hohen weiten Flügen aufwartet, wurde von der Jury mit dem dritten Preis belohnt. Erstmals wurde eine Raubtiernummer für dieses Festival verpflichtet. Die Tiger von Redi Christiani begeistern mit Pyramide, Sprüngen, Hochsitzern und anderen Tricks das Publikum, kommt man in Belgien doch nur selten in den Genuss, Raubtierdressuren zu sehen.


Auch die Familie Mruz ist dreimal präsent. Vater Robert ist der Clown Ronik. Mehrere Reprisen, eine davon mit Zuschauerbeteiligung, die anderen mit Sohn Alex als Gegenpart, werden charmant und ohne Längen gespielt. In hohem Tempo agiert Ehefrau Valentina am Schwungtrapez. Zahlreiche Abfaller und Schwünge in den Fersenhang sind charakteristisch für diesen hervorragenden, starken Auftritt. Ein weiteres Highlight im Programm setzt Alex Mruz auf der Rola. Bis zu acht aufeinander getürmte Rollen und Walzen, die Höhe der Säule entspricht beinahe seiner Körpergröße, verlangen ein außerordentliches Balance- und Gleichgewichtsgefühl. Für sein hervorragendes Können wurde ihm der zweite Preis zuerkannt. Nach Adriana im vergangenen Jahr, war nun ihr Vater Amedeo Folco mit seinen beiden Elefanten Schluss- und Höhepunkt der Show. Die beiden gewichtigen Damen arbeiten flüssig und großenteils selbständig, ihr Trainer begibt sich des Öfteren ins Publikum, eine umfangreiche Trickpalette. Der erste Preis war der verdiente Lohn für diesen Auftritt.

Nach einem kurzen Finale verbleiben die Artisten in der Manege, die Entscheidung der Jury abwartend, bereit zur Preisverleihung. Diese erfolgt dann auch sehr rasch. Einzig der erste Preis findet während der offiziellen Zeremonie keinen Abnehmer. Amedeo Folco, er versorgt während des Finales seine Tiere, ist bereits "in Zivil" und holt sich die Trophäe mit einiger Verspätung ab. Über die Jahre hat sich dieses Festival stetig entwickelt und seine Qualität gesteigert. Zudem hat man hier den Vorteil, in einem ‘richtigen kompletten Circus’ zu sein, dessen Atmosphäre viel zum gelungenen Erscheinungsbild beiträgt. Den Besuch dieses unterhaltsamen Festival-Circus kann man jedem Circusfreund nur wärmstens empfehlen.