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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS NOCK
Neuchatel, 04. April 2009

www.nock.ch
Der Circusplatz in Neuchatel, der 'Place du Port' liegt inmitten der Stadt, direkt an Hafen und Uferpromenade. Ein wenig beengt ist die Fläche und zwei angrenzende Straßen sind gesperrt, damit die Fahrzeuge einen Standplatz nahe dem Circus haben. Seit ein paar Jahren ist es nicht mehr möglich, unter dem Platz wurde eine Tiefgarage gebaut, Ankereisen einzuschlagen. Gelöst wurde dieses Problem, indem man an den entsprechenden Stellen Gewindebüchsen in die Platzoberfläche eingebaut hat. Gastieren nun Nock bzw. Knie hier, werden große Ringösen eingeschraubt und daran befestigen die Circusse ihre Abseglungen.

Wie in jedem Jahr präsentiert der älteste, seit 149 Jahren reist der Circus Nock, und zweitgrößte Circus der Schweiz ein neues Programm. Bereits zum siebten Mal wurde Eugene Chaplin als verantwortlicher Regisseur gewonnen. Nach der sehr flotten und modern gestalteten Show, speziell im ersten Teil, des letzten Jahres, geht es dieses mal wieder gewohnt-traditioneller, Nock typischer zu. Bemerkenswert viele Luftacts gibt es in diesem Nummernprogramm, dass durch den Komiker seine Bindung bekommt. Die exzellente Lichtanlage sowie das hervorragende Orchester unter Tino Aeby, so es denn spielen darf, unterstützen die einzelnen Darbietung in hohem Maß.
Das kurze Opening sieht die 'erstarrten' Artisten der Tanger Troup, die von zwei 'Feen' erweckt, ihre furiose Show beginnen. Es werden mannigfaltige Tricks aus dem Repertoire marokkanischer Springertruppen gezeigt. Die 'Tanger Troup' ist, im Gegensatz zu den allermeisten des Genres gibt es auch weibliche Truppenmitglieder,  die Zweitnummer der Castilla' s, deren Hochseilartistik vor einigen Jahren bei Krone im Saisonprogramm zu sehen war. Als Danger Castilla sind sie denn auch hier als schwungvoll mitreißende Finalnummer platziert. Bocksprünge, Zwei-Mann-Hoch, Seilspringen und die eine Dreier-Pyramide auf zwei Fahrrädern gehören u. a. zu ihren Tricks.


Die hauseigenen Dressurgruppen werden von Franziska Nock und Suzanne Chipperfield gemeinsam vorgeführt. Gleich als zweite Nummer, dabei den frischen Schwung des Auftaktes stark bremsend, ist ein Exotenzug zu sehen. Zwei longengängige etwa halbwüchsige Kamele bedürfen noch ziemlichen Zuspruches ihre Runden zu absolvieren. Die dazukommenden Zebras waren schon des öfteren in Nock-Programmen zu sehen, wirken aber auch nicht besonders sicher. Abschließend komplettieren einige Lamas die Szenerie. Die Pferdefreiheit besteht nun aus drei kräftigen weißen Pferden und drei Friesen. Sie zeigen ansprechende Laufmuster, wobei es auch hier nicht ganz ohne Longe funktioniert. Ein Da Capo-Pony rundet diese Arbeit ab. Im zweiten Programmteil reiten die beiden Damen gemeinsam Hohe Schule, wobei Suzanne Chipperfield einmal das Pferd wechselt.
Als vierte Tiernummer ist die Löwendressur der Muderaks engagiert. Zur Zeit umfasst diese Raubtierdarbietung, die in weiten Teilen Yvonne Muderak alleine im Käfig sieht, nur noch vier Tiere. Pyramide, Bar, Hochsitzer, Balkenlauf, und einige Sprünge sind die, auf Grund der kleineren Gruppengröße, auch weniger umfangreiche Trickfolge.

