Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE NICOLAS BOUGLIONE
Rocourt (Lüttich), 22. Februar 2025

www.nicolasbouglione.be
Französischer Esprit, Einsatzbereitschaft und handwerkliches Können gepaart mit Charme und Eleganz haben den Cirque Nicolas Bouglione von Beginn an zu einem besonderen Juwel in der Circuslandschaft gemacht, das vom Publikum begeistert angenommen und gefeiert wird und die gerade gestartete vierte Tournee erlebt einen immensen Besucherandrang.
Zur Saisonpremiere gastiert man, man kann schon sagen traditionell, in Rocourt, einem Vorort von Lüttich. Auf dem Parkplatz einer Shopping Mall findet der Circus auch in diesem Jahr wieder seinen zwar beengten doch idealen Standort.
Das cremefarben und rot gestreifte Chapiteau wird vom umfangreichen Fuhrpark dicht umringt. Wie Direktor Nicolas Bouglione uns wissen ließ, soll das knapp zwei Jahre alte Zelt in der zweiten Jahreshälfte durch ein etwas größeres viermastiges Exemplar ersetzt werden. Der Außenbereich des Unternehmens wartet mit einigen nostalgisch inspirierten Highlights auf. Ein liebevoll restaurierter ehemaliger Markt-Verkaufswagen, Baujahr 1951, wird als Kassenwagen verwendet. Ein Oberlichtwagen, bemalt mit den Konterfeis der Begründer der Dynastie Bouglione, Rosa und Joseph, ein liebevoll dekoriertes Vintage-Werbeauto und eine chromglänzende 50er Jahre US Kenworth-Zugmaschine sind hier ebenso zu nennen wie ein Wohnwagen italienischer Bauart. Ein weiterer Tonnendachwagen ist gekonnt restauriert und dekoriert. Am modernen Toilettenwagen weisen großformatig im Vintage-Stil gemalte Artistik-Genres den Weg für „Messieurs et Madames“ und rote Samtportieren mit goldenen Trotteln rahmen den Eingang. In dieses Ensemble passt sich der blaue Holzzaun, der mit großen goldfarben glitzernden Reliefs von Elefanten und Steigerpferden dekoriert ist und reich verzierte goldfarbene Statuetten an den Lichterbögen trägt, perfekt ein. Eigens für diesen Platz wurde ein schmales freistehendes Vorzelt, in passender Optik, angeschafft. Der Verkaufswagen steht direkt neben dem Zelt, dessen Seite in diesem Bereich offen gelassen wurde. Ein halbkreisförmiger Bartresen, in Farbe und Dekor passend zum gesamten Erscheinungsbild, hat ihren Platz im Zelt und aus einem nostalgischen „Röhrenradio“ tönt Circusmusik, die per USB-Stick eingespeist wird.
Das Chapiteau bietet im Innern den vertrauten Anblick. Der reich mit goldglänzendem Zierwerk gestaltete Artisteneingang aus rotem Samt findet Ergänzung in prächtigen rot-goldenen Logen, die üppigst mit plastischen Elefantenköpfen und Pantherfiguren dekoriert sind. Das Rondell ist mit rotem Samt, der mit einer breiten goldenen Fransenborte versehen ist, dekoriert und Lichterbögen schließen die oberste Gradinreihe ab. Dazu korrespondiert die Samtabdeckung der Piste, roter Samt mit goldener Fransenborte, perfekt.
Licht-und Soundanlage zeigen sich auf Höhe der Zeit und mittels ihres geschickten Einsatzes wird die Show perfekt in Szene gesetzt.

Die Auguste „Charly“ - Clown Roni, seit vielen Jahren bei Bouglione zu erleben, hat einen neuen Künstlernamen erhalten - und Nico – Domenico Dakotas-Taini – wuseln während des Einlasses in roten Overalls umher und erledigen letzte Arbeiten.
Im restlos ausverkauften Rund eröffnet „Madame Loyal“ Celia Berthier-Caroli die vorzügliche Show mit dem live gesungenen gleichnamigen Titelsong des Musicals „Cabaret“. Natürlich patzen die Auguste bei ihrem Auftritt und erscheinen im Overall und mit Besen in der Hand anstatt im Frack und mit Zylinder. Während die beiden Auguste flugs das Outfit ändern begrüßt Madame Berthier-Caroli eloquent und charmant das Publikum.
Die drei - „Madame Loyal. Nico und „Charly“ - sind die omnipräsenten Gesichter des Circus und geben der Show Struktur. Sie überzeugen mit großem Können und Spielfreude und begeistern ihr Publikum dank einer enormen Manegenpräsenz. Celia Berthier-Caroli bietet dem Publikum mit ihren Moderationen vielfältige Informationen, begeistert immer wieder mit erstklassigem Live-Gesang und ist der seriöse Gegenpart der Clowns. Die Clowns verfügen über ein unerschöpfliches Repertoire immer wieder neuer skurriler Einfälle und kommen beim gesamten Publikum bestens an. Um Magie geht es in der ersten Reprise und „Madame Loyal“ lässt eine Flasche unsichtbar von einer in eine andere Röhre wandern. Die Auguste durchschauen den Trick, doch Madame setzt eins drauf und zaubert fünf Flaschen aus dem Nichts herbei. Der folgende Auftritt dreht sich mit Wortwitz um eine Reise nach Glasgow und bereitet das später folgende Spukschloss-Entrée vor. Dieses wird mit üppiger Ausstattung und mit großem personellem Einsatz, acht Personen sind eingebunden, hervorragend gebracht. Das straffe Spiel bietet eine Menge an Gags und bindet die Kinder im Publikum, die auch sofort begeistert und eifrig mittun, in den turbulenten Ablauf ein. In einer weiteren Szene feiert das Trio, in entsprechenden Kostümen und mit passender Musik, zusammen mit dem Publikum ein „bayrisches Fest“, das in ein Wettangeln der Auguste mündet.

