optimiert



Text und Fotos: Friedrich Klawiter
WINTERCIRCUS UTRECHT
Utrecht, 26. Dezember 2009

www.wintercircusutrecht.nl
Ein neuer Weihnachtscircus wurde in Utrecht installiert. Der Unternehmer Jeroen Hillenaar hat in Kooperation mit Louis Knie jun. den „Wintercircus Utrecht“ ins Leben gerufen. Nun gibt es neben dem seit langem in einem Theater etablierten Weihnachtscircus 'Cascade' einen weiteren im Chapiteau. In der Nähe des Messegeländes der Stadt wurden die Zelte errichtet. Hinter einer großen Wand aus Spannbannern, sie sind mit winterlichen Motiven eines Brauseproduzenten – er ist wohl ein Sponsor des Circus, da auch ein „Weihnachtstruck“ vor dem Circus platziert wurde -  dekoriert, stehen die beiden Chapiteaux.

Als Vorzelt dient der Viermaster, den der Circus Louis Knie jun. während der Saison als Spielzelt nutzt. Dahinter finden wir – ebenfalls weiß mit blauen Absetzungen – ein hohes Pagodenzelt. Das Vorzelt ist üppig weihnachtlich dekoriert, große geschmückte Tannen sind um die Masten drapiert, zahlreiche Verkaufsstände ziehen sich am Rondell entlang,  und den Platz der Manege nimmt nun ein antikes Kinderkarussell ein. Sauberer roter Teppichboden sorgt für eine angenehme Atmosphäre. Zum Einlass werden die Besucher mit reichlich Konfetti empfangen und die vierköpfige Band lässt auf ihrem kleinen Podium angenehme Jazz-Melodien erklingen.

Das Chapiteau überrascht mit einem stilvollen Ambiente - es ist die Einrichtung, die vor Jahren mit der Chinesenproduktion von André Heller unterwegs war. Vier Holzmasten tragen das Chapiteau. Logenstühle und Brüstungen sowie die Balkonlogen sind mit rotem Samt bespannt, gleichermaßen das steil aufragende zehnreihige Gradin. Weit ist es herumgezogen, vom schmalen Haupteingang bis dicht an den dreiteiligen Artisteneingang. Dieser gleichfalls aus edlem roten Tuch, trägt auf seinem vorgezogenen Mittelteil das Orchesterpodium. Ein gewaltiges Schlagzeug, dass mit seinen vielen Becken den Blick auf die übrigen Musiker weitestgehend verstellt beherrscht das Podium. Zusammen mit seinen drei Musikern sorgt Manfred Huber für die optimale Begleitung des Programms.
Die Beleuchtungsanlage ist modern und opulent bestückt. Gekonnt und optimal eingesetzt werden die Akteure in der Manege erstklassig unterstützt und die Show perfekt verkauft.
Die plüschige Gemütlichkeit und relative räumliche Enge rings um die kleine Manege sorgen für viel Atmosphäre, lassen die Zuschauer unmittelbar am Geschehen teilhaben und den berühmten 'Funken' sofort überspringen. Gleich fühlt man sich in den „Österreichischen Nationalcircus Louis Knie“ längst vergangener Tage versetzt, wenngleich ein wenig kleiner und die Programmstärke objektiv betrachtet auch ein wenig schwächer ausfällt. Die Gestaltung und Präsentation steht allerdings ganz in der Tradition vergangener Tage.

Drei Dschigitenreiter preschen in die Manege, die Artisten kommen die Treppenaufgänge herunter in die Manege und aus einer großen Zauberkiste tritt Weißclown Rui Luftman, begrüßt das 'hochverehrte Publikum' mit einem Solo auf dem Saxophon und fast genau den Worten, mit denen einst Luciano Bello das Louis Knie-Publikum willkommen hieß.
Manuel Frank präsentiert die sechs schwarz-weißen prächtigen Kühe des Circus Louis Knie. Mit einem Augenzwinkern wird die Laufarbeit vorgeführt. Walliser Ziegen und Hunde verschiedener Rassen sind die Stars in Manuel Franks zweiter Nummer. Die üblichen Sprünge und Balancen werden beherrscht und souverän vorgeführt.

Eine eindrucksvolle Demonstration akrobatischen Könnens bieten die „Golden Pyramid“. Ihre kraftvolle Adagio-Partnerakrobatik, an zweiter Stelle im Ablauf platziert, steht in  Kontrast zum bisher gesehenen und lässt das Publikum voller Erstaunen über derartige Leistungsfähigkeit der Muskeln die Luft anhalten.
Eine sehr elegant vorgetragene Stangenwurfnummer zeigen die vier Selnikhin. Die beiden Fliegerinnen beherrschen eine große Anzahl verschiedener Sprünge, die allesamt in perfekter Ausführung sicher gelandet werden. Erwähnenswert, dass diese Truppe ausschließlich eine einzelne runde Stange verwendet und nicht mit einer mehrfach verbundenen, brettartigen Ausführung eine breite Aufsprungbasis schafft.

