
Cirque Pinder – ein großer klangvoller Name der französischen Circuswelt ist zurück und eine neue Direktion erfüllt den traditionsreichen Namen mit neuem Leben. Am 15, Februar diesen Jahres startete der Circus in Toulouse in die neue Aera. Seit 1845 währt die Historie des Cirque Pinder und am 15. Februar diesen Jahres übernahm, nach den Gebrüdern Pinder, Charles Spiessert, Jean Richard und Gilbert Edelstein, die fünfte Direktion das Zepter.
Renée Edelstein, die Witwe von Gilbert Edelstein und seit dessen Tod im November 2022 Inhaberin der Marke „Cirque Pinder“, und ihr Enkel Alexandre bilden gemeinsam mit Impresario Xavier Martin, dem Veranstalter des Weihnachtscircus in Toulouse, die neue Direktion.
Die langjährig bekannten Circusplätze in Straßburg stehen nicht mehr zur Verfügung, daher gastieren die Circusse nun auf einem der Parkplätze an der Veranstaltungshalle „Zenith“.
Die weiß-roten Zeltanlagen die vor einigen Jahren vom Schweizer Circus Nock genutzt wurden, Direktor Xavier Martin hatte sie nach der Geschäftsaufgabe der Familie Nock für seinen Weihnachtscircus gekauft, füllen den Platz. Der Zeltbau weist moderne Gestaltungsmerkmale auf – die Plane reicht bis zu den Mastspitzen, auf denen die Trikolore im Wind weht, und damit über die lange Kuppel hinauf und ist am Rondell in kühnen Bögen weit nach außen abgespannt. Das Vorzelt zeigt sich in passender Optik. Der schmucke weiße Zierzaun mit dem hohen Portal und den dekorativen Kandelabern stammt gleichfalls vom Circus Nock.
Ein schlichter grauer Container steht in der Front und beheimatet wohl die Circuskasse. Allerdings sind seine fünf Schalter mit Jalousien verschlossen. Von den Zuschauermassen die an diesem Tag zum Circus strömten war offensichtlich niemand auf eine Kasse angewiesen – man hielt entweder Werbegutscheine oder selbst ausgedruckte Tickets in Händen. Metallene Barrieren fungieren vor dem Portal als Wellenbrecher und regulieren den Zugang. Auf dem Platz weisen hohe Zaunelemente mit Spannbändern die mit dem Pinder Signet bedruckt sind den Weg ins Vorzelt.
Der Fuhrpark, komplett weiß lackiert, besteht, wie in Frankreich üblich, aus Sattelzügen mit zusätzlichem Anhänger. Jeder Transport verfügt über eine eigene Zugmaschine, so dass der Circus geschlossen in einer Fahrt zum nächsten Gastspielort verlegt werden kann und man auch große Entfernungen in kürzester Zeit bewältigen kann.
Im Vorzelt sind an den beiden Längsseiten eine Reihe Buden aufgestellt, in denen die Circusrestauration ihr reichhaltiges Warenangebot bereit hält. Trotz des sehr heißen Sommerwetter an diesem Tag waren die drei angesetzten Vorstellungen alle voll besetzt und das Vorzelt war während der Pausen fast zu klein um dem Ansturm der Menschenmassen gerecht zu werden.
Elegante rot-weiße, mit drei Reihen gepolsterter Klappstühle bestückter Logen und ein großes Schalensitzgradin füllen den weiten Raum des Chapiteau restlos aus. Der feine Artisteneingang aus rotem Samt bestimmt den Hintergrund der Spielstätte.
Die Lichtanlage zeigt sich auf Höhe der Zeit, wird virtuos eingesetzt ohne dabei zum Selbstzweck zu mutieren und auch die Tonanlage überzeugt mit vollem und klarem Sound.
Die Show des Cirque Pinder wird fest in der Traditon des traditionellen Circus und des über viele Jahrzehnte bei Pinder gepflegten puristischen Stil präsentiert. Das interessante, abwechslungsreiche und starke Nummernprogramm – unter Berücksichtigung der Gegebenheiten der Zeit verzichtet man auf Tiere – kommt beim Publikum bestens an und wirkt auf Grund seiner Stärke und Könnens seiner Akteure, so dass man auf modisches Beiwerk wie Ballett oder Gesang verzichten kann und reinen unverfälschten Circus bietet.
Die bekannteste Circusmelodie Frankreichs, Erkennungsmelodie der über Jahrzehnte produzierten und allwöchentlich ausgestrahlten Fernseh-Circus-Show „La piste aux etoiles“, eröffnet zusammen mit dem lebhaften Spiel der Scheinwerfer, wie oftmals im französischen Circus zu erleben, die Show und „Monsieur Loyal“, elegant im roten Frack, Pierre Galibert begrüßt wortgewandt das Publikum. Er füllt die im französischen Circus wichtige, ja geradezu unverzichtbare Rolle des Manegensprechers in angenehmer Weise aus und versteht es ausgezeichnet dem Publium allerlei Wissenswertes zu den Artisten um zum Circus im Allgemeinen zu vermitteln. Mit einem kräftigen „Place au Cirque“ gibt er die Manege frei.
