Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS PROBST
Wetzlar, 18. Oktober2024
www.circus-probst.de
Nach einer ausgedehnten Tour durch den Osten der Republik hält der Circus Probst noch zwei Städte – Wetzlar und Lüdenscheid - im Westen. Die diesjährige Produktion, weiterhin unter dem Titel „Surprise“, bietet erstklassigen traditionellen Circus, den die Familie Probst mit Hingabe pflegt.
Die „Bachweide“, jahrzehntelang der städtische Circusplatz steht nicht mehr zur Verfügung, da dort eine Flüchtlingsunterkunft installiert wurde. Folglich müssen die Circusse auf einen anderen, allerdings weit außerhalb der Stadt gelegenen Festplatz ausweichen. Hier, am Rand eines kleinen Waldstücks, stand dem großen Circus reichlich Raum zur Verfügung.
Die markanten rot-gelb gestreiften Zeltanlagen leuchten an dem regnerisch-trüben Herbsttag weithin und in der einsetzenden Dämmerung sorgen die zahlreichen Lichterketten und Lichtbögen auf dem dekorativen Frontzaun für romantisches Ambiente. Der umfangreiche und gepflegte Fuhrpark, etliche Sattelauflieger wurden neu lackiert, bzw. mit neuen Schiebeplanen versehen, ist rings um die Zelte aufgefahren. Der markante Kassenwagen und das große Eingangsportal beherrschen die dekorative Front.
Das gemütlich eingerichtete Vorzelt bietet hohe Aufenthaltsqualität. Der Verkaufswagen der Circusrestauration und weitere Stände halten ein umfangreiches Sortiment leiblicher Genüsse bereit und eine Café-Ecke lädt zum verweilen ein.
Das Innere des Chapiteau zeigt die bekannte Ausstattung – siebenreihiges teils mit Schalensitzen ausgerüstetes Gradin, Logen mit bequemen Polsterstühlen sowie der große Artisteneingang mit integrierter Bühne.
Das Orchester unter der Leitung von Victor Gelod spielt druckvoll auf und bietet einen volltönenden Sound, wird jedoch leider des öfteren durch Musik aus der Konserve ersetzt. Mittels der hervorragend bestückten Lichtanlage werden die auftretenden Artisten erstklassig in Szene gesetzt.
Auch diese Show wurde wieder von Anett Simmen als Regisseurin geschaffen. Sie entwickelte die Story, die dem Programm Struktur verleiht und die Nummern zu einer homogenen Einheit verbindet. Ohne aufgesetzt zu wirken wird die Geschichte dem Publikum in erster Linie durch eine Stimme aus dem Off nahe gebracht.
Dunkle, in schwarze Mäntel gehüllt und Sonnenbrillen tragend, Gestalten bevölkern die Manege und erstarren. Von Clown Rudi Brukson werden sie zu Artisten verwandelt und geben kleine Kostproben ihres Könnens. Der Kapellmeister, in einen prächtigen bunten Mantel gehüllt, spielt ein Solo auf seinem Saxophon und das Opening nimmt seinen Gang, um nahtlos in die Darbietung an den Strapatentüchern von Elena Brukson überzugehen.
Zahlreiche riskante Abfaller aus großer Höhe kennzeichnen den Auftritt, der seinen Höhepunkt in einem freihändigen Spagat zwischen den Tüchern findet. Zudem arbeitet die sympathische Artistin eine furios vorgetragene Trickfolge am Luftring. Zahlreiche Tricks werden in weiten und rasanten Flügen elegant ausgeführt und dabei auf jedwede Sicherung verzichtet.
Tempo-Jongleur Rico Brukson manipuliert virtuos Tennisbälle und -schläger. Zunächst hält er ein Racket mittels Devilsticks in der Luft. Rasant erfolgen die verschiedenen Routinen mit zwei Tennisbällen und einem Schläger und zum Höhepunkt der fulminanten Nummer hält der junge Jongleur fünf Rackets souverän in der Luft.
