Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE PINDER
Metz, 03. Juli 2010

www.cirquepinder.com
Auf der alljährlich gleichen Tour durch Frankreich ist das rund einwöchige Gastspiel des Circus Pinder in Metz am Monatswechsel Juni – Juli ein fester Eckpunkt. Es markiert das Ende der „Frühlingstournee“ mit mehrtägigem Aufenthalt in den jeweiligen Städten. Direkt im Anschluss beginnt die rund achtwöchige „Sommertournee“ mit ihren Eintagesplätzen ohne Ausfaller.

Der Circusplatz in Metz liegt außerhalb der Stadt. Ein großer geteerter Parkplatz des Messegeländes wird üblicherweise von den Circussen zum Gastspiel genutzt. Aktuell musste Pinder nun etwa fünfhundert Meter weiter auf einen anderen, mit grobem Schotter belegten und staubigen Parkplatz ausweichen.
Wie stets sind die zahlreichen modernen Transporte in langen Reihen aufgefahren, gruppieren sich zusammen mit den Wohnwagen der Artisten auf der rechten Seite des großen Chapiteau. Rot und gelb leuchtet das gesamte Material in der glühenden Sonne dieses heißen Tages. Links vom Chapiteau wurde die Menagerie aufgebaut. Ihr neuer moderner Eingang wurde in Form und Optik exakt dem Haupteingang angepasst, lässt andererseits eines der letzten Relikte der „vor-Edelstein-Ära“ dieses Circus Geschichte werden.

Die Pferde stehen dösend in ihren Boxen. Kamele, Lamas, Esel und die beiden Elefanten haben sich in ihren Paddocks in den Schatten der Dächer ihrer Ställe zurückgezogen. Die ansonsten so beeindruckende große Raubtierschar zeigt sich im Moment stark reduziert. Da Frederic Edelstein noch einige Zeit verletzungsbedingt, er hat sich einen Sehnenabriss im Unterarm zugezogen, nicht arbeiten kann, reisen „nur“ zwölf Tiger mit dem Circus. Die weiteren Tiere sind derweil im Pinderland stationiert.

Angesichts einer Temperatur von siebenunddreißig Grad Celsius blieb der Besucherandrang zur Vorstellung überschaubar. Die Rundleinwand ließ man im unteren Drittel offen und auch an den Mastdurchführungen war das Zelt geöffnet. So wurde die Temperatur im Innern erträglich gehalten, leider litt die Wirkung der Lichtanlage unter der Maßnahme.

Wie stets erweist sich Frederic Colnot als verbindlicher charmanter 'Monsieur Loyal'. Im puristisch präsentierten reinen Nummernprogramm bei Pinder obliegt es ihm die Verbindung zwischen den verschiedenen Auftritten zu schaffen. Gleich nach der Begrüßung klärt er ausführlich darüber auf, dass und warum die herausragende Raubtiersensation des Hauses ausfallen müsse und ruft damit bei Teilen des Publikums Enttäuschung hervor.
So erleben wir als ersten Sacha Houcke mit dem großartigen Exotenzug des Hauses in der Manege. Er beginnt seine Arbeit mit der figurenreichen Freiheit von fünf Kamelen. Nach Abschluss ihrer Laufarbeit liegen drei Kamele ab, ein Zebra in der Manegenmitte und drei Esel zwischen den Kamelen stehen auf ihren Tonneaus, leiten so das große Karussell ein. Drei Lamas laufen auf der Außenbahn die Kamele überspringend, während drei Pferde auf dem inneren Ring gegenläufig unterwegs sind. Dieses anspruchsvolle Bild wird ohne erkennbare Hilfe von Bereitern vom Dresseur vorgeführt.  Abschließend zeigen die Norweger das flechten. Ein Steiger-Pony folgt als Da Capo.
Miss Akaena überbrückt normalerweise mit ihrer kraftvollen Arbeit am Ring den Käfigabbau, aktuell präsentiert sie nun ihr Können ohne störende Aktivitäten in der Manege.

Im spanischen Look hat Michael Oliveira seinen Jongleurauftritt gestaltet. Seine Utensilien lagern in einem Gestell, dass die Form einer Guitarre hat, Kostüm und Musikauswahl wurden passend gewählt und mit ein wenig Folklore startet seine Partnerin die Nummer. Seine flotte Arbeit mit bis zu fünf Fußbällen, Bumerangs und Keulen wird routiniert und sicher vorgetragen.
Wenig später sehen wir seinen Bruder Nicol Nicols im Outfit eines Torero auf dem Seil. Mit den nötigen Macho-Attitüden verkauft er seine Leistungen. Seilspringen, Sprung durch einen Messerreifen sind ebenso zu sehen wie ein Rückwärtssalto. Die Vorwärts-Variante entfällt auf diesem Platz, da die Manege ein deutliches Gefälle in Sprungrichtung aufweist.

