Text und Fotos Friedrich Klawiter |
CIRCUS NOCK Sursee, 08. Juni 2013 www.nock.ch |
Die Familie Nock bereist seit etwa 1860 zunächst mit einer Arena und später in einem Zelt die Schweiz und betreibt somit den ältesten Circus des Landes. Seit vielen Jahrzehnten gilt das etablierte Unternehmen als das zweitgrößtes der Schweiz. Die alljährlich beinahe gleich verlaufende Tournee führt Nock als einzigen Circus der Schweiz in alle vier Sprachregionen des Landes. In Sursee, einer Kleinstadt circa fünfundzwanzig Kilometer nördlich der Kantonshauptstadt Luzern gelegen, hatte der Circus Nock auf dem Festplatz am Rande der Innenstadt aufgebaut. Die Zugmaschinen und der Kassenwagen bilden in der Zuwegung des Platzes ein Spalier, dass auf die Circusfront mündet. Diese wird von einem weißen Stakettzaun, der nostalgisch gestaltete Lampen trägt, gebildet. Das markante rot-gelbe Chapiteau des Circus nimmt den meisten Raum des Platzes ein, so dass auf das Vorzelt verzichtet werden musste. Die Verkaufswagen der Circusrestauration finden zu beiden Seiten des langgezogenen Vordachs am Chapiteau Platz. Die rings um das Zelt gruppierten Wagen leuchten in weißer Farbe und tragen in großen roten Lettern den Circusnamen. Der Stall mit den Außengehegen für Pferde und Exoten schließt sich hinter dem Zelt an, derweil die Wohnwagen auf einem schmalen Geländestreifen dem Chapiteau gegenüber abgestellt sind. Während es Einlasses spielt das siebenköpfige, sehr gute Orchester im Eingangsbereich und sorgt für eine stimmige Atmosphäre. Hinter den edel wirkenden roten Logen erhebt sich ein Gradin, dass zum größten Teil mit Schalensitzen bestückt ist. Eine Leuchtpiste begrenzt die Manege und der breite Artisteneingang aus rotem Samt verbreitet festliches Flair. Auf einer Empore nimmt das ausgezeichnet aufspielende Orchester, das bis auf ganz wenige Ausnahmen die Vorstellung live begleitet, Platz. Zu Beginn der Show vermisst Clown Rolli einen Mitspieler in der Manege. Schnell wird er im Gradin fündig und entführt einen „Zuschauer“ in die Manege. Die Artisten bauen einen Schminkplatz auf, bringen die benötigten Utensilien und ein Kostüm und helfen, kleine Kostproben ihres Könnens bietend, dabei, Gaston in einen Clown zu verwandeln. Nach diesem gelungenen schwungvollen Charivari steht Anouchka Bouglione als erste Künstlerin mit ihrer Darbietung im Scheinwerferlicht. Eine Hula Hoop Show der Extraklasse bietend, lässt sie auf vielfältigste Weise die Reifen um ihren Körper kreisen. Eingeleitet und aufgelockert wird die elegante Darbietung immer wieder durch kurze Tango-Sequenzen, die sie zusammen mit ihrem Partner tanzt. Abschließend lässt sie drei hell lodernde Feuerreifen um ihren Körper kreisen. Codirektrice Franziska Nock präsentiert die Pferddressuren des Hauses en bloc. Zunächst bietet sie mit einem prächtigen Schimmel eine schwungvolle Schule am langen Zügel. Souverän meistert der Hengst im Zusammenspiel mit der Dresseurin die Lektionen. Im Anschluss stürmen drei Friesen und drei weiße Araber die Manege und formieren sich zu einem formidablen Sechser-Zug. Gekonnt lässt Franziska Nock die unterschiedlichen Figuren ablaufen, versteht es dabei auch elegant das Spiel mit den verschiedenen Farben der Pferde ein zu setzen. Abwechslungsreiche Steigervarianten krönen die feine Dressurleistung. Mit einem exzellenten Steiger quer durch die Manege, ausgeführt von einem schneeweißen Pony überbrückt Bereiter Paolo Finardi den Übergang zu Franziska Nocks Hoher Schule. Diese wird temperamentvoll auf einem dekorativ anzuschauenden braunen Vollblüter dargeboten. Ebenfalls im ersten Programmteil erleben wir die zweite Dressurnummer des diesjährigen Programms. Je zwei Kamele und Esel interagieren im roten Ring und bieten eine variantenreiche Dressurnummer. Einen besonderen Reiz bilden die unterschiedlichen Temperamente und Optik der beiden Rassen. Die beiden Schweizer Starclowns Gaston Häni und Roli Noirjean bringen eine umfassende Auswahl verschiedener Reprisen aus ihrem schier endlosen Repertoire. In Älplertracht erobern sie, über eine der Treppen aus dem Zuschauerraum kommend, die Manege. Wortreich und „umständlich“ versuchen sie abzustimmen, in welcher Reihenfolge der Jodel-Vortrag gesungen wird. Gaston, der nicht recht zum Zuge kommt, kramt einen Gummihandschuh hervor und beginnt imaginäre Milch in einen Eimer zu melken. Roli sieht dem Treiben fassungslos zu, beweist durch umdrehen dass der Behälter leer