Clown Rudi Brukson ist bereits während des Einlasses mit ersten Späßchen präsent und stimmt das Publikum mit einem kurzen Applaustest auf das Kommende ein. In seiner ersten Reprise jongliert er, im Koch-Outfit mit allerlei Küchenutensilien. In einem überdimensionalem Apfel steckt ein Wurm. Dieser neckt und lockt den Clown, der auf das Spiel eingeht. Schließlich entpuppt sich der Wurm – Ehefrau Irina übernimmt den Part – als bezaubernder Schmetterling. Unfassbare Magie beherrscht zwei weitere Szenen, in der einen lässt der Clown ein Goldfischglas samt Inhalt auf wundersame Weise verschwinden. Im anderen Fall zaubert er – völlig unsichtbar – einen Schal, im Zusammenspiel mit Sohn Rico und Jim Bim, von seiner in die Hosentasche seines Sohnes und natürlich auch wieder zurück. In der umfangreichsten Reprise requiriert der Clown flugs fünf Mitspieler. Vier von ihnen erhalten Glöckchen, während dem fünften, mit zwei Becken ausgestattet, eine besondere Rolle zukommt.
Zwei Tier-Darbietungen sind in der Show zu erleben. Zunächst präsentiert Stephanie Probst gekonnt und elegant sechs schneeweiße Araberhengste. Souverän agierend lässt die versierte Tierlehrerin die harmonische Dressurfolge ablaufen. Mit einer Reihe erstklassiger Da Capo Steiger klingt der Auftritt in idealer Weise aus.
Wenig später sehen wir die Juniorchefin zusammen mit ihrem Ehemann Sergui Munteanu eine muntere Ziegen-Revue präsentieren. Vielfältige Tricks werden von den acht Tieren unterschiedlicher Rassen geboten und die zwei gescheckte Esel, ihre Fellfarben korrespondieren hervorragend mit denen der Ziegen, sind gleichfalls in die Darbietung integriert.
Sergui Munteanu komplettiert in seiner Rolle als „Jim Bim“ die Auftritte der Direktionsfamilie. Als „betrunkener Artist“ komponiert er Kaskadenstürze, Trampolinakrobatik und einen Striptease zu einem flotten Slapstick-Act.
Handstand-Equilibristin Sofia Kotelenets präsentiert ihre Kür auf drei Handstäben. Die vielseitigen Handstandfiguren werden sicher und ruhig ausgeführt und mit geschmeidigen Übergängen elegant verbunden. Leider verzichtet sie einen Tisch, die Platte mit den Stäben ruht direkt auf dem Manegenboden und macht es einem Teil der Besucher schwer ihrem Auftritt zu folgen.
Zwei Mal erleben wir das argentinische Duo Avant ta Peau. Zunächst präsentieren die beiden Artisten ihren Act an den Strapaten. Zahlreiche anspruchsvolle Figuren sind in eine poetisch anmutende Liebesgeschichte verpackt, die die beiden Artisten mit ihren weiten Flügen durch den Raum erzählen.
In lebhaftem optischem Kontrast zum eher traditionellen ersten Auftritt steht der rockige Vortrag mit den Hula Hoop Reifen. Hauptakteur ist der weibliche Part des Duo, während der Partner assistiert. In hohem Tempo erfolgen die vielseitigen Tricks und per LED-Technik beleuchtete Requisiten bieten zusätzlichen Schauwert. Eine Reihe der attraktiven Abläufe sehen die Artistin, während die Ringe um ihren Körper kreisen, an einer Handschlaufe hoch in der Kuppel schweben.
Die Final-Darbietung sieht die „Torres Truppe“ in Aktion. Die verwegenen Motorradartisten aus Kolumbien jagen in halsbrecherischer Weise durch den „Globe of Death“. Bis zu drei Fahrer sind zeitgleich in der nur vier Meter Durchmesser messenden Stahlgitterkugel auf kreuzenden Bahnen unterwegs.
Das stimmige Finale bringt das komplette Ensemble noch einmal in die Manege und eine Stimme aus dem Off verabschiedet ein überaus zufriedengestelltes Publikum, das seine Begeisterung mit lang anhaltendem starken Beifall ausdrückt.