Die Clownfamilie Luftman verbreitet Frohsinn in diesem Programm. Maximo und Francesco – Frank Bergmann steckt hinter dieser Maske -  überbrücken mit einigen Reprisen die kurzen Umbau-Unterbrechungen. Das Entree, es werden 'Bonbons für die Kinder' gemacht, leitet Weißclown Rui Luftman auf seinem Saxophon ein. Dann übernimmt Magier Christian Farla den Part des „Überlegenen“, der die Materie beherrscht. Nach dem bekannten Verlauf der „Bonbon-Macherei“ verabschiedet man sich mit viel Musik.

Drei Darbietungen lenken die Blicke der Zuschauer hoch zur Kuppel. Da ist zunächst Ilona Pistekova mit ihrer Arbeit am Solotrapez. Longengesichert bietet sie riskante Abfaller im vollen Schwung.
Vor der Pause agieren die Granadeiro Brothers auf dem Todesrad. Abwechseln zeigen sie auf dem großen Requisit, dass nur einen Kessel hat, ihre Sprünge. Mit südlichem Temperament und den nötigen Macho-Attitüden verkaufen die beiden Portugiesen ihre Darbietung hervorragend.
Die schwungvolle Ouvertüre des Orchesters startet den zweiten Programmteil, dann drehen die Flying Mendes ihre Salti und Pirouetten am Fliegenden Trapez. Auch sie verstehen es, das Publikum zu fesseln. Dies umso mehr da es zu einem kleinen Zwischenfall kam. Die besuchte war die dritte Vorstellung des Tages und die Konzentration ließ wohl schon ein wenig nach. Ein gestreckter Doppelsalto schien sicher gefangen, doch beim ausschwingen entglitt der Flieger den Fängerhänden und es gelang ihm gerade so, sich am oberen Rand des Fangnetzes festzuhalten.

Breiten Raum nimmt die Illusionsshow des jungen niederländischen Star-Magiers Christian Farla ein. Der Sieger vieler Wettbewerbe präsentiert mit vier Assistentinnen eine äußerst umfangreiche Abfolge erstklassiger und schwieriger Großillusionen in glamouröser Choreographie. Ein Hauch von Las Vegas und Moulin Rouge ist zu verspüren. Er beendet den Auftritt mit einer 'Hommage an Houdini'. Gefesselt steigt er in vollkommen gefülltes gläsernes Wasserbassin, dass mit einem Deckel verschlossen wird. Eine Assistentin nimmt ihren Platz ein, mehrmaliges Vorzeigen des Artisten unter Wasser und dann tauschen die beiden die Position.
Argentinische Folklore präsentieren die Granadeiros. Zu viert werden die gewohnten Abläufe mit Trommeln und Bola gezeigt. Abschließend werden effektvoll Bolas mit brennenden Schnüren umhergewirbelt.

Nun ist es an Louis Knie jun. einen Sechser-Zug Freiheitspferde vorzustellen. Je drei Friesen und weiße Araber zeigen fehlerfrei ihr Können. Elegant, ganz in der großen Traditionen des Hauses Knie agiert der Vorführer. Zahlreiche Da Capo Steiger komplettieren die Darbietung und begeistern die Zuschauer.
Aus Mexiko kommt Juan Pablo Martinez. Der quirlige junge Jongleur lässt die Keulen in seinen Händen tanzen, manipuliert Tischtennisbälle mit dem Mund. Die raumfüllende Jonglage von bis zu fünf „Sombreros“ beendet die rasante Show.

Als Finalnummer erleben wir die Dschigitenreiterei der Truppe Iriston . Sechs Reiter und ein eigenes integrierter Tänzer leiten folkloristisch den Auftritt ein. Dann nimmt der Truppenchef mit seiner klangvollen Peitsche die Position in der Manegenmitte ein und das Reiterspektakel nimmt seinen Lauf. Auch in der kleineren Manege werden die Tricks mit enormen Tempo ausgeführt und die Nähe zum Publikum lässt die Darbietung gewinnen. Dem Auftritt kommt die Begleitung durch eine Live-Band wesentlich zu Gute, lässt ihn 'schneller' und atmosphärisch dichter werden.

Das Finale im Circus von Louis Knie war und ist immer eine groß angelegte Angelegenheit. Die Manege füllt sich mit achtunddreißig (!!) Artisten/Innen. Zu mitreißender Musik werden sie vorgestellt. Zahlreiche Zugaben und mehrere Vorhänge lassen die stehend applaudierenden Besucher begeistert mitgehen. Dann, in die inzwischen leere Manege, tritt Rui Luftman vor den Vorhang und spielt ein letztes verträumtes Stück auf dem Saxophon. Die junge Frau, die vorher bereits ein- zwei Mal in Erscheinung trat, singt live dazu und langsam verlöschen die Scheinwerfer.
Nach drei Stunden geht ein sehr gutes, vorbildlich präsentiertes Circusprogramm, das fast keinen Wunsch, außer vielleicht den nach einer guten Raubtierdarbietung, offen gelassen hat stimmungsvoll zu Ende.