Seilläufer Joaquim Sepuveda sorgt mit seinem temperamentvollen Auftritt für einen gelungenen Programmstart und sorgt gleich für die richtige Stimmung auf den Rängen. Mit einem gekonnten und sicher gestandenen Rückwärts-Salto findet der abwechslungsreiche Act seinen Höhepunkt. Im vergangenen Jahr war die Familie Sepuveda-Zuniga hierzulande im Circus Barelli zu erleben, nun ist man mit Pinder auf Tour.
Im weiteren Programmverlauf arbeitet seine Schwester Anastacia ihre Kür am Washington-Trapez. Die sympathische junge Frau hat ihren Act leicht umgestellt und verzichtet auf Assistenz von außen, so dass die Trickfolge dichter und noch ansprechender wirkt.
Vor der Pause ist das Fliegende Trapez der „Flying Zuniga“ zu erleben. Fänger und Truppenchef Guilherne Sepuveda muss aufgrund einer Verletzung an der rechten Hand derzeit pausieren. Man hat einen erstklassigen Ersatz gefunden, so dass der rasante Auftritt in gewohnt perfekter Manier ohne Einschränkungen geboten werden kann.
Die verwegene Kunstschützen Darbietung des Duo Guilherme wird auch im Rahmen dieses Programms als Finalnummer gezeigt. Die rasante Abfolge der verschiedenen Schussvarianten erfolgt treffsicher – egal über rückwärts über die Schulter, oder auf eine brennende Kerze, stets sitzt der erste Schuss im Ziel. Der perfekt spektakuläre „Tell Schuss“ - mit einem ersten Schuss aus seiner Armbrust wird eine Kaskade weiterer fünf Schüsse ausgelöst bis der letzte Pfeil den Apfel über dem Kopf von Guilherme Sepuveda trifft – wird nun von Anastacia gestartet.
Gyula und Elisa Saly kommen mit ihrer klassischen Clownerie beim Publikum bestens an. Zunächst stellt das Duo seine virtuose Musikalität auf vielen unterschiedlichen Instrumenten unter Beweis. Verschiedene Trompeten und Saxophone, Posaune, Singende Säge, Flaschenorgel und Xylophone kommen zum Einsatz. In einer weiteren Reprise fidelt Gyula Saly eine Melodie auf seiner Geige, die er in immer wieder anderen und ungewöhnlichen Positionen hält. Für Sauberkeit sorgt der Clown, indem er eine imaginäre Scheibe vor den Logen gründlich feucht reinigt. Zu guter Letzt verteilt er Glocken an die Logenbesucher. Eine extrem dusselige Zuschauerin vermasselt zuerst ihren Einsatz und weiß nicht was zu tun ist, da sie tief in ein Gespräch mit der Nachbarin versunken ist. Dann schafft sie es absolut nicht in gewünschter Weise zu läuten und reagiert genervt, ja beinahe beleidigt auf die Forderungen des Clown. Es dauert eine ganze Weile, bis sich zeigt, dass die begriffsstutzige Dame von Elisa Saly – die bis dahin nur als Weißclownesse zu sehen war – gespielt wird.
Die humoresken Auftritte werden durch Kenneth Huesca komplettiert. Seine hierzulande von vielen Engagements bestens bekannte Ventrologie-Darbietung wird auch vom französischen Publikum goutiert.
Victor Saly, der Sohn der Clowns, ist als versierter Bounce-Jongleur zu erleben. Mit bis zu sechs Bällen zeichnet er seine abwechslungsreichen Muster in die Luft. Gekonnt erfolgen die Routinen und werden mit lebhaften Beifall bedacht. Der zweite Teil des Auftritts sorgt für einige Verblüffung auf den Rängen, wenn die Jonglagen mitreißende Rhythmen auf einem Schlagzeug ergeben.
Sehr interessant, außergewöhnlich und konsequent hat Tisto seinen Rola-Rola Act gestylt. Sein Tisch ist als überdimensionaler Zauberwürfel ausgebildet. Die Rollen sind Halma Kegel und die Rolabretter sind Spielkarten. Die Zwischenelemente kommen als Würfel daher und die Aufstieghilfe ist ein Mikadostab. Die Bänkchen, die auf der Rola gestapelt werden sind als Tetris-Elemente ausgebildet und schweben aus einem schwarzen Verschlag aus der Kuppel herab.
Ein Artistenpaar, dessen Namen leider nicht Erfahrung zu bringen war, ergänzt mit einer temperamentvoll ausgeführten Einrad-Darbietung die Nummernfolge. Rasant geht es auf dem Rad treppauf und treppbar. Seil springen und vielseitige Positionswechsel auf dem Rad gehören genauso zum Repertoire wie die Fahrt im Zwei-Mann-Hoch. Die abschließenden Touren werden auf einem Stangenrad ausgeführt.
In einem kurzen Finale werden die Artisten noch einmal vom restlos begeisterten Publikum mit frenetischem Applaus gefeiert. „Monsieur Loyal“ verabschiedet die Besucher und verspricht eine neue Pinder-Show im kommenden Jahr, dann gilt es das Zelt zu räumen, da die endlose Schlange der Wartenden für die dritte Vorstellung des Tages bereits vor dem Einlass wartet.