Die kubanischen Brüder Fernandez beeindrucken mit ihrer Hand-auf-Handdarbietung. Nach relativ langer, verhalten wirkender Einleitung folgen schwierige kraftraubende Tricks, die allesamt erstklassig ausgeführt werden. Lediglich ihr Abschluss gerät ein wenig unspektakulär.

Eine vollkommen neue Pferdefreiheit hat Gaby Dew in diesem Jahr entstehen lassen. Während sie von Frederic Colnot angekündigt wird, steckt als kleiner Gag ein weißer Araber seinen Kopf durch die Gardine. Mit einem Steiger dieses Pferdes startet die Darbietung. Drei weiße sowie drei braune Araber zusammen mit den drei Norwegerpferden die im Exotenzug mitwirken, versammeln sich in der Manege. Vielfältige Figuren, die durch unterschiedliche Sortierung der Farben zusätzlichen Reiz bekommen, werden perfekt vorgetragen. Ganz große Klasse beweist die junge Frau mit dieser begeisternden Arbeit. Ein Karussell von jeweils drei Pferden auf drei Zirkeln im Gegenlauf ist der Höhepunkt der Vorführung. Einige Da Capos runden die Darbietung, die von Gaby Dew vollkommen alleine, ohne jeden Einsatz von außen geleitet wird, ab.

Direkt vor der Pause wird bei Pinder traditionell stets das Flugtrapez geboten. Nach vielen Jahren in denen man die klassische Form dieser Luftnummer präsentierte, hat man aktuell eine Variante im Programm. Die chinesische Troupe Qiqihaer bietet drei freistehende Fänger – nur ein lose vor dem Bauch anliegender Gurt verhindert ihren Absturz – die hintereinander aufgereiht sind auf. Unter der mittleren Position ist ein weiterer Fänger in einem drehbar gelagerten Trapez zu finden. Zwischen diesen Stationen werden die  drei jugendlichen Flieger/Innen in vielfältigsten Variationen in Form von Salti, Pirouetten und Passage voltigiert.

Weiter geht es mit der Mastakrobatik der Truppe Habana. Die beiden jungen Männer und vier Frauen aus Kuba absolvieren mit viel südamerikanischem Temperament ihre Kür. Kraftvolle Solotricks wechseln ab mit interessanten Bildern mehrerer Ausführender.
Ein Pinder-Programm ohne klassisches Clownstrio ist wohl nicht vorstellbar. In diesem Jahr obliegt es den Nicols für die nötige Heiterkeit zu sorgen. Nach ein wenig Musik und zwei, drei Gags der üblichen Art spielt man unter Mitwirkung von Frederic Colnot das Wasserentree. Die beiden Auguste wirken bemüht, ihre Versuche auf dem nassen Teppich zu rutschen unbeholfen. Immerhin findet das Entree ein rasches Ende.


Die beiden Elefanten hören auf die Kommandos von Sacha Houcke. Bereitwillig absolvieren sie ein recht umfangreiches Repertoire. Ihr Dompteur führt als einziges Hilfsmittel einen kleinen Haken mit, der allerdings so gut wie nicht zum Einsatz gelangt. Die beiden Schwergewichte werden fast ausnahmslos mit der Stimme dirigiert.
Im Jahre 2008 gewann Liu Xin die TV-Show „Incroyable Talent“, das französische Pendant des deutschen „Supertalent“ und war danach während des Pariser Weihnachtsgastspiels bei Pinder präsent. Nun absolviert sie eine komplette Tournee und begeistert mit ihrer eleganten Kontorsion das Publikum.
Den Schlusspunkt in einem großen Programm setzen die Velez Brothers auf dem Todesrad. In gekonnter obercooler Manier agieren sie in und auf dem chromblitzenden Requisit. Blindlauf, Seilspringen und immer wieder hohe Absprünge kennzeichnen ihre Arbeit.

Die Chinesen leiten mit Löwentanz und Drachen zum Finale über, dass bei Pinder immer recht knapp gehalten wird. Frederic Colnot stellt die Mitwirkenden vor, ein paar kollektive Tanzschritte und dann ist die Show vorbei. Ein leistungsstarkes Programm hat man auch in dieser Reisesaison wieder zu bieten, auch wenn im Moment der Star des Ensembles pausieren muss.
Rasch leert sich das Gradin und schon bald folgt der Einlass zur nächsten Vorstellung, da an diesem Samstag drei Shows stattfinden.

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