Ein erstes akrobatisches Highlight setzt Kevin Chaves mit seiner starken Rola Rola Darbietung auf einem schweren Motorrad. Einem Rückwärtssalto auf dem Rollbrett folgen Balancen auf einem Basketball, im Handstand und auf vier Skateboards. Schließlich hält der junge Mann auf einem hohen Turm aus zwei Rollen und fünf Zwischenlagen souverän die Balance.
Zu Beginn des zweiten Programmteils sehen wir ihn wieder – nun mit seiner Partnerin Selena Monteiro-Bouglione. Angekündigt als „Skating Chaves“ bieten die beiden jungen Artisten mitreißende Rollschuhartisitik. Viele relevante Tricks des Genres werden in hohem Tempo und erstklassiger Ausführung gekonnt gearbeitet.
Antipoden-Spiele sind das Metier von Rebeca Jarz. Zu Beginn ihrer abwechslungsreichen Evolutionen rotiert eine Rolle über ihre Hände und Füße. Mit weißen Fußbällen, von denen sie bis zu fünf sicher manipuliert werden erfolgen die nächsten Touren, anschließend sind kleine Teppiche die Requisiten ihrer Wahl. Besondere Spannung kommt stets im Zuschauerraum auf, wenn ein Ball über mehrere Etagen hoch in einen Korb jongliert wird. Abschließend lässt sich die sympathische junge Frau, in einer Gurtschlaufe um die Hüften liegend, hoch in die Kuppel ziehen und lässt dabei vier Teppiche auf ihren Gliedmaßen rotieren.
Spannungsgeladen geht es zu bei den Stuhlbalancen von Erik Triulzi. Auf einem hohen Tisch werden nach und nach acht grazile Stühle zu einem fragilen und leicht schwankenden Turm aufeinander gestapelt und auf jeder Stufe drückt der Akrobat einen erstklassigen Handstand.
Vor der Pause erleben wir Ivan Radev mit seinen fulminanten Ball-Jonglagen. Tempo geladen werden die leuchtend gelben Fußbälle manipuliert, wobei der Jongleur höchst variantenreich zu Werke geht. Fünf, im Schwarzlicht rot leuchtende Bälle bilden einen besonders effektvollen Anblick. Im zweiten Teil seines Auftritts rotieren Bälle auf kurzen Stäben ähnlich Devil Sticks und zum Höhepunkt rotiert ein Turm aus drei Bällen auf einem Stab.

Die Illusions Show der Magic Jarz wurde aus dem Vorjahr prolongiert, wobei ein großer Teil der ausgetauscht wurde und bisher nicht in diesem Rahmen zu sehen waren.
Yosvani Rodriguez arbeitet seine beiden Darbietungen nun gemeinsam mit seiner Partnerin. Zunächst sehen wir seinen Auftritt auf dem Schwungseil, der mit einer temperamentvollen Tanzszene des Paares zu südamerikanischen Rhythmen eingeleitet wird. Vorwärts-, Rückwärts- sowie ein Doppelsalto sind die Höhepunkte dieser dynamischen Darbietung. Im zweiten Programmteil erzählt das Paar eine Love Story an den Strapaten. Als „Duo Illusion“ arbeiten sie eine Reihe eleganter Partnertricks in der Kuppel des Chapiteau. Kraftvoll erfolgen die Halteposen und mit weiten Flügen wird der Raum über der Manege genutzt.
Den finalen Auftritt bestreitet Handstand-Equilibrist Hector Yzquierdo. Auf einem sehr hohen Piedestal und zu höchst dramatischer Musik erfolgen die verschiedensten Handstandfiguren. Geschmeidig und in kraftvoller Ausführung erfolgen die vielseitigen Abläufe, die in Handständen auf extrem hohen Stäben münden. Zum Höhepunkt des Auftritts erfolgt ein rasanter Klötzchensturz.
„Madame Loyal“, mit Live-Gesang, und die beiden Clowns leiten gemeinsam mit Ivano Jarz, der es aus seinen Händen kräftig schneien lässt, das Finale ein. Die Artisten treten einzeln in die Manege und werden noch einmal vorgestellt. Die Direktion nimmt ihren Platz in der Mitte der Manege ein und „Charly“ schwebt als glitzernde Discokugel durch Kuppel. Mit einer ausgelassenen Choreographie klingt die mitreißende und erstklassige Show aus. Enthusiastisch wird das Ensemble vom restlos begeisterten Publikum gefeiert. Die Standing Ovations scheinen kein Ende zu nehmen und niemand im ausverkauften Rund verlässt seinen Platz. An dieser Stelle können wir nur unser Fazit vom vergangenen Jahr wiederholen: Bei Bouglione versteht man es ausgezeichnet begeisternde Shows mit hohem Unterhaltungswert zu kreieren und es ist stets ein besonderes Vergnügen diesen exzellenten Circus besuchen zu können. Chapeau.