Am Schwungtrapez haben Alexandra Nock und Alejandro Milla eine Kür einstudiert. Ihre Trickfolge erinnert ansatzweise an Pedro Carillo und seine Partnerin, ohne ihren Schwung und Risikobereitschaft aufgreifen zu können. Insgesamt gerät dieser Auftritt zu lang und büßt dadurch an Esprit ein. Unverständlich warum auch hier, wie einige Male in der Show, das hervorragende Orchester unter Tino Aeby pausieren muss. Musikalische Gründe können es offensichtlich nicht sein, wie die wieder einsetzende Livebegleitung am Ende der Nummern und während des Kompliments beweist. Zweifelsfrei lassen sich stärkere Reaktionen des Publikums während der live begleiteten Sequenzen dieser Nummern feststellen.
Im vergangenen Jahr war Natalia Hertz mit dem Circus Royal in weiten Teilen der Schweiz unterwegs, nun zeigt sie ihre Künste bei Nock. Am weit schwingenden Trapez werden longengesichert elegante Abfaller und Pirouetten geboten. Ihre Hula Hoop-Show wird in orientalischem Stil gezeigt und unterscheidet sich somit von den zahlreichen Acts des Genres. Ebenfalls bei Royal sahen wir im letzten Jahr das Trio Jazz. Zu ebensolcher Livemusik werden ihre veritablen Handvoltigen wunderbar leicht wirkend tänzerisch dargeboten. Die beiden kräftigen Herren und die zierliche junge Dame agieren gekonnt mit dem richtigen Drive und beenden den ersten Programmteil.

Der junge portugiesische Komiker Cesar Diaz wurde engagiert den komischen Part auszufüllen und für den nötigen Humor zu sorgen. Im Verlauf der Vorstellung beweist er, dass er so gut wie alle der Szenen seiner Komikerkollegen kennt. In zahlreichen Reprisen agiert er alleine und mit Beteiligung von 'Freiwilligen', die ein gehöriges Maß an Leidensfähigkeit mitbringen müssen, da sie mitunter recht derb vorgeführt werden. Dem Rezensenten, dem zugegebenermaßen diese Art der Clownerie nicht wirklich fehlen würde gäbe es sie nicht, gefällt dieser Artist am besten in seinem letzten Auftritt. In diesem spielt Cesar Diaz nach dem Finale noch eine kleine Abschiedsmelodie auf seinem Saxophon.
Anna Lebedeva ist eine junge Bodenjongleuse. Bis zu sieben kleine weiße Bälle schickt sie gleichzeitig auf ihre Umlaufbahnen. Unmittelbar vor dem Hochseil der Castilla präsentieren die beiden Artisten des Duo Air Love ihre ausdrucksstarke Vertikalseildarbietung. Viele Partnertricks sind, wie sie ansonsten eher Trapezartisten zu zuordnen sind, werden perfekt gearbeitet. Der romantisch angehauchte Verkauf dieser Nummer, tut ein übriges dazu ihre Publikumswirksamkeit zu steigern.

Das Finale bei Nock folgt seit Jahren festgefügten Regeln und orientiert sich dabei stark am Ablauf bei Knie. Einmarsch aller Mitwirkenden, Einzelvorstellung,  Verabschiedung durch Franziska Nock und abtreten. Dann zweiter Vorhang mit kleinen Zugaben, einer großen Pyramide mit allen Artisten und Schluss. Das Orchester gibt dazu noch einmal alles, genauso wie die Lichtregie. Nur Fransziska Nock wirkt wie immer ein wenig gehemmt mit dem Mikrofon in der Hand. Das Publikum geht begeistert mit und verharrt bis zum Schluss, bis Cesar Diaz sein Abschiedssolo auf dem Saxophon beendet hat. Circus Nock bietet auch in dieser Spielzeit wieder ein sehr gutes Programm, ist der einzige Circus in der Schweiz mit Raubtieren in der Manege. Im Präsentationsstil hat man allerdings gegenüber dem Vorjahr eher wieder einen Schritt zurück gemacht und verschenkt durch den häufigen unnötigen Verzicht auf Livemusik Punkte.