ist, jedenfalls so lange, bis ihm dessen Inhalt übergekippt wird. Die Magic-Szene, in der ein von einer Zuschauerin geliehenes Tuch unsichtbar von Rolis ins Gastons Hosentasche und wieder zurück wandert, wird dank der großen schauspielerischen Leistung der beiden und des einzigartigen, unnachahmlichen Mimenspiels von Gaston zu einem besonderen clownesken Kleinod. Ihr virtuoses Spiel auf Fingerpfeifen fördert eine weitere Facette aus dem breiten Spektrum der beiden Erzkomödianten zutage. Abschließend erleben wir sie als „Chicago-Gangster“, die mit Fäusten, Messer und Pistole auf einander losgehen und diese rasante Aktion auf Verlangen des Sprechstallmeisters noch einmal in Zeitlupe wiederholen müssen. Alex Durand, ein junger französischer Jongleur, beherrscht das Spiel mit den Diabolos par excellance. In hohem Tempo erfolgen die Abläufe und alle heutzutage gängigen Tricks werden souverän geboten. Im Verlauf der Nummer steigert sich der Schwierigkeitsgrad durch den gleichzeitigen Einsatz von zwei und drei Diabolos.in der Nock-Manege Zweimal ist das Duo Lyd aus Kuba präsent. Zunächst bieten die beiden einen mitreißenden Pole-Dance. Kraftvoll wird der Flirt der beiden Geschlechter vorgetragen, der Mast in unterschiedlichster Weise erklommen. Im zweiten Teil der Nummer werden eine Reihe Partnertricks in Art einer Luftdarbietung gearbeitet. Nach der Pause arbeiten die beiden sympathischen Artisten ihre Darbietung auf dem Kunst-Fahrrad, wie man sie in dieser Art fast nicht mehr zu sehen bekommt. Vielseitige akrobatische Partnertricks, freier Stand auf dem Kopf des Untermannes, Handstand auf den Schultern, Salto von den Schultern des Partners in den Fahrradsattel, werden publikumswirksam und sehr sicher in der Ausführung dargeboten. Die sechs Kenianer der Truppe Zuma Zuma erweisen sich als geschickte und temperamentvolle Pyramidenbauer und Springer. In hohem Tempo folgen die unterschiedlichen Formationen aufeinander. Ausgelassene Fröhlichkeit strahlen die afrikanischen Artisten beim Seil springen aus. Abwechslungsreich gestalten sich die teils verblüffenden Tricks, bis – ja bis ein „Missgeschick“ passiert und sich ein Truppenmitglied in den Seilen verheddert. Gaston und Roli stürmen mit Hocker, Handtuch, Trinkflasche und Eimer herein, ein Nummerngirl kündigt die nächste Runde an. Kurzum die Szene stellt eine Rundenpause beim boxen nach und beendet so originell den ersten Programmteil. In logischer Konsequenz setzt sich der Auftritt der Truppe Zuma Zuma nach der Pause fort. Eine sehr gut verkaufte Limbo-Show und variantenreiches reifenspringen gehören zum Standardrepertoire aller schwarzafrikanischen Springertruppen. Lisandra Sanchez gefällt mit ihrer ansprechend choreographierten Arbeit an den Tuchstrapaten, die viele der genreüblichen Tricks beinhaltet. Sandro Monteiro ist mit seiner spektakulären Arbeit auf der Rola Rola ein Höhepunkt des Programms. In erstklassiger Aufmachung und Ausführung erfolgen die anspruchsvollen Balancen auf dem hohen Piedestal. Zwei Rollen und Walzen, ein Kubus zwischen zwei Rollen und Plexiglaskugel sind ein Teil der Unterlagen. Ein kurzes Drahtseil über der Rola ist Grundlage einer weiteren effektvollen Balance. Abschließend türmt Sandro Monteiro acht Rollen und Walzen zu einem labilen mannshohen Turm, auf dessen Spitze er mittels einer Aufsteighilfe gelangt und seine Gleichgewichtskünste sicher ausführt. Nervenkitzel pur bieten die beiden kolumbinanischen Artisten der Formation wheeLoco mit ihrem Auftritt am Todesrad. In ganz normalen Business-Anzügen gekleidet, starten die Beiden ihre Darbietung mit Sprüngen in den Kesseln des Rades. Nachdem sie sich der Straßenkleidung entledigt haben und in blendend weißen Kostümen dastehen, nimmt die Nummer Fahrt auf. Einarmiger Aufschwung am Außenkessel, Blind- und Seillauf auf derm Außenrad gepaart mit effektvoll eingestreuten „Unsicherheiten“ lässt die Zuschauer mitfiebern. Die hohen Absprünge vom rotierenden Requisit werden von spitzen Schreien der Zuschauer untermalt. Ein ausführliches, fröhlich gestaltetes Finale bringt alle Mitwirkenden noch einmal in die Manege. Alle bieten einige kleine Zugaben und Franziska Nock verabschiedet ein zufriedenes Publikum. Der Familie Nock ist es auch in diesem Jahr wiederum gelungen ein abwechslungsreiches, interessantes Programm zusammen zu stellen, dass mit einigen Highlights aufwartet. Leider sind die Dressurdarbietungen in diesem Jahr ein wenig unterrepräsentiert. |